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Donnerstag, 30. April 2020

Västerbotten - ein literarisches Wunder mit 50 lebenden Schriftstellern



Per Olov Enqvist gehört einer Generation genialer schwedischer Schriftsteller an, zu der auch Torgny Lindgren, Sara Lidman und Kerstin Ekman angehören, welche alle in den 1930er Jahren in Nordschweden zur Welt gekommen sind und bis auf Ekman  alle aus der nordschwedischen Provinz Västerbotten stammen - einer historischen Landschaft im Norden Schwedens, die - wie schon der Name andeutet - an der Westküste des Bottnischen Meerbusens liegt. Västerbotten ist auch eine Landschaft, welche eine Unzahl von Literaten hervorgebracht hat.

Der auch in Deutschland bekannte Autor Per Olov Enqvist nennt Västerbotten ein „literarisches Wunder mit 50 lebenden etablierten Schriftstellern, die in den kargen Siedlungen nördlich und westlich von Skellefteå leben“. Trotz in Mitteleuropa unbekannter Einsamkeit bringt die Region seit 60 Jahren hervorragende gesellschaftskritische Literatur hervor, die die die meisten in Deutschland viel bekannteren Kriminalromane der vergangenen zwanzig Jahre von Mankell bis Marklund in den Schatten stellt.


Den LieratenInnen gemeinsam ist eine imponierende Gesellschaftsanalyse. Die Ursachen für die Absichten ihrer handelnden Charaktere werden stärker herausgearbeitet als von jedem anderen schwedischen Krimiautor. Die Autoren Västerbottens sehen die Motive in ungewöhnlich starken Bindungen an Religion und Gesellschaft sowie das schwer zu ertragende Klima und eine Landschaft, die nicht viel hergibt und Menschen verarmen lässt. Vielleicht können nur stark religiös geprägte Menschen diese Bedingungen ertragen.

Das Leben und Treiben seines Heimatdorfes in Västerbotten hat Enqvist in seiner Autobiographie »Ein anderes Leben« zusammengefaßt: „Man sang die Kirchenlieder mit klagender, fast verzweifelter Langsamkeit, das Erdenleben war eine Qual, die Sünde wie ein Steinsack. Das Tempo war unerträglich schleppend, wie um an Jesu Leiden am Kreuz zu erinnern, aber gleichzeitig waren Jesu Wunden der freudige Schlusspunkt.“

Als Erwachsener führt er diese Haltung auf deutsche Herrenhuter zurück, die schwedische Gefangene nach dem Krieg Karls XII. Gustav in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Sibirien trafen. Deren Gedankengut nahmen sie auf dem Heimweg um den Bottnischen Meerbusen mit nach Västerbotten. „Ausnahmsweise schienen die großen europäischen Einflüsse einmal von Norden zu kommen, in einem großen Bogen, praktisch vom Nordpol.“


Weblinks:

Västerbotten - Wikipedia


Literatur:

Ein anderes Leben von Per Olov Enquist

Gustav Freytag 125. Todestag

Gustav Freytag

Gustav Freytag starb vor 125 Jahren am 30. April 1895 in Wiesbaden. Gustav Freytag war ein bedeutender deutscher Schriftsteller seiner Zeit und ein Chronist des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Als Schriftsteller wandte er sich in verschiedenen Phasen seines Lebens ganz unterschiedlichen Genres zu. Er schrieb zunächst Komödien und wurde am Ende seines Lebens zum Chronisten seiner Zeit.

Von 1817 bis 1828 wohnte Freytag mit seinen Eltern in Pitschen in Schlesien. Ostern 1829 zog er zu seinem Onkel nach Oels, um dort das Gymnasium zu besuchen, wo er am 30. Mai 1835 seine Abiturprüfung bestand. Danach studierte er bis Oktober 1836 in Breslau Philologie, anschließend in Berlin. Am 30. Juni 1838 erfolgte die Promotion, am 1. Mai 1839 die Habilitation in Breslau. Von 1839 bis 1844 war Freytag Dozent in Breslau.

