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Freitag, 27. November 2020

»Corona« von Paul Celan




Aus der Hand frißt der Herbst mir sein Blatt: wir sind Freunde. Wir schälen die Zeit aus den Nüssen und lehren sie gehn: die Zeit kehrt zurück in die Schale.

Im Spiegel ist Sonntag, im Traum wird geschlafen, der Mund redet wahr.

Mein Aug steigt hinab zum Geschlecht der Geliebten: wir sehen uns an, wir sagen uns Dunkles, wir lieben einander wie Mohn und Gedächtnis, wir schlafen wie Wein in den Muscheln, wie das Meer im Blutstrahl des Mondes.

Wir stehen umschlungen im Fenster, sie sehen uns zu von der Straße: es ist Zeit, daß man weiß! Es ist Zeit, daß der Stein sich zu blühen bequemt, daß der Unrast ein Herz schlägt. Es ist Zeit, daß es Zeit wird.

Es ist Zeit.

»Corona« von Paul Celan

Video: »Corona« von Paul Celan - Youtube Weblink: Corona - www.lyrikline.org

Donnerstag, 26. November 2020

Mark Twain 185. Geburtstag


Mark Twain feiert am 30. November seinen 185. Geburtstag. Mark Twain, eigentlich Samuel Langhorne Clemens, wurde am 30. November 1835 als Sohn eines Rechtsanwaltes und Händlers in Florida, Missouri geboren. Mark Twain war ein berühmter amerikanischer Schriftsteller, Erzähler und Journalist des 19. Jahrhunderts.

Er war ein Vertreter des amerikanischen Realismus und ist besonders wegen seiner humoristischen, von Lokalkolorit und genauen Beobachtungen des sozialen Verhaltens geprägten Erzählungen und aufgrund seiner scharfzüngigen Kritik an der amerikanischen Gesellschaft berühmt.


In seinen Werken beschreibt der traditionelle Erzähler den alltäglichen Rassismus, seine „Helden“ durchschauen die Heuchelei und Verlogenheit der herrschenden Verhältnisse.

Mark Twain beschrieb als tradidtioneller Erzähler in seinen Werken das Leben und den Alltag in den Südstaaten entlang des Mississippi.

Gefürchtet war Twain für seine gnadenlose Kritik an den rassistischen Verhältnissen und der Sklaverei in der amerikanischen Gesellschaft sowie seine treffsicheren sarkastischen Aphorismen, mit denen er seinen Landsleuten ebenso wie den Europäern den Spiegel vorhielt.


Als junger Mann lies sich Samuel Langhorne Clemens zum Lotsen auf einem Schaufelraddampfer auf dem Mississippi ausbilden. Der Bürgerkrieg brachte 1861 die Flussschiffahrt zum Erliegen - und bereitete Clemens' Karriere ein jähes Ende. Er zog weiter nach Westen, schürfte nach Gold und verlegte sich auf das, was er am besten konnte: aufs Schreiben.

Von 1852 an reiste er als wandernder Schriftsetzer durch den Osten und Mittleren Westen. Aus St. Louis, Philadelphia, New York und Washington D. C. schrieb er Reiseberichte für die Zeitung seines Bruders.



Ab 1855 lebte Samuel Clemens in St. Louis und plante, Steuermann auf einem Mississippidampfer zu werden. 1857 begann er eine Ausbildung zu diesem Beruf, 1859 erhielt er eine Lizenz und arbeitete vollzeitig in diesem Beruf. Der amerikanische Bürgerkrieg unterbrach die vielversprechende Lotsenkarriere, doch gelang es Sam Clemens, der sich eher aus Zufall als aus Überzeugung der Union angeschlossen hatte, den blutigen Schlachtfeldern geschickt auszuweichen.



Am 3. Februar 1863 nutzte er erstmals das Pseudonym „Mark Twain“ und begann seine schriftstellerische Karriere. Mark Twain ist ein Ausdruck aus der Seemannsprache, der Zwei Faden (Wassertiefe) bedeutete und der möglicherweise ein Überbleibsel aus seinem Lebensabschnitt als Lotse eines Dampfschiffes auf dem Mississippi ist.

Ab 1864 zog Twain nach San Francisco, später wieder nach Nevada, zurück nach Kalifornien, nach Hawaii und wieder nach Nevada. Zwischenzeitlich arbeitete er ebenfalls kurzfristig als Reisekorrespondent aus Europa und dem Nahen Osten.

In seinen Romanen machte er die gesellschaftlichen Verhältnisse in den Südstaaten, das Leben auf und entlang des Mississippi, den alltäglichen Rassismus und die Schiffahrt zum Thema. Mark Twain ist vor allem als Autor der Bücher über die Abenteuer von »Tom Sawyer« und »Huckleberry Finn« bekannt.

Über das heutige Amerika ihm wohl als erstes eingefallen, dass Amerika dahintreibt wie der der Ol' Man River - der Fluss, auf dem Mark Twain als Lotse gearbeitet hat, bevor der amerikanische Bürgerkrieg seiner Tätigkeit auf dem Fluss beendet hat.





Literatur, die man gelesen haben sollte:

Tom Sawyer
Tom Sawyer
von Mark Twain

Huckleberry Finn
Huckleberry Finn
von Mark Twain

Weblink:

Mark Twain-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Mark Twain-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de

Was würde der Schriftsteller Mark Twain wohl über das heutige Amerika sagen? - Satiren - satiren.wordpress.com

Montag, 23. November 2020

Paul Celan 100. Geburtstag

Paul Celan

Paul Celan wurde vor 100 Jahren am 23. November 1920 als Paul Antschel als einziger Sohn deutschsprachiger, jüdischer Eltern im damals rumänischen Czernowitz in der Bukowina geboren.

Paul Celan, der das Land seiner Sprache nie besucht hat und den die Vergangenheit nie loslies, ist einer der bedeutendsten Dichter der Neuzeit. Paul Celan steht zusammen mit wenigen Autoren wie Primo Levi, Nelly Sachs oder Imre Kertész international herausragend für die Möglichkeit von »Dichtung im Angesicht der Shoah«.

Nach dem Abitur 1938 begann er ein Medizinstudium in Tours in Frankreich, kehrte jedoch bereits ein Jahr später nach Rumänien zurück, um dort Romanistik zu studieren.

1942 wurden Celans Eltern deportiert. Im Herbst desselben Jahres starb sein Vater in einem Lager an Typhus, seine Mutter wurde erschossen. Von 1942 bis 1944 musste Celan in verschiedenen rumänischen Arbeitslagern Zwangsarbeit leisten. Von 1945 bis 1947 arbeitete er als Lektor und Übersetzer in Bukarest, publizierte in diesen Jahren erste Gedichte.

Im Juli 1948 zog er nach Wien und dann nach Paris, wo er bis zu seinem Tod lebte. Im selben Jahr begegnete Celan Ingeborg Bachmann in Wien. Dass Ingeborg Bachmann und Paul Celan Ende der vierziger Jahre und Anfang der fünfziger Jahre ein Liebesverhältnis verband, das im Oktober 1957 bis Mai 1958 wieder aufgenommen wurde, wird durch den posthum veröffentlichten Briefwechsel »Herzzeit« zwischen den beiden bestätigt.

Einer der ersten öffentlichen Auftritte des damals noch weitgehend unbekannten Paul Celan fand im Mai 1952 auf der Tagung der Gruppe 47 in Niendorf statt. Die Lesung kam auf Vermittlung der Wiener Freunde Ingeborg Bachmann, Milo Dor und Reinhard Federmann zustande, wurde allerdings zu einem Misserfolg.

Entdeckt wurde Paul Celan von der »Gruppe 47« 1952 bei einer Lesung. Die Linie der Gruppe war eine schnörkellose Prosa im Stile einer nüchternen Reportage. Celan vertrat eine andere Auffassung von zeitgemäßer Lyrik: "Die Dichtung muss eine graue Sprache haben"

Heinrich Böll setzte sich jedoch entschieden für den Lyriker ein und forderte, daß seine Lyrik Pflichtlekture im Schulunterricht werden sollte.

