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Samstag, 14. November 2020

»Auslöschung: Ein Zerfall« von Thomas Bernhard

Auslöschung: Ein Zerfall
Auslöschung: Ein Zerfall

Vor 30 Jahren erschien letzter Roman »Auslöschung: Ein Zerfall« von Thomas Bernhard. Der Roman ist eine kritische Erzählung vom katholischen Nazistaat Österreich. Mit dem Roman »Auslöschung« findet das prosaische Werk Bernhards ein grandioses Ende. Bernhard rechnet ein letztes Mal mit Österreich ab, mit dem Deutschtum, mit dem Katholizismus und nicht zuletzt und vor allem mit dem Nationalsozialismus. Der Handlungsort von »Auslöschung« ist Wolfsegg in Oberösterreich.

Franz Josef Murau, der Erzähler in Bernhards Roman, ist vor seiner Familie aus dem oberösterreichischen Wolfsegg nach Rom geflohen. Dort lebt er als Privatlehrer für Deutsch und Philosophie. Nun ruft ihn ein Telegramm mit der Nachricht, seine Eltern und sein Bruder seien bei einem Autounfall umgekommen, in den gehassten Familienort zurück:

"Zwei Tage nach der Rückkehr von der Hochzeit meiner Schwester Caecilia mit dem Weinflaschenstöpselfabrikanten aus Freiburg, ihrem Mann, meinem jetzigen Schwager, muss ich in das mir in den letzten Jahren tatsächlich alles in allem widerwärtig gewordene Wolfsegg zurück, dachte ich, und der Anlass ist jetzt kein lächerlicher und grotesker, sondern der furchtbare."

Franz-Josef Murau ein "Privatgelehrter“ und Bonvivant kehrt nach langer Zeit der Trennung wieder in das Haus seiner Kindheit zurück, um das Begräbnis seiner Eltern zu organisieren, die kurz vor Einsetzen der Handlung bei einem Autounfall ums Leben kamen.

Hier trifft er auf alles, was ihn einst aus Österreich drängte: Kleingeistigkeit, Spießigkeit und nicht zuletzt seine verhasste Familie.
In typisch Bernhard-scher Manier ergeht er sich Seite um Seite in einem ellenlangen Monolog und begießt Heimatland und Mitmenschen mit ätzendem Spott;


Thomas Bernhards Roman »Auslöschung: Ein Zerfall« umfasst 650 Seiten. Er ist eine monomane Suada, in deren erstem Teil sich Murau in Rom an die Schrecken seiner Kindheit und eines Ortes erinnert, der von Katholizismus und Nazismus geprägt war, während er im zweiten Teil die Beerdigung und Testamentsabwicklung in Wolfsegg beschreibt. Viel Handlung gibt es nicht, dafür Kritik an und Beschimpfung von Haltungen.

Die Lektüre selbst gleicht einem Rausch: Man beginnt distanziert, in Rom, mit dem Telegramm in den Händen. Seitenlang hält man es dort fest, hält es auf Distanz und verfolgt mit dem geistigen Auge einen gruseligen Film aus der eigenen Vergangenheit. Dann ist man in Wolfsegg, spukt um das Anwesen herum, flüchtet in den Garten, ins Schulhaus usw und durchlebt dabei ein Wechselbad der Gefühle, wie man es nur aus einem bemerkenswerten Traum gewohnt ist. Ohnehin hat das ganze etwas Traumhaftes, wie im Rausch eben.

Das letzte Kapitel, das der realen Topographie von Wolfsegg nachgeht und die enge Verbindung zwischen literarischer Fiktion und der Biographie oder Lebenswirklichkeit Thomas Bernhards aufzeigt.

»Jeder Mensch hat seinen Weg, und jeder Weg ist richtig.«

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Thomas Bernhard<>

»Auslöschung« ist - wie auch später »Heldenplatz« - ein »Anti-Österreich-Stück«, eine Abrechnung mit der braunen Vergangenheit Österreichs, welche Bernhard in seiner Jugendzeit in Salzburg selbst kennengelernt hatte und der er in seiner Jugendzeit ausgesetzt war.

Sein Stil, geprägt durch endlose Wiederholungen, durch Übertreibungen und ein Schreiben ohne jede optische Unterbrechung, im gesamten Buch gibt es lediglich einen Absatz zwischen dem ersten und dem zweiten Teil, erzeugt einen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte und wollte. Es ist vorstellbar, dass nur ein Mensch eine solche Verachtung, einen solchen Radikalismus entwickeln kann, der selbst in Jugend und Kindheit gelitten hat.
Im Gegensatz zu Bernhards anderen Werken wirkt diese Litanei aber niemals polemisch oder langweilig, sondern tatsächlich begründet: Bernhards Stil strotzt vor Kraft, und seine humoristische "Übertreibungskunst“, die schon in anderen Werken deutlich wurde, erreicht einen absoluten Höhepunkt.

Sein letzter Roman »Auslöschung« zeigt ihn aber noch einmal in aller Spannkraft und als ein Genie der deutschsprachigen Prosa – »Korrektur« ist fesselnd, »Holzfällen« ist brillant – aber »Auslöschung« ist überragend.

Weblinks:

Auslöschung. Ein Zerfall - thomasbernhard.at

Hellwache Kritik an Österreich - www.deutschlandfunk.de


Literatur:

Auslöschung: Ein Zerfall
Auslöschung: Ein Zerfall
von Thomas Bernhard


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