Nach einem kurzen Wohnortwechsel nach Leipzig 1846 zog er 1847 nach Dresden und 1848 wieder nach Leipzig. Im Herbst 1847 heiratete er Emilie Scholz, geschiedene Gräfin Dyhrn, die er 1842 während eines Helgoland-Urlaubs kennengelernt hatte, als sie noch verheiratet war. 1851 zog er nach Siebleben in die „gute Schmiede“.

Gustav Freytag schrieb zunächst Theaterstücke für die Bühne.1844 erschien Freytags erstes Stück »Die Brautfahrt oder Kunz von der Rosen«, ein Lustspiel über Kaiser Maximilian, für das er den Preis der Berliner Hofbühne gewann. 1847 erschienen die Schauspiele »Die Valentine« und »Graf Waldemar«; im Gegensatz zu ihnen war Freytags 1854 erschienenes Lustspiel »Die Journalisten« außerordentlich erfolgreich und gehörte bis weit in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den meistaufgeführten Stücken und kanonischen Werken der deutschen Literatur.

Ab den 1850er Jahren versuchte er sich dann als Chronist. Zwischen 1859 und 1867 entstand sein kulturgeschichtliches Hauptwerk »Bilder aus der deutschen Vergangenheit« in vier Bänden. Freytag schildert darin die deutsche Geschichte am Beispiel ausgewählter Quellentexte. Das Werk, das im Salomon Hirzel Verlag in Leipzig erschien, erfuhr bis 1909 je nach Band zwischen 27 und 32 Auflagen und gehört damit zu den beliebtesten deutschen Geschichtswerken des 19. Jahrhunderts überhaupt.

1869 schrieb Freytag den Text »Karl Mathy. Geschichte seines Lebens«, der das Leben eines früheren Freundes Freytags schildert. Ein weiterer Romanzyklus erschien von 1872 bis 1880 unter dem Namen »Die Ahnen« und schildert die fiktiven Schicksale einer deutschen Familie von der germanischen Zeit bis zur damaligen Gegenwart, womit er einen Bogen von den Germanen zu den Deutschen seiner Zeit spannte. Knappe zehn Jahre vor seinem Tod, im Jahre 1886, gestaltete er mit seinen »Erinnerungen« einen tagebuchähnlichen Text, in dem er seine wichtigsten Lebensabschnitte schilderte.

Gustav Freytag wurde am 13. Juli 1816 in Kreuzburg in Oberschlesien geboren.

Literatur:

Die Ahnen
Die Ahnen
von Gustav Freytag

Soll und Haben
Soll und Haben
von Gustav Freytag

Dienstag, 28. April 2020

Schriftsteller Per Olov Enquist gestorben

Per Olov Enquist

Per Olov "P. O." Enquist ist am 25. April 2020 im Alter von 85 Jahren in Vaxholm gestorben. Per Olov Enquist war ein schwedischer Schriftsteller und Journalist und zweifelsohne einer der großen schwedischen Autoren der Neuzeit. Im Laufe seines Lebens hat er eine Vielzahl von international erfolgreichen Werken geschaffen.

Enquist ist der Sohn einer strenggläubigen Volksschullehrerin, der in einem Dorf im nördlichen Schweden aufwuchs, die Grenzen der Provinz überwand und zu einem der bedeutendsten europäischen Schriftsteller wurde. Seine Karriere begann mit dem Studium in Uppsala, settze sich mit der Zeit als Journalist in West-Berlin und München fort und führte ihn mit seinem ersten Theaterstück bis zum Broadway.

»Wenn alles so gut ging, wie konnte es dann so schlimm kommen?« steht als Leitfrage über diesem Lebensweg, der tief in die Alkoholabhängigkeit führte, bis Enquist sich mit seinen großen Romanen aus der Krise schrieb und sich schreibend quasi neu erschaffen hat. Enquist schrieb Romane und Erzählungen, Theaterstücke, Essays und Kinderbücher. Sein Schreiben begann unter dem Einfluss des französischen Nouveau Roman. Enquist debütierte im Herbst 1961 mit dem Roman »Kristallögat«. Immer hat "P.O." in seinen Büchern auch sein eigenes Erleben verarbeitet.