Im November 1951 lernte Celan in Paris die Künstlerin Gisèle de Lestrange kennen, die er ein Jahr später heiratete. 1955 kam ihr gemeinsamer Sohn Eric zur Welt.

In den 1950er Jahren begann sich Celan mit der Philosophie Heideggers auseinanderzusetzen und auch umgekehrt las Heidegger Celans Werke. Am 24. Juli 1967 begegneten sie sich in Freiburg und unternahmen am Tag danach einen Ausflug zu Heideggers Hütte in Todtnauberg. Todtnauberg wurde auch der Titel eines Gedichtes, das Celan am 1. August 1967 schrieb. Es folgten weitere Besuche und es entstand ein Briefwechsel. Celans Verhältnis zu Heidegger war zwar ambivalent, aber freundschaftlich.

Das Gefühl der Zerissenheit, keine geistige Heimat zu finden, hat ihn nie verlassen. Am 20. April 1970 nahm sich Celan in der Seine das Leben.

Paul Celan-Handbuch:

Celan-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung

Celan-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung von Markus May

Blog-Artikel:

»Corona« von Paul Celan - Poetenwelt

»Todesfuge« von Paul Celan - Literatenwelt-Blog

Samstag, 21. November 2020

»Der Schimmelreiter« von Theodor Storm

Der Schimmelreiter: Novelle (insel taschenbuch)
Der Schimmelreiter

Theodor Storms letzte und neben »Immensee« bekannteste Novelle »Der Schimmelreiter« erschien erstmals im Frühjahr 1888 in der »Deutschen Rundschau«. Ort der Handlung ist Nordfriesland. Die erste der drei Erzählebenen spielt zur Entstehungszeit des Werks, die zweite etwa um 1820 und die Binnengeschichte um Hauke Haien, den sogenannten Schimmelreiter, von 1732 bis 1756. Der aus einfachen Verhältnissen stammende Hauke steigt dank seines Ehrgeizes und des Vermögens seiner Frau zum Deichgraf auf. Er lässt einen neuen dauerhaften Deich bauen, geht jedoch mit seiner Familie unter, als der alte Deich bricht.

Die Novelle beginnt mit der Erinnerung des ersten Erzählers an eine Geschichte, die er einst im Haus seiner Urgroßmutter gelesen hat. Darin reist der zweite Erzähler während eines Unwetters entlang der nordfriesischen Küste Richtung Husum, wo ihm ein rätselhafter Reiter auf einem Schimmel begegnet, der bald darauf im Meer zu verschwinden scheint. In einem Wirtshaus am Weg schildert der Reisende dem anwesenden Deichgraf und anderen Gästen sein Erlebnis, woraufhin ein pensionierter Schulmeister die Geschichte des Hauke Haien erzählt. Damit ist die dritte und eigentliche Erzählebene der Novelle erreicht.

Hauke, Sohn eines nordfriesischen Bauern und Landvermessers, ist als Kind sehr wissbegierig und befasst sich früh mit Mathematik und Geometrie. Von seinen Altersgenossen hält er sich fern und wird nicht müde, die Flutwellen zu beobachten, die auf den Deich aufschlagen. Er stellt Berechnungen an und baut kleine Modelle für widerstandsfähigere Deichformen. Bei jedem Wetter hält er sich am Deich auf und lässt sich auch von Geistern, die er im Watt zu erkennen meint, nicht vertreiben.


Die Erzählung des Schulmeisters wird unterbrochen, weil einige Gäste des Wirtshauses den Schimmelreiter am Fenster gesehen haben wollen.

Mit achtzehn Jahren ergreift Hauke seine Chance und tritt als Kleinknecht in den Dienst des trägen und gutmütigen Deichgrafen Tede Volkerts ein. Elke, die gleichaltrige Tochter des Deichgrafen, und Hauke fühlen sich zueinander hingezogen. Elke nimmt Hauke vor dem eifersüchtigen Großknecht Ole Peters in Schutz. Hauke hat einen scharfen Blick für die Angelegenheiten des Deiches, weist den Deichgrafen auf Missstände hin und arbeitet sich in die Verwaltungsaufgaben ein. Bei manchen der Anrainer macht Hauke sich damit unbeliebt, was Ole Peters noch zu schüren weiß. In seinem dritten Dienstjahr kann Hauke bei einem Fest dank Elkes Eingreifen ein wichtiges Wettspiel für sich entscheiden. Beim anschließenden Ball bekennt Elke sich zu Hauke.

Hauke besorgt daraufhin einen Verlobungsring, den er jahrelang in seiner Westentasche verwahrt. Sein Vater hinterlässt ihm bei seinem Tod ein kleines Vermögen, das Hauke die Übernahme des ersehnten Deichgrafenamts ermöglichen soll. Hauke unterstützt weiterhin den Deichgrafen bei dessen Verwaltungsaufgaben und während einer Dorfhochzeit im folgenden Jahr steckt er Elke heimlich den Ring zu. Elke behält ihn, hält jedoch die Zeit noch nicht für gekommen, ihn zu tragen.

Der Schimmelreiter: Novelle (insel taschenbuch)
Der Schimmelreiter

Der Deichgraf stirbt und beim Leichenessen nach seinem Begräbnis belauscht Elke ein Gespräch, in dem der Oberdeichgraf über die Nachfolge Volkerts im Amt nachdenkt. Elke teilt ihm ihre Verlobung mit Hauke und die beabsichtigte Übertragung ihres Erbes auf ihren künftigen Mann mit. Damit verfügt Hauke neben seiner Erfahrung über den notwendigen Grundbesitz und wird zum Deichgraf ernannt.

Der Schulmeister unterbricht erneut, weil der Reiter wieder gesichtet wurde.

Hauke und Elke arbeiten hart in den kommenden Jahren, verlangen auch den Dorfbewohnern viel für die Erhaltung des Deiches ab und erregen so Unmut. Haukes Widersacher Ole Peters intrigiert gegen Hauke und Haukes Hass auf die Dorfbewohner wächst. Er kauft einem merkwürdigen Unbekannten einen elenden Schimmel ab. In ihm meinen die Dorfbewohner ein auferstandenes Pferdegerippe zu erkennen, das zuvor im Watt gelegen hatte.


Theodor Storms Novelle «Der Schimmelreiter» erschien 1888
Theodor Storms Novelle «Der Schimmelreiter» erschien 1888. Die Geschichte handelt von dem Deichgrafen Hauke Haien, der einen neuen Deich gegen die Sturmfluten der Nordsee errichtet.

Hauke entwirft einen ehrgeizigen Plan zum Bau eines neuen Deiches mit einem flacheren Profil. Mit der Genehmigung des Oberdeichgrafen, aber gegen den erbitterten Widerstand der Bauern werden die zeitintensiven und anstrengenden Arbeiten für den Deich begonnen. Unterdessen bringt Elke eine Tochter zur Welt und überlebt das anschließende Kindbettfieber nur knapp. Hauke wird fehlende Gottesfürchtigkeit vorgeworfen und er zieht sich immer mehr von den anderen zurück. Als er verhindert, dass an der Schnittstelle zwischen altem und neuem Deich aus Aberglauben ein Hund lebendig begraben wird, hat er endgültig alle Dorfbewohner gegen sich.

Die einzige gemeinsame Tochter Wienke ist geistig behindert, doch vertieft dies die Liebe zwischen den Eheleuten noch und sie hängen zärtlich an dem Kind. Im Frühjahr bemerkt Hauke eine erhebliche Schwachstelle am alten Deich. Von einer schweren Krankheit geschwächt kann er sich gegenüber den Verantwortlichen im Dorf nicht durchsetzen und stimmt einer nur oberflächlichen Reparatur zu. Im Sommer machen sich abergläubische Vorahnungen an der Küste breit. Als sich vor Allerheiligen ein gewaltiger Sturm erhebt, reitet Hauke auf dem Schimmel zum Deich hinaus, wo er auf Bauern trifft, die den neuen Deich durchstechen. Ole Peters hat den Befehl dazu gegeben.

