»Geschichte des Agathon« ist ein 1766 und 1767 in zwei Bänden erstmals erschienener, 1773 und 1794 jeweils umgearbeiteter Roman von Christoph Martin Wieland. Er gilt als der erste große Bildungs- und Erziehungsroman in der deutschen Literatur und als Vorläufer des modernen psychologischen Romans. Das Werk markiert den Anfang der Geschichte des neueren deutschsprachigen Romans.
Wielands »Agathon« steht als Prototyp am Anfang der Geschichte des modernen Romans und war das Vorbild für viele folgende Werke, darunter für Goethes »Wilhelm Meister«. In diesem Epochenroman, in der fiktionalen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft des antiken Griechenlands, stellt Wieland die entscheidenden Fragen zur eigenen Zeit. In deren Mittelpunkt aber steht das zeitlose Problem, wie sich das Individuum selbst zu finden vermag zwischen hochfliegendem Ideal und persönlicher Erfahrung.
Die Handlung spielt im Übergang vom 5. zum 4. vorchristlichen Jahrhundert, geschildert wird das Heranwachsen des schönen athenischen Jünglings Agathon zu einem reifen Mann.
Wieland schildert in dem Roman, wie Agathon nach und nach durch Desillusionierungen und Enttäuschungen zu einer realistischeren, erfolgversprechenderen und glücklicheren Lebenseinstellung gelangt. Mit diesem vielschichtigen und vielseitigen Werk hat sich Chr. M. Wieland in die Herzen seiner damaligen Leserschaft geschrieben und uns Heutigen ein Buch hinterlassen, das Erstaunen hervorruft.
Der Hauptprotagonist als der Philosoph Agathon entspricht dabei dem griechischen Schönheitsideal der damaligen Zeit. Er sei von einer so vollkommenen Schönheit, dass die Rubens und Girardons dazumals, weil sie die Hoffnung aufgaben eine vollkommnere Gestalt zu erfinden oder aus den zerstreuten Schönheiten der Natur zusammenzusetzen, die seinige zum Muster nahmen, wenn sie den Apollo oder Bacchus vorstellen wollten. Tatsächlich sagte Wieland von sich, dass er selbst eher schmächtig und unschön sei. So kreierte er ein allumfassendes, über jegliche Zweifel erhabenes Schönheitsbild, das den umfassenden ästhetischen Kriterien in jeder Hinsicht scheinbar gerecht wurde. Da die Griechen in der Antike nach körperlichem und geistigem Einklang strebten stellt sein Agathon demzufolge auch ein solcher Archetypus dar. Gleichwohl gebildet und redegewandt, wie auch leidenschaftlich und schwärmerisch veranlagt ist er.
Agathon ist aber weit vielschichtiger, als man es am Anfang zu denken glaubt. Anfangs ein spekulativer Enthusiast, romantischer Schwärmer und leidenschaftlicher Hedonist entwickelt er sich im Verlaufe des Abenteuers zu einem zweifelnden und hinterfragenden Weltverbesserer. Einem ernsten Realisten und zu einem weisen Pragmatiker. Er lernt, dass die Ideale aus seinen früheren Vorstellungen nicht existieren, nichtsnützig und weltfremd sind. So verändert er sich mit den Erfahrungen zunehmend und findet somit zu einer erfolgsversprechenderen und glücklicheren Geisteshaltung.
Die Reife Agathon`s Charakter wird im Laufe der Geschichte vielfältig auf die Probe gestellt. Als Priester im Tempel zu Delphi ist er erzogen worden. Dort hält es ihn nicht lange und so zieht er in die Welt hinaus. Er trifft unerwartet auf ein Fest thrakischer Weiber und wird daraufhin von kilikischen Seeräubern entführt. Als Sklave wird er so an den Sophisten Hippias verkauft, welcher ihn in der Philosophie und Politik unterweist. Agathon lernt desweiteren eine besonders hochstehende und verführerische Frau kennen, an welcher er die ganzen verwirrenden Auswirkungen der weiblichen Reize erfährt. Später wird er von Hippias verraten und wendet sich ab. In Sizilien wird er Berater und Staatsverwalter des Dionys und wenig später richtet er sich in einer Konspiration gegen dessen Politik. Archytas wird sein neuer Mentor und geistiger Vater und Agathon begegnet seiner damaligen Liebe erneut. Auf Um -und Abwegen findet er letzlich zu sich selbst und zu einer gesunden Lebenseinstellung durch die Ausgeglichenheit von Vernunft, Gefühl und ästhetischem Empfinden.
Ist anfänglich der Eindruck vorhanden, dass der barocke Stil hervortritt und der "Simplicissimus" grüßen lässt, so wird im Laufe der Erzälungen klar, dass es sich auch um einen psychologischen Roman handelt. Das erstaunt einigermaßen, da die Erkenntnisse auf diesem Gebiet erst einige Zeit später so richtig zum Zuge kommen werden.
Literatur:
Die Geschichte des Agathon von Christoph Martin Wieland
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