Der schwedische Autor arbeitete als Theater- und Literaturkritiker und zählt zu den bedeutendsten Autoren Europas. Für seinen international erfolgreichen Roman »Der Besuch des Leibarztes« wurde er u.a. in Leipzig mit dem »Deutschen Bücherpreis 2002« ausgezeichnet.

In seinen kritisch-realistischen Romanen setzt sich Enquist mit sozialpolitischen Themen auseinander. Seine Erzählungen meist von düsterer Stimmung geprägt. In "Auszug der Musikanten" (1978) behandelt Enquist die Geschichte der Arbeiterbewegung und die Probleme des Wohlfahrtsstaates in Schweden. Weitere Werke sind "Der Sekundant" (1971), "Gestürzter Engel" (1985) "Kapitän Nemos Bibliothek" (1991) und "Der Besuch des Leibarztes" (2000).

Per Olov Enquist wurde am 23. September 1934 in Hjoggböle, Gemeinde Skellefteå, geboren und gehört einer Generation genialer schwedischer Schriftsteller an, zu der auch Torgny Lindgren, Sara Lidman und Kerstin Ekman gehören, welche alle in den 1930er Jahren in Nordschweden zur Welt gekommen sind und bis auf Ekman  alle aus der nordschwedischen Provinz Västerbotten stammen.


Weblinks:

Västerbotten - Wikipedia


Literatur:

Ein anderes Leben von Per Olov Enquist

Samstag, 25. April 2020

»Das Dekameron« von Giovanni Boccaccio









Das Dekameron

Boccaccio ist einer der bedeutendsten Erzähler der europäischen Literatur. Sein weltberühmtes Hauptwerk »Das Dekameron« (Hundert Erzählungnen) mit seiner einzigartigen Erzählkonstruktion, setzte Maßstäbe für die Gattung der Novelle. Die Novellensammlung »Il Decamerone« entstand in den Jahren 1348 bis 1353 in der Form eiesn Erztählzyklus.

Als die Pest zu dieser Zeit heftig in Europa wütete, setzte Giovanni Boccaccio der Verzweiflung mit seinem berühmten und lebenslustigen »Decamerone« die Hoffnung entgegen. Die zumeist erotischen Geschichten spielen in allen Milieus ihrer Zeit, in Klöstern, bei Handwerkern und den höheren Ständen.

Auf der Flucht vor der Pest erzählen sich in einer selbst gewählten Quarantäne auf einem Landgut bei Florenz zehn junge Adlige, die vor der Pest aus der Stadt geflohen sind, zum Zeitvertrieb zehn Tage lang je eine Geschichte. Die 100 Novellen des berühmten 'Decamerone' sind eines der schönsten Werke der Weltliteratur. Unübertroffen ist die Vielfalt der Figuren und Motive, bis heute begeistert die Schönheit, Kraft und Lebendigkeit des Erzählens. Im Vordergrund der ganz auf Lebenslust und Daseinsfreude gerichteten Geschichten steht fast immer die Liebe.

»Il Decamerone« ist ein Sittengemälde aus einer harten und entbehrungsreichen, aber auch kreativen und vorwärtsstrebenden Zeit. Die Renaissance zur Zeit der wütenden Pest aus der Sicht des Volkes.

Diese Sammlung von kurzen, flüssig erzählten Novellen (Kurzgeschichten) ist ein tolles Beispiel für zeitlosen Humor. Zwischen deftig derb, lustig und nachdenklich stimmen einen die einzelnen Schicksale.

Das Hauptthema (Liebe macht blind) ist immer noch aktuell. Die satirische Bloßstellung von Herrschenden und Kirche machte das Werk seinerzeit zum heimlichen Renner, was man heute noch gut nachvollziehen kann.

In dem Werk »Das Dekameron« finden sich und den italienischen Novellen Themen der Weltliteratur, wie z.B. »Nathan der Weise«, »Der Kaufmann von Venedig« und viele mehr.

Literatur:

Das Dekameron
Das Dekameron. Vollständige Ausgabe
von Giovanni Boccaccio

Das Dekameron
Das Decameron: Mit den Holzschnitten der venezianischen Ausgabe von 1492
von Giovanni Boccaccio

Das Dekameron
Das Dekameron Fischer Klassik
von Giovanni Boccaccio

Donnerstag, 23. April 2020

Die Gedichte von Paul Celan

Paul Celan

Paul Celan ist einer der bedeutendsten Dichter der Neuzeit. Paul Celan steht zusammen mit wenigen Autoren wie Primo Levi, Nelly Sachs oder Imre Kertész international herausragend für die Möglichkeit von »Dichtung im Angesicht der Shoah«.