Die Situation der alten Tragödie ist gegeben. Der Gegenschlag des Schicksals muss doch erfolgen: der alte Deich bricht. Etwas hätte den Deichgrafen noch retten können, nämlich das, was für den Autor, für Storm, das Allerwichtigste im Leben, sein Allerheiligstes war: die Familie. Elke aber, und die kleine schwachsinnige Wienke kommen dem Vater in einem Wagen entgegengefahren und werden von den Wellen verschlungen. Nun ist für den Schimmelreiter alles aus und er stürzt sich mit seinem Schimmel in die Fluten. Die Tragödie ist zu Ende.

Der alte Deich bricht und das Meer überflutet das Dorf. Hauke muss zusehen, wie Frau und Tochter, die ihm in einem Wagen gefolgt sind, in den Fluten untergehen. Er klagt sich an, seiner Verantwortung als Deichgraf nicht gerecht geworden zu sein, gibt dem Schimmel die Sporen und reitet in das tosende Meer.

Am Ende der Erzählung lobt der Schulmeister den sogenannten Hauke-Haien-Deich, der seit mehr als hundert Jahren steht. Auf dem Weg nach Husum reitet der Reisende am nächsten Tag über eben diesen Deich.

Weblink:

Gedanken zum 200. Geburtstag von Theodor Storm - www.condor.cl/kultur


Literatur:

Der Schimmelreiter: Novelle (insel taschenbuch)
Der Schimmelreiter: Novelle (insel taschenbuch)
von Theodor Storm

»Prosa-Edda: Altisländische Göttergeschichten« von Snorri Sturluson

Edda

Snorri Sturluson (1178/79–1241), isländischer Dichter, Gelehrter und Gesetzessprecher, prägte mit seinen Werken unsere Vorstellung von der Wikingerzeit wie kein zweiter. Er war Verfasser einer monumentalen Chronik des norwegischen Königsgeschlechts sowie der «Egill-Saga» um den berüchtigten gleichnamigen Skaldendichter und Abenteurer.

Er verfasste die »Prosa-Edda« (um 1220), mit dem er die der altgermanischen Tradition verhafteten Göttergeschichten vor dem Vergessenwerden bewahren wollte.

Prosa-Edda: Altisländische Göttergeschichten


Prosa-Edda: Altisländische Göttergeschichten

Im ersten Teil, der "Gylfagining", begibt sich der schwedische König Gylfi zur Götterburg und fordert Auskunft über Anfang und Ende der Welt, wobei er mit seinen Fragen die Weisheit der Götter auf die Probe stellt. Das "Skáldskaparmál" beschreibt die Skaldenkunst, in die zur Erläuterung der Dichtung und der alten Mythen manche Geschichte eingeflochten wird.



In der »Sprache der Dichtkunst« finden sich weitere Geschichten, und das Buch schließt mit den Erörterungen von Snorri Sturluson über die altisländischen Göttersagen. Dabei wird deutlich, dass Snorri Sturluson versucht hat, diese Mythen mit dem Christentum in Einklang zu bringen, um sich nicht dem Vorwurf, heidnisch zu sein, auszusetzen.

Literatur:


Prosa-Edda: Altisländische Göttergeschichten
Prosa-Edda: Altisländische Göttergeschichten
von Snorri Sturluson und Arthur Häny

Donnerstag, 19. November 2020

Anna Seghers 120. Geburtstag

Anna Seghers

Anna Seghers wurde vor 120 Jahren am 19. November 1900 in Mainz geboren. Anna Seghers - egentlich Netty Radványi, geborene Reiling, war eine deutsche Schriftstellerin.

Ihr Studium der Kunstgeschichte und Sinologie schloss sie 1924 mit der Promotion ab. 1928 wurde sie Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD).

Ihre Erzählung "Aufstand der Fischer von St. Barbara" (1928) wurde im Erscheinungsjahr mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet.

1933 emigrierte sie nach Frankreich, dann nach Mexiko. Ihre Werke wurden verboten und verbrannt.

Im Exil betätigte sie sich als Herausgeberin und schrieb Erzählungen und Romane, so "Das Siebte Kreuz" (1942) und "Transit" (1943).

Von 1952 bis 1978 war sie Präsidentin des DDR-Schriftstellerverbandes. Neben einer Vielzahl von Auszeichnungen und Würden erhielt sie 1947 den Büchner-Preis.

Anna Seghers starb am 1. Juni 1983 in Ost-Berlin.

Samstag, 14. November 2020

»Professor Unrat« von Heinrich Mann

Mit der Geschichte vom Ende des tyrannischen Gymnasialprofessors Raat gelang Heinrich Mann bereits im Jahr 1905 eine meisterhafte Karikatur der Wilhelminischen Zeit. Ähnlich wie sein Roman »Der Untertan« gilt auch diese frühe Spießer-Satire als hellsichtige Vorwegnahme deutscher Tyrannei nach 1933. Darüber hinaus aber ist »Professor Unrat« auch einer der ersten Lehrer- und Campusromane und weist auf Meisterwerke wie Nabokovs »Lolita« oder Philip Roths »Der menschliche Makel« voraus.

Professor Raat ist ein spießiger, reaktionärer, unglücklicher, hasserfüllter Lehrer an einem Kleinstadt-Gymnasium, der dort Altgriechisch und Latein unterrichtet. Der Zeitgeschmack und die Bedürfnisser der Jugend interessieren ihn nicht. Die Jugend hasst ihn daher ebenso wie er die Jugend, die er in Wirklichkeit nicht versteht. Da er aber gegen seine Schüler Krieg führt und diese Siege gegen seine Schüler ihm Genugtuung verschaffen, er das Scheitern seiner Schüler aus gutem Hause im LeEben früh beeinflussen kann, indem er diesen schlechte Noten gibt, erhält er ein Gefühl von Macht. Professor Raat fühlt sich der Tugendhaftigkeit derart verpflichtet, dass er seine Schüler regelrecht tyrannisiert.

Alles was auch nur im Ansatz seine Autorität untergraben könnte muß im Keim erstickt werden, denn nichts fürchtet er so sehr wie Machtverlust. Selbst in ehemaligen Schülern, längst erwachsen und im Leben stehend, sieht er noch den Hang zum Aufruhr gegen ihn, obwohl diese sich seiner nurmehr verklärt erinnern. Rufen sie ihn »[…] mit seinem Namen […]« dann in beinahe wehmütiger Erinnerung an ihre Jugendzeit.

Auf drei seiner Schüler hat es Unrat besonders abgesehen, da sie in seinen Augen nur darauf aus sind Unruhe zu stiften. Ertzum, ein junger Adliger von beschränktem Geist, Kieselack, Sohn eines kleinen Hafenbeamten mit Alkoholproblemen, und Lohmann, Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns, der wahrscheinlich intelligenteste unter Unrats Schülern, obwohl seine Leistungen im Unterricht unterdurchschnittlich sind. Als die drei wieder einmal den Unterricht stören, verbannt Unrat sie ins Kabuff, einem kleinen Nebenraum, in dem die Schüler ihre Jacken und Mäntel während des Unterrichts aufbewahren. Dabei gerät ihm Lohmanns Schulheft in die Hände, in dem er einige Verse unter anderem über eine gewisse Künstlerin Fröhlich verfaßt hat. Unrat, dem Lohmanns Intelligenz suspekt ist, wittert hier seine Chance, den Schüler Lohmann zu fassen.

Unrat, der nie aus seinem üblichen Trott herausgekommen ist, täglichen den gleichen Weg geht, versucht nun herauszubekommen, um wen es sich bei dieser Frau handelt. Zuerst denkt er an eine Schauspielerin, doch beim Theater kennt sie keiner. Auf der Suche nach ihr, gerät Unrat ins Hafenviertel. Doch auch dort kann er nichts in Erfahrung bringen, eckt aber bei den einfachen Leuten an. Unrat wendet sich an den Schuhmachermeister Rindfleisch, von dem er glaubt, er könne es wissen. Rindfleisch ist Anhänger der Herrenhuter, einer religiösen Sekte, die alles Sexuelle verdammt und fest davon überzeugt ist, »[…] daß Gott es nur darum erlaubt, auf daß er in seinen Himmel oben mehr Engel kriegt […]«. Unrat verachtet innerlich die unterwürfige Frömmigkeit des Meisters, der ihm auch nicht weiterhelfen kann.

Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen
Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen

Unrat zieht es erneut ins Hafenviertel und findet endlich die Künstlerin Fröhlich in einem Lokal namens »Der Blaue Engel«. Rosa Fröhlich arbeitet dort als mittelmäßige Sängerin, ist aber durch ihre Schönheit die Attraktion des Lokals. Im Hinterzimmer, das als Künstlergarderobe genutzt, halten sich allabendlich Kieselack, Ertzum und Lohmann auf. Unrats Erscheinen vertreibt sie. Unrat, der anfangs um seine Schüler von der Künstlerin Fröhlich fernzuhalten, nun selbst jeden Abend in den »Blauen Engel« geht, knüpft langsam eine persönliche Beziehung zu Rosa Fröhlich, bis beide eine Liaison miteinander beginnen. Zwar ist es Unrat gelungen, seine Schüler und ganz besonders Lohmann vom »Blauen Engel« fernzuhalten. Aber da es für einen Mann seiner Position nicht schicklich ist, permanent in einem solchen Haus zu verkehren, entsteht eine Pattsituation zwischen ihm und den dreien – Unrat kann sie nicht mehr mit der gleichen Strenge wie früher behandeln, aber sie können auch nicht wirklich aufbegehren.

Unrats Liaison mit der Künstlerin Fröhlich wird ruchbar, die bigotten Kollegen schneiden ihn, doch kann man den unbeliebten Kollegen nicht so ohne weiteres loswerden. Das besorgt Unrat letztlich selbst als er in einem Prozeß, in dem über die Zerstörung eines Hünengrabes verhandelt, dessen Lohmann, Ertzum und Kieselack angeklagt sind, leidenschaftlich für die Künstlerin Fröhlich, die verdächtigt wird, einen der drei angestiftet zu haben, und gegen seine Schüler Partei ergreift. Die drei werden von der Schule verwiesen, aber auch Unrat ist durch seinen Auftritt untragbar geworden. Er wird in den Ruhestand versetzt.

Er heiratet Rosa Fröhlich und beginnt einen persönlichen Feldzug gegen die Kleinbürgerlichkeit seiner Heimatstadt. Er will jeden »fassen« und vernichten, der ihn Zeit seines Lebens verunglimpft hat. Noch immer sieht er in allen Schüler. Noch lebt er in der Vorstellung, daß es für einen Menschen nichts Schlimmeres gibt als von der Schule verwiesen zu werden.

Während eines Sommerurlaubs am Meer werden er und seine Frau der – durchaus zweifelhafte – gesellschaftliche Mittelpunkt. Aber weil in ihrem Gefolge angesehene Männer sind, echauffiert man sich nur hinter vorgehaltener Hand. Rosa Fröhlich erkennt, daß sie auf Männer der »besseren Gesellschaft« wirkt und beginnt das auszunutzen.

Unrat erkennt seine Möglichkeiten und nach der Rückkehr aus dem Seebad wird sein Haus nach und nach zum besonderen Mittelpunkt des verschlafenen Ortes, der bisher keine Möglichkeit zum Laster geboten hat. »[…] Es gab kein ansehnliches Varieté. Die fünf oder sechs für den Gebrauch besserer Herren abgerichteten Halbweltdamen waren zum Überdruß bekannt, und die Freuden, die sie bieten konnten, wurden einem schal gemacht durch den Gedanken an Haus Unrat und seine Hausfrau. […]« Man erzählt sich hinter vorgehaltener Hand unter anderem von Pfänderspielen, was aber mehr Gerücht als Wahrheit ist.

Die Honoratioren des Ortes gehen in Haus Unrat ein und aus, mit Ausnahme Konsul Lohmanns, der als einziger mit dem Vergnügungsmöglichkeiten der großen europäische Städten bestens vertraut ist und deshalb dieser kleinbürgerlichen Vorstellung von Vergnügen und Laster nichts abgewinnen kann.

Während Unrats zweitem Sommer im Seebad spielt Rosa Fröhlich ihre Macht, die sie über die Männer hat, bewußt aus. Ergebnis; die Braut Richters – ein ungeliebter ehemaliger Kollege Unrats – löste die Verlobung und ein ehemaliger Schüler erleidet beinahe einen tödlichen Badeunfall. Unrat triumphiert; er hat zwei weitere – Schüler – »gefaßt«.

Doch nicht nur die Männer der ersten Gesellschaft verkehren im Haus Unrat, mitunter auch deren Frauen und Töchter, so daß nach einer Reihe von Maskenfesten »[…] Bevor der Sommer anbrach, zogen drei Frauen der guten Gesellschaft und zwei junge Mädchen sich plötzlich zurück, zu einem, wie man fand, verfrühten Landaufenthalt. […]«. Die Gatten werden Opfer ihrer Spielsucht. »[…] Drei neue geschäftliche Zusammenbrüche erfolgten. Der Zigarrenhändler Meyer am Markt beging Wechselfälschungen und erhängte sich. Über Konsul Breetpoot wird gemunkelt … […]«. Breetpoots Fall, zugleich Treuhänder des jungen Ertzum, wird für Unrat zur doppelten Freude.

Das Rad dreht sich immer schneller. Unrat gelingt es, so gut wie alle seine früheren Widersacher – tatsächliche und eingebildete – zu Fall zu bringen. Doch Letztlich werden sie nur Opfer ihrer eigenen Spießigkeit und Doppelmoral.
Unrat weiß, »[…] daß die sogenannte Sittlichkeit in den meisten Fällen auf das innigste mit Dummheit verknüpft ist. […]«.
In Konsul Breetpoots junge lebenslustige Frau Dora war der Schüler Lohmann eine Zeitlang verliebt. Ihr galt seine Leidenschaft, war die Mehrzahl der Gedichte in seinem Schulheft gewidmet und nicht der Rosa Fröhlich, wie Unrat fälschlicherweise annahm.

Auf dem Höhepunkt von Unrats »Herrschaft« über die Kleinstadt kehrt Lohmann aus dem Ausland zurück, wohin ihn sein Vater nach dessen Schulverweis geschickt hat, um seine Ausbildung als Kaufmann zu vervollständigen. Lohmann ist abgeklärter geworden. Er sieht die Kleinstadt und ihre einstigen Honoratioren als das was sie sind; Provinzler. Die von ihm früher so innig verehrte Dora Breetpoot ist nur eine Kleinstadtschönheit wie Rosa Fröhlich auch nur eine Kleinstadtkokotte ist.

Rosa überredet Lohmann mit in ihr Haus zu kommen. Lohmann folgt der Einladung. Dort begegnet Lohmann Unrat. Unrat, der Rosa bereits im »Blauen Engel« den Umgang mit Lohmann verboten hat, versucht in einem Anfall von panischer Wut und Eifersucht, Rosa zu erwürgen. Lohmann geht dazwischen. Rosa flüchtet in ihr Zimmer. Unrat entdeckt die prall gefüllte Brieftasche Lohmanns auf dem Tisch, die dieser dorthin gelegt hat, um Rosa zu zeigen, daß er ohne Gegenleistung bereit wäre, sie und Unrat aus finanzieller Verlegenheit zu helfen. Unrat nimmt die Brieftasche an sich. Doch anstatt sie ihm zu entreißen, verliert Lohmann seine vermeidliche Weltgewandtheit und Toleranz. »[…] Lohmanns Geist, der durch so unglaubwürdige Erlebnisse noch nie erprobt war, warf alle Eigenart ab und antwortete auf »Verbrechen« ganz bürgerlich mit »Polizei«. Wohl bewahrte er das Bewußtsein, dies sei kein besonders seltener Fall, aber er sagte sich: »Da hört’s auf«, und schritt stramm über das Bedenken hinweg. […]«. Lohmanns Anzeige führt zur Verhaftung von Unrat und Rosa. Letzteres hat Lohmann nicht beabsichtigt. Aber die »[…] Stadt war in Jubel, weil Unrats Verhaftung beschlossen war. Endlich! Der Druck des eigenen Lasters war von ihr genommen, da die Gelegenheit dazu entfernt ward. […]«.