Celan hat mit seiner Lyrik tief beeindruckt. Seine fast ätherdurchtränkten, schwergelben Bilder, die einen ähnlich an die eines Trakls, eines Georges, erinnern. Er gehört zu dem Triumvirat der deutschen expressiven, symbolistischen und impressionistischen Gedichte.

Paul Celan ist nicht nur der Meister der Schlangen, der Tod ist ein Meister aus Deutschland - seine Übertragungen zählen zu den wichtigsten unserer Zeit. Er wurde 1920 geboren. Wenn er sich nicht das Leben genommen hätte, hätte er sicher den Nobelpreis bekommen.

Literatur:

Die Gedichte

Die Gedichte von Paul Celan, 1.262 Seiten

Blog-Artikel:

»Todesfuge« von Paul Celan - Literatenwelt-Blog



Montag, 20. April 2020

Paul Celan 50. Todestag

Paul Celan

Paul Celan, der heimatlose Sohn aus dem rumänischen Czernowitz, starb vor 50 Jahren in Paris. Celan nahm sich am 20. April 1970 in der Seine das Leben.

Er ist einer der bedeutendsten Dichter der Neuzeit. Paul Celan steht zusammen mit wenigen Autoren wie Primo Levi, Nelly Sachs oder Imre Kertész international herausragend für die Möglichkeit von »Dichtung im Angesicht der Shoah«.

Nach dem Abitur 1938 begann er ein Medizinstudium in Tours/Frankreich, kehrte jedoch ein Jahr später nach Rumänien, zurück, um dort Romanistik zu studieren.

1942 wurden Celans Eltern deportiert. Im Herbst desselben Jahres starb sein Vater in einem Lager an Typhus, seine Mutter wurde erschossen. Von 1942 bis 1944 musste Celan in verschiedenen rumänischen Arbeitslagern Zwangsarbeit leisten. Von 1945 bis 1947 arbeitete er als Lektor und Übersetzer in Bukarest, publizierte in diesen Jahren erste Gedichte.

Im Juli 1948 zog er nach Paris, wo er bis zu seinem Tod lebte. Im selben Jahr begegnete Celan Ingeborg Bachmann. Dass Ingeborg Bachmann und Paul Celan Ende der vierziger Jahre und Anfang der fünfziger Jahre ein Liebesverhältnis verband, das im Oktober 1957 bis Mai 1958 wieder aufgenommen wurde, wird durch den posthum veröffentlichten Briefwechsel Herzzeit zwischen den beiden bestätigt.

Einer der ersten öffentlichen Auftritte des damals noch weitgehend unbekannten Paul Celan fand im Mai 1952 auf der Tagung der »Gruppe 47« in Niendorf statt. Die Lesung kam auf Vermittlung der Wiener Freunde Ingeborg Bachmann, Milo Dor und Reinhard Federmann zustande, wurde allerdings zu einem Misserfolg.

Entdeckt wurde Paul Celan von der »Gruppe 47« 1952 bei einer Lesung. Die Linie der Gruppe war eine schnörkellose Prosa im Stile einer nüchternen Reportage. Celan vertrat jedoch eine andere Auffassung von zeitgemäßer Lyrik: "Die Dichtung muss eine graue Sprache haben."

Heinrich Böll setzte sich jedoch entschieden für den bislang unbekannten Lyriker ein und forderte, daß seine Lyrik Pflichtlekture im Schulunterricht werden sollte.

Im November 1951 lernte Celan in Paris die Künstlerin Gisèle de Lestrange kennen, die er ein Jahr später heiratete. 1955 kam ihr gemeinsamer Sohn Eric zur Welt.