Heinrich Manns vermutlich bekanntester Roman erschien 1905 und ist mehr als nur die vordergründige Geschichte eines verhärmten alternden Kleinstadt-Gymnasiallehrers der in später Liebe zu einer Kleinstadtkokotte entbrennt und aus seiner gewohnt kleinbürgerlichen Bahn gerät. Unrat kennt seine Umgebung und deren Spießigkeit nur zu genau und verachtet sie in ihrer provinziellen Dummheit. Unrat ist Witwer, der eine unglückliche Ehe hinter sich hat. Sein einziger Sohn mußte die Stadt verlassen, nur weil er in nicht genehmer weiblicher Gesellschaft gesehen wurde, und von Unrats bigottem Kollegen Hübbenett diffamiert wurde. Hübbenett findet sich später wie viele andere auch unter Unrat »Opfern« wieder. Jedoch fällt es schwer von wirklichen Opfern Unrats zu sprechen. Sie werden vielmehr Opfer ihrer eigenen Kleingeistigkeit oder wie Unrat gegenüber Rosa Fröhlich formuliert: »[…] daß die sogenannte Sittlichkeit in den meisten Fällen auf das innigste mit Dummheit verknüpft ist. […]«.

Unrats Zeit versucht sich in Moral und fördert durch dieses enge Korsett nur das Laster, denn die ganze aufgezwungene vermeidliche Anständigkeit, die wider der menschlichen Natur ist und nur dazu dient, das Volk gefügig zu halten, wie Unrat seine Schüler mit vergleichbaren Methoden, muß sich irgendwann ein Ventil verschaffen. Wie ein Druckkessel, der immer stärker aufgeheizt wird, über ein Ventil Dampf ablassen muß, weil er sonst platzt.

Unrats Haus wird zu diesem Ventil. Doch da die Kleinbürger das Dampfablassen nicht gewohnt sind, werden sie in ihrem Laster genauso so maßlos wie in ihrer Sittlichkeit. Mehrere ruinieren sich im Spiel. Die nach außen hin ehrbaren Frauen und Töchter werden ungewollt schwanger, da die Sittlichkeit verhindert, daß sie Kenntnisse über Verhütung erhalten.

Unrat erfährt jedoch nicht nur Triumphe; er muß auch die Tiefen der Eifersucht durchleben, wenn Rosa mit einem anderen Mann zusammen ist, wenn auch aus keinem anderen Grund als diesen zu »fassen«. Unrat erkennt das Dilemma seiner Situation. »[…] Es steht unter allen Dingen eines fest: Daß jemand, dem die hellsten Gipfel zu erklimmen gelang – daß ein solcher auch mit den undurchdringlichen Schlünden wohlvertraut ist. […]«.

Heinrich Mann teilt seine Zeit nicht einfach in anständige Frauen und Kokotten ein. Die Frauen der »guten Gesellschaft« sind nicht besser als Rosa, vielleicht sogar schlimmer, denn bei ihnen geschieht es hinter einer verlogenen Fassade aus Anständigkeit, während Rosa es für alle sichtbar tut. Rosa Fröhlich besitzt ein Gegenstück innerhalb der »Guten Gesellschaft«: Dora Breetpoot, die zu Beginn des Romans vom jungen Lohmann heimlich verehrt wird. Und von der die ganze Stadt munkelt, daß ein Kind, das sie erwartet, entweder vom Assessor Knust oder vom Offizier von Gierschke aber auch von ihrem Mann sein könnte. Mit der späteren Erwähnung von Dora Breetpoots reicher Kinderzahl wird zugleich auf ihre zahlreichen Liebhaber verwiesen.

Heinrich Mann betont, daß die sogenannten ehrbaren Frauen sich in keiner Weise von den Kokotten unterscheiden und auch nicht anders als ihre Männer sind, die ebenfalls ihre Liebschaften haben, sei es mit Prostituierten oder mit einer Geliebten, die sie aushalten. Aber bei verheirateten Frauen wurde ein Auge zugedrückt und solange der Gatte es nicht merken wollte, nur hinter vorgehaltener Hand getuschelt, wenn überhaupt.

Der junge Lohmann, den Unrat als seinen persönlichen Gegner betrachtet, obwohl Lohmann mit Unrat sogar ehrliches Mitleid empfindet, ist mehr Beobachter und Kommentator als Beteiligter, den seine heimliche Liebe zu Dora Breetpoot intensiv beschäftigt und der dabei mehrmals in jugendlicher Romantik an Selbstmord denkt. Womit Heinrich Mann auch die seelischen Nöte beschreibt, in die junge Menschen seiner Zeit zwangsläufig gerieten, weil sie ihre aufkeimende Sexualität rigoros unterdrücken mußten. Lohmanns Sympathien bleiben bei Unrat, obwohl dieser ihn bekämpft. Lohmann erkennt früh, daß Unrat in seinem tiefen Inneren ein Anarchist ist und sieht dessen Entwicklung voraus.

Doch so weltgewandt Lohmann sich selbst auch einschätzt, am Ende reagiert er ebenso kleinbürgerlich wie alle mit seiner Anzeige anstatt Unrat einfach die Brieftasche wieder abzunehmen. Jedoch bezahlt auch Lohmann einen Preis; Rosa wird ebenfalls verhaftet.

Unrat, der anfangs nüchtern berechnend seinen Mitbürgern die Maske der Ehrbarkeit vom Gesicht gerissen und finanziell davon profitiert hat, wird am Ende Opfer seiner Vernichtungsgier, denn er verliert Maß und Ziel. Selbstverständlich ist mit seinem Ende nicht gesagt, daß nicht irgendwann jemand anderer kommt und den Kleinbürgern wieder Gelegenheit zum Laster geben kann.

Unrats Verhaftung kann auch als Strafe gesehen werden, daß er sich an dem einzigen Menschen vergreift, der nie etwas gegen ihn hatte. Aber ebenso zeigt sie, daß auch Lohmanns Weltgewandtheit auch nur Fassade ist wie die Sittsamkeit der anderen. Auch darunter zeigt sich der Spießer, der Kleinbürger, wenn an seinen Grundsätzen gerüttelt wird.

Literatur:

Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen
Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen
von Heinrich Mann

Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen
Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen
von Heinrich Mann

»Der Prozess« von Franz Kafka

Der Prozess

Der Prozess

»Der Prozess« von Franz Kafka ist ein 1922 entstandenenes Romanfragment von Franz Kafka. Das letzte, von Januar bis September 1922 entstandene Romanfragment von Franz Kafka greift das in »Der Prozess« entworfene Thema der unendlichen, letztlich scheiternden Suche des Individuums nach Erkenntnis auf. Der Roman ist eine schillernde Parabel für das Ausgeliefertsein an anonyme Mächte.

Kafkas Roman »Der Prozess« ist eines der bedeutendsten Werke des 20. Jahrhunderts, eine zeitlose Parabel über die Labyrinthe moderner Bürokratie und die Abgründe der eigenen Existenz. In Form einer Parabel auf die Existenzsituation des Menschen der Moderne schildert Kafka, wie eine anonyme Macht – das Gericht – die Sehnsucht des Menschen nach Wahrheit und Sinn manipuliert, den Suchenden bannt, unterdrückt und vernichtet.

Der Bankprokurist Josef K., der Protagonist des Romans, wird am Morgen seines 30. Geburtstages verhaftet, ohne sich einer Schuld bewusst zu sein. Trotz seiner Festnahme darf sich K. noch frei bewegen und weiter seiner Arbeit nachgehen. Vergeblich versucht er herauszufinden, weshalb er angeklagt wurde und wie er sich rechtfertigen könnte. Dabei stößt er auf ein für ihn nicht greifbares Gericht, dessen Kanzleien sich auf den Dachböden großer ärmlicher Mietskasernen befinden. Die Frauen, die mit der Gerichtswelt in Verbindung stehen und die K. als „Helferinnen“ zu werben versucht, üben eine erotische Anziehungskraft auf ihn aus.

Josef K. versucht verzweifelt, Zugang zum Gericht zu finden, doch auch dies gelingt ihm nicht. Er beschäftigt sich immer öfter mit seinem Prozess, obwohl er anfangs das Gegenteil beabsichtigte. Er gerät dabei immer weiter in ein albtraumhaftes Labyrinth einer surrealen Bürokratie. Immer tiefer dringt er in die Welt des Gerichts ein. Gleichzeitig dringt jedoch auch das Gericht immer mehr in Josef K.s Leben ein. Ob tatsächlich ein irgendwie gearteter Prozess heimlich voranschreitet, bleibt sowohl dem Leser als auch Josef K. verborgen.

Die Leser erfahren nicht, weshalb der Prozeß angestrengt wurde. Kein Grund wird genannt – weder erfährt ihn K. noch wir. Die Instanz, die hinter dem Prozeß steckt, bleibt bis zum Ende verborgen – nicht anders als in jener Parabel vom Torhüter jenes Verborgene, dahin der Mann vor dem Gesetz strebte. Doch im Verlauf des Romans zeigt sich diese Instanz zugleich in unterschiedlichen Gestalten und Ausprägungen: jeder, dem K. begegnet, kann dazugehören, es ist ein Gericht, das allgegenwärtig ist. Die verschiedensten Personen stehen irgendwie mit ihm in Verbindung oder wissen um K.s Prozeß – mehr als Josef K. selbst.

Literatur:

Der Prozess
Der Prozess
von Franz Kafka

Rezension:

Das Weben am Mythos ist Gesellschaft – Kafkas „Proceß“ (3) - bersarin.wordpress.com/



»Die Stadt hinter dem Strom« von Hermann Kasack


»Die Stadt hinter dem Strom« ist ein 1947 veröffentlichter Roman von Hermann Kasack. Er schrieb mit dem Roman eines der wichtigsten Werke der so genannten inneren Emigration. Der Roman entstand in zwei Abschnitten 1942–44 sowie 1946 und erschien zunächst als gekürzter Vorabdruck im Berliner Tagesspiegel. Schreibanlass waren nach eigenen Angaben des Autors zwei visionäre Träume aus den Jahren 1941 und 1942.

Held des Romans ist der Alt-Orientalist Dr. Robert Lindhoff, der mit dem Zug in eine namenlose Stadt hinter dem Strom reist – eine Anspielung auf den klassischen Weg in das Schattenreich –, die mit ihren zerstörten Häusern und ärmlichen Bewohnern an das Nachkriegsdeutschland erinnert. Robert begegnet dort Menschen aus seiner Vergangenheit, die er für tot gehalten hatte.

Von der allmächtigen Präfektur erhält er den Auftrag, die freie Stelle als Archivar und Chronist anzutreten und so gewissermaßen das »Gedächtnis der Stadt« zu sein. Die Anzeichen häufen sich, dass es sich nicht um eine normale Stadt, sondern um ein Jenseitsreich handelt, aus dem nach Auskunft von Roberts Führer, dem Maler Katell, noch niemand entfliehen konnte. Die Menschen führen dort sinnlose, mechanische Tätigkeiten aus und stehen offenbar unter der Autorität einer geheimnisvollen Macht.

Der Schauplatz des Romans ist das Ruinenfeld einer Stadt, deren Bewohner von der harten Fronarbeit in Katakomben ausgemergelte Wesen sind. Die vom Leerlauf der Mechanik ausgehöhlten Geschöpfe gleichen gespenstigen Larven und sind Handlanger einer aufgeschwemmten Bürokratie unter der Herrschaft einer autoritären Kaste, die nur selten aus dem geheimnisdunklen Hintergrund hervortritt.

In dem Roman „Die Stadt hinter dem Strom“ findet sich der Satz: „Ich habe mehr als eine Zeit und mehr als eine Generation durchmessen und bin nicht müde geworden, dem Geist zu dienen.“

Die Stadt hinter dem Strom ist ein allegorischer Roman, der durch das Hauptmotiv der Jenseitswanderung eines Lebenden, die Figurenkonstellation, Begriffe wie »Hölle« und »Purgatorium« und nicht zuletzt durch explizite Vergleiche auf die Göttliche Komödie (1321) von R Dante Alighieri als Referenztext verweist. Dieser Bezug ermöglicht es Kasack, die Grenzerfahrung des Kriegs und der Zerstörung Deutschlands auf einer figurativen Ebene als Zustand der Hölle und des Fegefeuers darzustellen, auf den nach dem Gesetz der Wandlung vielleicht das Paradies folgen kann. In den Berichten der Stadtbewohner, die von ihren Erlebnissen in einem »Inferno der Brutalität« sprechen, verarbeitet Kasack als einer der ersten deutschen Autoren die Erfahrung der Konzentrationslager.


Literatur:

 Die Stadt hinter dem Strom von Hermann Kasack

 Die Stadt hinter dem Strom von Hermann Kasack

Weblink:

Hermann Kasack - ZEIT ONLINE 1966 - www.zeit.de


Blog-Artikel:

- Literatenwelt-Blog - http://literatenwelt.blog.de

»Auslöschung: Ein Zerfall« von Thomas Bernhard

Auslöschung: Ein Zerfall
Auslöschung: Ein Zerfall

Vor 30 Jahren erschien letzter Roman »Auslöschung: Ein Zerfall« von Thomas Bernhard. Der Roman ist eine kritische Erzählung vom katholischen Nazistaat Österreich. Mit dem Roman »Auslöschung« findet das prosaische Werk Bernhards ein grandioses Ende. Bernhard rechnet ein letztes Mal mit Österreich ab, mit dem Deutschtum, mit dem Katholizismus und nicht zuletzt und vor allem mit dem Nationalsozialismus. Der Handlungsort von »Auslöschung« ist Wolfsegg in Oberösterreich.

Franz Josef Murau, der Erzähler in Bernhards Roman, ist vor seiner Familie aus dem oberösterreichischen Wolfsegg nach Rom geflohen. Dort lebt er als Privatlehrer für Deutsch und Philosophie. Nun ruft ihn ein Telegramm mit der Nachricht, seine Eltern und sein Bruder seien bei einem Autounfall umgekommen, in den gehassten Familienort zurück:

"Zwei Tage nach der Rückkehr von der Hochzeit meiner Schwester Caecilia mit dem Weinflaschenstöpselfabrikanten aus Freiburg, ihrem Mann, meinem jetzigen Schwager, muss ich in das mir in den letzten Jahren tatsächlich alles in allem widerwärtig gewordene Wolfsegg zurück, dachte ich, und der Anlass ist jetzt kein lächerlicher und grotesker, sondern der furchtbare."

Franz-Josef Murau ein "Privatgelehrter“ und Bonvivant kehrt nach langer Zeit der Trennung wieder in das Haus seiner Kindheit zurück, um das Begräbnis seiner Eltern zu organisieren, die kurz vor Einsetzen der Handlung bei einem Autounfall ums Leben kamen.

Hier trifft er auf alles, was ihn einst aus Österreich drängte: Kleingeistigkeit, Spießigkeit und nicht zuletzt seine verhasste Familie.
In typisch Bernhard-scher Manier ergeht er sich Seite um Seite in einem ellenlangen Monolog und begießt Heimatland und Mitmenschen mit ätzendem Spott;


Thomas Bernhards Roman »Auslöschung: Ein Zerfall« umfasst 650 Seiten. Er ist eine monomane Suada, in deren erstem Teil sich Murau in Rom an die Schrecken seiner Kindheit und eines Ortes erinnert, der von Katholizismus und Nazismus geprägt war, während er im zweiten Teil die Beerdigung und Testamentsabwicklung in Wolfsegg beschreibt. Viel Handlung gibt es nicht, dafür Kritik an und Beschimpfung von Haltungen.