In den 1950er Jahren begann sich Celan mit der Philosophie Heideggers auseinanderzusetzen und auch umgekehrt las Heidegger Celans Werke. Am 24. Juli 1967 begegneten sie sich in Freiburg und unternahmen am Tag danach einen Ausflug zu Heideggers Hütte in Todtnauberg. Todtnauberg wurde auch der Titel eines Gedichtes, das Celan am 1. August 1967 schrieb. Es folgten weitere Besuche und es entstand ein Briefwechsel. Celans Verhältnis zu Heidegger war zwar ambivalent, aber freundschaftlich.

Lesen war für Paul Celan immer auch Erlebnis: Seine vielfältigen Lektüren von Büchern, Zeitschriften und Tagespresse waren ihm ebenso Ausgangspunkt für Gedichte wie persönliche Begegnungen und politische Ereignisse.

Das Gefühl der inneren Zerissenheit, keine geistige Heimat zu finden, hat ihn Zeit seines Lebens nie verlassen.

Paul Celan wurde vor 90 Jahren am 23. November 1920 als Paul Antschel als einziger Sohn deutschsprachiger, jüdischer Eltern im damals rumänischen Czernowitz geboren.

Literatur:

Die Gedichte

Die Gedichte von Paul Celan

Blog-Artikel:

»Todesfuge« von Paul Celan - Literatenwelt-Blog

Samstag, 18. April 2020

Schriftstellerei und die Nähe zum Zeitgeschehen

Joseph Roth Ernst Jünger

Die meisten Autoren waren und sind gezwungen, ihrer Zeit hinterher zu schreiben. Die großen Romane zu wichtigen historischen Ereignissen und Prozessen werden selten unmittelbar in der Zeit geschrieben, in denen diese Umwälzungen anfangen, anlaufen, sich entfalten, sondern erst aus einer zeitlichen Distanz heraus zu einem späteren Zeitpunkt.

Radetzkymarsch

In Joseph Roths Meisterwerken »Hiob« und »Radetzkymarsch« schilderte er die untergehenden Welten des Ostjudentums und der Habsburger Monarchie: Welten, die er kritisiert und verlassen hatte – und denen er doch als verlorener Heimat nachtrauerte.

Es gab und gibt natürlich immer Ausnahmen, bsp. Lion Feuchtwanger, dem es gelang, manche seiner Bücher sehr nah zu den Ereignissen, die in ihnen beschrieben werden, zu schreiben und herauszubringen.

Frontstellung im Ersten Weltkrieg

Vor allem der Erste Weltkrieg erwischte die europäischen Schriftsteller, trotz aller Vorahnungen und Warnungen, mit voller Wucht. Die Saat des Krieges unter Stahlgewittern: Remarques berühmter Anti-Kriegsroman »Im Westen nichts Neues« erschien erst 1929, „Der Streit um den Sergeanten Grischa“ von Arnold Zweig erschien 1927. Am nächsten an der Wahrnehmung des Krieges war noch Ernst Jünger mit seinen furchtbaren »Stahlgewittern« (1920).

Auch in der restlichen europäischen Literatur war das ähnlich: »Reise ans Ende der Nacht« von Celiné erschien 1932, Hemingways »In einem anderen Land« 1929. Jaroslav Hašeks „Schwejk“, unvollendet geblieben, schrieb er erst nach dem Ersten Weltkreig in den Jahren 1920 bis 1923.

Aber nicht nur der Krieg selbst, auch seine Ankündigung, das in der Luft liegen eines neuen Zeitalters, ist in vielen Romanen der Epoche erst mit der Zeit eingeflossen, aufgearbeitet worden.

Literatur:

Novalis
Die Abenteuer des guten Soldaten Švejk im Weltkrieg
von Jaroslav Hašek

In Stahlgewittern
In Stahlgewittern
von Ernst Jünger

Radetzkymarsch
Radetzkymarsch
von Joseph Roth

Weblinks:

Ernst Jünger

Joseph Roth

»Die große Reise« von Jorge Semprún

Die große Reise

In dem frühen Buch "Die große Reise" (1964) - französisch "Le Grand Voyage" - das die Geschichte seiner Deportation wiedergibt, schildert Jorge Semprun seine persönlichen Erlebnisse aus dem Jahr 1944, die er 16 Jahre danach niedergeschrieben hat.

Jorge Semprún greift in seinem Erinnerungsbuch bereits das Thema auf, das sein weiteres Werk bestimmen wird: die Erinnerung an seine Teilnahme am Widerstand gegen Faschismus und Stalinismus in der Mitte des 20. Jahrhunderts. In dem Roman hat er bereits zu seinem Stil gefunden, der von Rückblenden, Überblendungen und Assoziationen geprägt ist.

Das Buch über die Geschichte seiner Deportation berichtet von der vier Tage und fünf Nächte dauernden Fahrt gefangener Widerstandskämpfer in einem überfüllten Viehwaggon. 120 Männer drängen sich in diesem Wagen, ohne Essen und Trinken, mit kaum ausreichender Luftversorgung. Die Fahrt in einem schneidend kalten Winter geht von Compiègne in das Konzentrationslager Buchenwald. Im Lauf des Buchs wird der Autor anmerken, dass die Deutschen in die gleichen Waggons 200 Juden pferchten. Der Bericht endet mit dem Erreichen des Lagers.

Der Autor ist 20, als er diese Reise antreten muss; Semprúns engster Gefährte während der »Reise« ist ein ein 16-Jähriger, der nur der »Junge aus Semur« genannt wird. Schon auf den ersten Seiten setzen die Rückblenden ein aus verschiedenen Perspektiven, einmal aus der des eingepferchten jungen Mannes, bald schon aus der des Schreibers.

Nach und nach erfährt der Leser aus dem Vor- und Zurückschweifen der Gedanken die Geschichte der Widerstandsgruppe, ihrer Zerschlagung und Festnahme. Am Ende des Buchs erfährt der Leser vom überraschenden Tod des Jungen; ebenfalls deutet der Erzähler bereits das Grauen des Lagers an.

Beginnend mit "Die große Reise" (1964), das die Geschichte von Semprúns Deportation wiedergibt, kreist das gesamte Werk des polyglotten Autors um die eigene Erinnerung, Episoden seines Lebens wiederholen sich als Bausteine seiner Erzählungen.

Das Erinnern schmerzte ihn, doch ebenso sehr fürchtete er das Vergessen: "In meinem Kopf lebt der wichtigste Geruch eines Konzentrationslagers" - der nach verbranntem menschlichem Fleisch. "Ich kann ihn nicht erklären. Und er wird mit mir verschwinden."

Die Sprache des Berichts ist nüchtern und kühl, manchmal schneidend kalt. Häufige Wiederholungen geben ihr ein insistierendes Drängen. Semprúns Erzählweise wird gern mit der Schnitttechnik eines Spielfilms verglichen.

In seinem Buch "Die große Reise" umfasst die eigentliche Erzählzeit den fünftägigen Eisenbahntransport ins Konzentrationslager Buchenwald im Januar 1944. Eingeschoben sind zahlreiche Erinnerungen, Überlegungen und Fantasien, die 1936 einsetzen und vor allem die Zeit des Widerstands ab 1940 umfassen.

Literatur:

Die große Reise
»Die große Reise«
von Jorge Semprún

Mittwoch, 15. April 2020

»Er ist's« von Eduard Mörike






Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's!
Dich hab' ich vernommen!


»Er ist's« von Eduard Mörike (1828)



Frühlingsbücher, das man gelesen haben sollte:



Frühling: Ein Poesiealbum

von Günter Berg

Frühlingsgedichte
Frühlingsgedichte

von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell

Dienstag, 14. April 2020

Jean de la Fontaine 325. Todestag



Jean de la Fontaine starb vor 325 Jahren am 14. April 1695 in Paris.

Jean de la Fontaine war ein französischer Dichter und Erzähler. Der Schriftsteller gilt als der bedeutendste Verskünstler der französischen Klassik. Tierbeschreibungen, Naturschilderungen und satirische Gesellschaftsdarstellung sind die Themen seiner in zwölf Büchern zusammengefassten Fabeln.

Jean de La Fontaine fasste seine Fabeln und auch weitere im 17. Jahrhundert in Versform. Im Barock, also vom Ende des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, erfreute sich diese Literaturgattung sonst keiner großen Beliebtheit: Sie entsprach in ihrer Schlichtheit nicht dem Zeitgeschmack, anders als in der Epoche der Aufklärung.