Die Lektüre selbst gleicht einem Rausch: Man beginnt distanziert, in Rom, mit dem Telegramm in den Händen. Seitenlang hält man es dort fest, hält es auf Distanz und verfolgt mit dem geistigen Auge einen gruseligen Film aus der eigenen Vergangenheit. Dann ist man in Wolfsegg, spukt um das Anwesen herum, flüchtet in den Garten, ins Schulhaus usw und durchlebt dabei ein Wechselbad der Gefühle, wie man es nur aus einem bemerkenswerten Traum gewohnt ist. Ohnehin hat das ganze etwas Traumhaftes, wie im Rausch eben.

Das letzte Kapitel, das der realen Topographie von Wolfsegg nachgeht und die enge Verbindung zwischen literarischer Fiktion und der Biographie oder Lebenswirklichkeit Thomas Bernhards aufzeigt.

»Jeder Mensch hat seinen Weg, und jeder Weg ist richtig.«

<>
Thomas Bernhard<>

»Auslöschung« ist - wie auch später »Heldenplatz« - ein »Anti-Österreich-Stück«, eine Abrechnung mit der braunen Vergangenheit Österreichs, welche Bernhard in seiner Jugendzeit in Salzburg selbst kennengelernt hatte und der er in seiner Jugendzeit ausgesetzt war.

Sein Stil, geprägt durch endlose Wiederholungen, durch Übertreibungen und ein Schreiben ohne jede optische Unterbrechung, im gesamten Buch gibt es lediglich einen Absatz zwischen dem ersten und dem zweiten Teil, erzeugt einen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte und wollte. Es ist vorstellbar, dass nur ein Mensch eine solche Verachtung, einen solchen Radikalismus entwickeln kann, der selbst in Jugend und Kindheit gelitten hat.
Im Gegensatz zu Bernhards anderen Werken wirkt diese Litanei aber niemals polemisch oder langweilig, sondern tatsächlich begründet: Bernhards Stil strotzt vor Kraft, und seine humoristische "Übertreibungskunst“, die schon in anderen Werken deutlich wurde, erreicht einen absoluten Höhepunkt.

Sein letzter Roman »Auslöschung« zeigt ihn aber noch einmal in aller Spannkraft und als ein Genie der deutschsprachigen Prosa – »Korrektur« ist fesselnd, »Holzfällen« ist brillant – aber »Auslöschung« ist überragend.

Weblinks:

Auslöschung. Ein Zerfall - thomasbernhard.at

Hellwache Kritik an Österreich - www.deutschlandfunk.de


Literatur:

Auslöschung: Ein Zerfall
Auslöschung: Ein Zerfall
von Thomas Bernhard


Dylan Thomas und seine klangvolle Poesie

Dylan Thomas

Der aus Wales Dichter Dylan Thomas gilt als der geniale "walisische Rimbaud". Die ungestüme Begabung von Dylan Thomas kommt in der klangvollen Poesie seiner Gedichte zum Ausdruck.

So gewaltig wie die Landschaft, so wortgewaltig ist die Kunst des Dylan Thomas. Die walisische Landschaft ist der Spiegel seiner kunstvollen Lyrik und seiner Gedichte. Er hat seine Landschaft in Poesie verwandelt.

Die Mythologie der Landschaft, deren Märchen und Mythen sind der Stoff seiner Gedichte, welche sich um die großen Themen der Menschheit und des Lebens drehen.


Weltschmerz und Weltmüdigkeit, Wortverliebtheit und Wortstrenge, Sprachwitz und Sprachzauber - während seines kurzen Lebens hat er alle Register des Ausdrucks gezogen, um die Mythologie der walisischen Landschaft, deren Märchen und Mythen er sich als Hintergrund und Kontext anverwandelte, in dichterische Sprache zu verwandeln.

Und einzigartig sind die Gedichte des Mannes, der sich selbst so charakerisiert hat: "Der Erste. Ich bin ein Waliser; / Der Zweite. Ich bin ein Trinker; / Der Dritte. Ich bin ein Menschenfreund, / vor allem liebe ich die Frauen."

Der Band »Windabgeworfenes Licht« - angelehnt an ein Zitat aus seinem berühmten Gedicht »Fern Hill« - bietet die umfassendste Sammlung von Dylan Thomas' Gedichten, die bislang auf Deutsch erschienen ist.

Weblink:

Dylan Thomas.com - Official website - www.dylanthomas.com
Literatur:

Windabgeworfenes Licht: Gedichte
Windabgeworfenes Licht: Gedichte
von Dylan Thomas

»Der Untertan« von Heinrich Mann (E)


»Der Untertan« ist ein 192 erschienener Roman von Heinrich Mann. Es handelt sich um einen satirischen Roman, der bereits bei seiner Veröffentlichung die Kritiker gespalten hat. Das epochale Werk ist ein Dokument aus dem untergehenden Kaiserreich vor dem Ersten Weltkrieg. Dieser Roman gibt einen tiefen Einblick in die "gutbürgerliche" Seele der Kaiserzeit.

Heinrich Mann nimmt in seinem Roman politisch Stellung, und stellt die Figur des Untertans als aufstrebenden, dümmlichen, aber erfolgreichen Kapitalisten dar.


Ein Meisterwerk seines Jahrzehnts. Meiner Ansicht nach ein absolutes -Must read- unserer heutigen Zeit. Natürlich ist dies mitunter schwere Literatur aber wie Heinrich Mann hier die Welt des Diederich Hesseling erzählt und ausbaut ist eine literarische Pracht und mit jeder Seite taucht man mehr ein in das Universum eines Mannes der halt im Leben sucht.


Literatur:

Der Untertan
Der Untertan
von Heinrich Mann

»Frankenstein oder Der moderne Prometheus« von Mary Shelley

Frankenstein

»Frankenstein oder Der moderne Prometheus« ist ein Roman von Mary Shelley, der im Jahr 1818 erstmals anonym veröffentlicht wurde und als ihr wichtigstes Werk gilt. Er erzählt die Geschichte des jungen Schweizers Viktor Frankenstein, der an der damals berühmten Universität Ingolstadt einen künstlichen Menschen erschafft.

Mary Godwin schrieb den Roman in der Villa Diodati in der Nähe des Genfer See. Bei Lord Byron und dessen Leibarzt John Polidori verbrachte sie mit ihrer Stiefschwester Claire Clairmont und ihrem zukünftigen Ehemann Percy Bysshe Shelley den Sommer 1816. Dieses Jahr ging aufgrund des Ausbruchs des Vulkans Tambora im Jahr zuvor als das Jahr ohne Sommer in die Geschichte ein. Aufgrund des extrem schlechten Wetters konnten die Anwesenden das Haus oft nicht verlassen. So beschlossen sie, jeweils eine Schauergeschichte zu schreiben und den anderen vorzutragen.

Victor Frankenstein stammt aus Genf, und hat ein Studium der Naturwissenschaften in Ingolstadt absolviert. Während seines Studiums befasste er sich zunehmend mit der menschlichen Materie und schafft sich selbst einen Menschen, den er eigenhändig zum Leben erweckt. Als dieses Wesen erwacht, ist Frankenstein jedoch so erschrocken von dessen Gestalt, dass er schlagartig die Flucht ergreift.

Frankenstein ist ein erschaffenes Monster, welches im Roman stets als Unhold oder dämonische Kreatur bezeichnet wird, nicht nur Frankensteins Familie zu ermorden, sondern auch später dessen besten Freund. Der Unhold und sein Schöpfer treffen aufeinander, und Victor erfährt, dass die Kreatur ursprünglich einen guten Willen hatte und nur bösartig geworden ist, weil die Gesellschaft ihn zu einem bösen Wesen gemacht hat. Von den Menschen die er (über lange Zeit) gesehen und beobachtet hatte, wurde er genau so zurückgestoßen, wie einst von Frankenstein selbst'aus diesem Grund hat er seinem Schöpfer Rache geschworen.


Viktor Frankenstein erzählt dem Leiter einer Forschungsexpedition, zugleich Eigner des Schiffes, das ihn in der Arktis rettet, seine Geschichte. Der Roman wird so zu einem Lehrstück, gibt Frankenstein doch deutlich zu verstehen, dass seine Erzählung auch eine Warnung an den Zuhörer und damit auch die Leser sein soll: Er warnt vor einer entgrenzten menschlichen Vernunft, die sich selbst zu Gott macht und sich anmaßt, lebendige Materie zu schaffen. Die Figur des Viktor Frankenstein ähnelt damit sowohl dem 'literarischen' Faust als auch dem Prometheus aus der griechischen Mythologie.