Mit Fabeln wie »Der Rabe und der Fuchs«, »Stadtratte und Landratte« oder »Der Hahn und der Fuchs« wurde Jean de La Fontaine berühmt. Die Motive aus der Antike und dem Orient haben dem Dichter geholfen, mit netten Tiergeschichten die feine Gesellschaft von Frankreich auf sehr feinsinnige Art zu kritisieren.

Jean de la Fontaine wurde am 8. Juli 1621 geboren. Jean de la Fontaine erblickte in Chateau-Thierry in der Champagne das Licht der Welt.

Samstag, 11. April 2020

»Die andere Seite: Ein phantastischer Roman« von Alfred Kubin


Die andere Seite

Der Zeichner und Romancier Alfred Kubin hat 1909 seinen einzigen Roman geschrieben. »Die andere Seite« ist ein phantastischer Roman, der ein düsteres, ins Irreale abgleitendes, grauenvolles Untergangsszenario beschreibt. Der einzige Roman von Alfred Kubin thematisiert die Spiegelung von Traum und Realität. Der Held gerät in ein Traumreich, in dem er sich zu einem Alptraum verstrickt.

Kubins Roman ist am ehesten mit dem klassischen englischen und amerikanischen Horrorgenre verwandt. Die stets vorhandene, unheimlich - bedrohliche Hintergrundstimmung erinnert an Stevensons Schatzinsel, an Dracula oder auch an Dr. Frankensteins Monster. Auch Kubins Protagonisten verlassen ihr zuhause, sie wenden sich müde ab von der Zivilisation, die sie verwöhnt und großgezogen hat, und gehen auf die Reise - in diesem Fall gen Osten in ein abgelegenes Territorium, gekauft von Claus Patera, "ein Mann mit dem vielleicht größten Vermögen der Welt".

Kubin interpretiert damit das in der Gattungskonvention zentrale Motiv der literarischen Imagination des ganz anderen und besseren Staates neu: Wer wie Patera und die Bewohner der Traumreichs seinem Traum, seiner Vision, seiner Utopie folgt, gerät nun tatsächlich in die "Abgründe" dieses Traumreichs.

Bei diesem Gebiet irgendwo in den Weiten Asiens handelt es sich um einen vollständig abgeriegelten Mini - Staat, genannt "Traumland". In dessen Hauptstadt, Perle, wird den Bewohnern das Paradies versprochen, doch bei der Ankunft ist Perle zunächst nichts anderes als eine schäbige Kleinstadt mit schmutzigen Hotels und Straßen mit kleinen, dürftig möblierten Häusern. Dazu passt der unnatürliche und unheilverkündende erste Eindruck: diese Stadt liegt im ewigen Dämmerlicht.

Das mitgebrachte Eigentum seiner zukünftigen Bewohner wird konfisziert, da man im Traumland "nichts vermissen" werde. Nach wenigen Wochen wird immer deutlicher: Für keinen seiner Bewohner ist dieser Zwergstaat ein verheißungsvoller oder gewinnbringender Ort, vielmehr beginnt er sich allmählich in eine skurille Hölle von Chaos, Armut und Unterdrückung zu verwandeln.



Die andere Seite

Dem Ruf seines ehemaligen Schulfreundes Patera folgend, siedelt der Erzähler mit seiner Frau in das weit entfernt liegende Traumreich Perle, irgendwo in Asien, über. Er soll teilhaben an der Erschaffung einer neuen Welt.

Das fehlende Sonnenlicht in Perle ist ein erster Hinweis auf das Grauen, das sich dort allmählich entwickelt. Patera, verantwortlich für Perle, ist ein gottähnlicher Herrscher eines Traumreichs (Zitat: "Du siehst, ich bin der Herr! - Auch ich war verzweifelt, da baute ich mir aus den Trümmern meines Gutes ein Reich. - Ich bin der Meister!").

Mit dem Erscheinen von Herkules Bell, einem Amerikaner, spitzt sich die Situation zu. Bell entwickelt sich zum erbitterten Gegenspieler von Patera. Der Machtkampf führt zur Apokalypse. Bell ist zwar der Gegner von Patera, aber alles andere als eine Lichtgestalt. Dies wird bereits in seiner Proklamation "Werdet alle Söhne Luzifers!" deutlich. Das Reich löst sich allmählich auf.