Frankenstein

Die Handlung wird durch eine Mischung aus Briefroman und klassischer Ich-Erzählsituation vermittelt. Stilistisch gewinnt der Roman gerade durch den berichthaften Erzählstil an Authentizität, sodass man selbst glaubt, dass man eine Mitschrift einer Erzählung liest. Gerade die Verschachtelung der verschiedenen Erzählebenen, machen den Roman lesenswert.

2015 wählten 82 internationale Literaturkritiker und -wissenschaftler den Roman zu einem der bedeutendsten britischen Romane.

Literatur:

»Frankenstein oder Der moderne Prometheus«
Frankenstein oder Der moderne Prometheus
von Mary Shelley

»Straumeni« von Edvarts Virza



Edvarts Virza (1883–1940) schuf mit dem Prosapoem »Straumēni« eine Hymne auf das bäuerliche lettische Leben auf dem Land. Der Schriftsteller beschreibt ein Jahr auf dem zemgalischen Gehöft Straumēni Mitte des 19. Jahrhunderts, verknüpft Kindheitserinnerungen mit Erzählungen seiner Großeltern und folgt dem Takt der Natur.

Nicht ein einzelner Bewohner, sondern der Hof selbst wird zur Hauptfigur des berückenden Buches. Jedes Mitglied der Hausgemeinschaft hat seine zugewiesene Aufgabe zu verrichten, und die Erfüllung birgt eine eigene Schönheit und verleiht Lebenssinn. Die Natur bestimmt das Leben und die Menschen leben im Einklang mit der Natur. Im Einklang mit den Jahreszeiten wird im Frühjahr gepflügt und gesät, im Sommer bewirtschaftet und herangereift, im Herbst geerntet und geschlachtet, schließlich im Winter eingelagert und sich häuslich eingerichtet – und immer auch Feste wie Mittsommer, Erntedank oder Weihnachten gefeiert. Unausgesprochen ist im harmonischen Idealjahr jedoch auch eine Trauernote enthalten, ein Schmerz darüber, dass dieses Ideal unwiederbringlich verloren ist, ja eigentlich niemals bestanden hat.

Die Sprache, in der Virza das voranschreitende Jahr beschreibt, enthält alles, was auf dem Hof vor sich geht. Da summt und raschelt es, knistert, duftet und klingt es in den Wörtern – ein Sprachstrom, der unaufhaltsam voranstrebt wie der Fluss Lielupe, der sich durch die Wiesen um Straumēni schlängelt. Berthold Forssman stimmt in seiner Übersetzung ein in die Melodie der zemgalischen Landschaft und des ländlichen Lebens. Er schöpft aus dem Reichtum der deutschen Sprache, aus Begriffen und Beschreibungen, die schon vergessen scheinen und eine ganze Welt in die Sinne und vor Augen rufen.


Literatur:

Straumeni von Edvarts Virza

Mittwoch, 11. November 2020

»Der Mann ohne Eigenschaften« von Robert Musil


Der Mann ohne Eigenschaften

»Der Mann ohne Eigenschaften« von Robert Musil ist ein über einen längeren Zeitraum entstandener Roman. An seinem zur Weltliteratur zählenden Hauptwerk, das von autobiographischen Aspekten mitbestimmt ist, hat Musil seit den 1920er Jahren bis zu seinem Tode fortlaufend gearbeitet, ohne es jedoch abschließen zu können. Obwohl unvollendet, gilt »Der Mann ohne Eigenschaften« als das Magnum Opus des österreichischen Schriftstellers Robert Musil, das zum ersten Mal in den Jahren von 1930 bis 1932 erschien.

Sein Fragment gebliebener fast 1.000 seitiger Roman »Der Mann ohne Eigenschaften« zählt zu den Hauptwerken der modernen Weltliteratur. Der Roman ist eine Charakterstudie, die aus Reflexionen über das Leben besteht. Musils episch breit angelegter Roman ist ein Werk der Innerlichkeit und der Reflektion, welches die Gedanken der Handlung vorzieht.

Ulrich heißt Musils »Mann ohne Eigenschaften«, er ist Mathematiker, Philosoph und stellt sich permanent selbst in Frage. Ulrich steht für Robert Musils literarisches Vorhaben, die Wirklichkeit als das ziellose Ergebnis einer Überfülle von Möglichkeiten zu schildern.

Musils Protagonist Ulrich ist gar kein Mann ohne Eigenschaften. Der Romantitel führt da ein wenig in die Irre. Tatsächlich ist es eine "Welt von Eigenschaften ohne Mann", die im Buch nichts Charakteristisches mehr zu bieten hat.


Der Held dieses Romans begegnet einem wahren Panoptikum aus Mit- und Gegenspielern: Akteuren der Wiener Diplomatie und des Großkapitals, Schwärmern, Revolutionären, einem Sexualmörder, einer esoterischen Salonkönigin. Der Leser blickt hier in das 'unbestechliche Bild eines Zerrspiegels' gebannt und fasziniert.

Wie in Samuel Becketts »Murphy« darf auch hier die Sonne zunächst "auf nichts Neues" und Besonderes mehr scheinen. Diese Erkenntnis bringt Ulrich letztlich dazu, "Urlaub vom Leben" zu nehmen und sich in Reflexionen über eben dieses Leben zu ergehen. Die selbstgewählte "Eigenschaftslosigkeit" der Figur erweist sich so als ihre herausragendste Eigenschaft.


Die k. u. k. Monarchie wird gelegentlich als „Kakanien“ bezeichnet, das Leben in ihr als „kakanisch“. Damit verbindet man unter anderem die Baukunst in den Städten, die bunten militärischen Uniformen, die Vielsprachigkeit des Staates, das Gesellschaftsleben der damaligen Zeit und die Kaffeehaustradition. Dieser Ausdruck wurde – nach dem Untergang der Monarchie – von Robert Musil in seinem Roman »Der Mann ohne Eigenschaften« geprägt.

In Musils Roman »Mann ohne Eigenschaften« passiert nur wenig, aber es wird unendlich viel gedacht im Buch, und am Ende wird sogar noch intensiv gefühlt: In der Geschwisterliebe Ulrichs zu Agathe realisiert sich die Utopie eines "anderen Zustands" jenseits der absurden Welt. Der Leser erfährt so doch erstaunlich viel von dem angeblichen Mann ohne Eigenschaften.

Literatur [ >> ]:

Der Mann ohne Eigenschaften
Der Mann ohne Eigenschaften
von Robert Musil

Der Mann ohne Eigenschaften I: Erstes und Zweites Buch
Der Mann ohne Eigenschaften I: Erstes und Zweites Buch
von Robert Musil
3499267802

Blog-Artikel:

Robert Musil 75. Todestag - Literatenwelt-Blog - literatenwelt.blogspot.de

1913 wurden einige seiner Gedichte in Alfred Kerrs Zeitschrift "Pan" veröffentlicht und Klabund wurde aufgrund der erotischen und pazifistischen Inhalte gerichtlich verfolgt. Klabund veröffentlichte in der »Jugend« und im »Simplicissimus«. Von 1914 an war er Mitarbeiter der Zeitschrift »Die Schaubühne«, die später in »Die Weltbühne« umbenannt wurde.

Den Ersten Weltkrieg begrüßte er anfangs begeistert, wie nicht wenige andere Schriftsteller auch, und verfasste eine Reihe patriotischer Soldatenlieder.

Klabund lebte als freier Schriftsteller in Berlin und München Klabunds Werk umfasst Lyrik, Romane und Dramen und ist dem Impressionismus und Expressionismus zuzuordnen. Er arbeitete journalistisch für zahlreiche Zeitschriften, schuf neun Schauspiele und gab zahlreiche Text- und Gedichtsammlungen heraus.

Henschke starb bereits im Alter von 37 Jahren am 14. August 1928 in Davos an Tuberkolose.