Insbesondere in der zweiten Hälfte des Romans verschmelzen Traum und Realität miteinander. Die Beschreibungen wirken grotesk. Die Auseinandersetzung zwischen Lebenswillen und Todessehnsucht führt zur Apokalypse. »Die andere Seite« von Alfred Kubin ist ein phantastischer Roman, der ein düsteres, ins Irreale abgleitendes, grauenvolles Untergangsszenario beschreibt. Traumland als negative Utopie.

Ein schönes Buch, mit wunderbaren Zeichnung des Autors als Umschlag. Ein phantastischer Vorläufer von Kafka und Inspiration für den Roman »Das Maskenspiel der Genien« von Fritz von Herzmanovsky-Orlando.

Literatur [ >> ]:


Die andere Seite: Ein phantastischer Roman
von Alfred Kubin


Die andere Seite: Ein phantastischer Roman
von Alfred Kubin


Die andere Seite: Ein phantastischer Roman
von Alfred Kubin

»Die Pest« von Albert Camus










Albert Camus

»Die Pest« ist ein im Juni 1947 entstandener Roman von Albert Camus mit existenzialistischen Bezügen. Albert Camus‘ erfolgreichster Roman «Die Pest», 1947 in Frankreich erschienen, gehört zu den Klassikern der Weltliteratur. Der Roman wurde zumeist als politische Allegorie oder als existentialistische Parabel gelesen.

Camus sagte einmal über dieses Werk: "Die Pest, was ist das schon? Die Pest, das ist das Leben." Auch war die Pest für ihn ein Symbol für die "Verseuchung" Frankreichs durch den Nationalsozialismus.

Die Absurdität des Lebens selbst, des Lebens insgesamt war sein großes Thema, die "Schieflage", in welche der Mensch zum Leben geraten ist, der die Welt nicht (mehr) als Heimat empfinden kann.

Albert Camus seziert hellsichtig das menschliche Handeln im Angesicht der Katastrophe: Die algerische Stadt Oran wird von einer rätselhaften Erscheinung heimgesucht. Die Ratten kommen aus den Kanälen und verenden auf den Straßen. Kurze Zeit später sterben die ersten Menschen an einem heimtückischen Fieber. Schließlich erkennt man: Die Pest wütet in der Stadt. Erst nach einem scheinbar endlosen Jahr verschwindet die Seuche, und die Überlebenden feiern ihre Erlösung.

Die Begegnung mit Seuchen berührt die Urängste vor dem Unsichtbaren, Unreinen, Unheimlichen. Macht den Infizierten potenziell auch zum Aussätzigen.

In dieser Situation ist Albert Camus’ Roman »Die Pest« das Buch der Stunde. Der Roman erzählt, wie eine Stadt abgeschottet und unter Quarantäne gestellt wird und eine Seuche die Welt einer Stadt auf den Kopf stellt. Für den französischen Nobelpreisträger war die 1947 geschriebene Roman »Die Pest«, eine Allegorie auch der Zivilisationsbrüche der Moderne. Der „Schwarze Tod“ kommt als Virus zugleich von innen, aus den Einzelnen und der Gesellschaft. Er tritt auf „zum Unglück und zur Belehrung der Menschen“, denn er stellt ihre Mitmenschlichkeit auf die Probe.

»Eine Seuche ist kein Ding, das nach dem Maß des Menschen gemacht ist, darum sagen wir uns, die Seuche sei ...«

Camus zeigt dabei ohne apokalyptischen Grusel und voll nüchterner Rationalität, dass neben der Medizin weniger die gegenseitige Abschottung als vielmehr die gesellschaftliche Solidarität ein Mittel des Widerstands ist. Gegen Viren und Wirren, gegen sichtbare oder noch verborgene Schrecken. Das klingt hellsichtig, auch für heute.


In dem Roman verbreitet sich die Seuche im zeitlichen Ablauf in
mehreren Wellen über die Stadt, die von den Jahreszeiten abhängig sind.

Der „Schwarze Tod“ kommt als Virus zugleich von innen, aus den Einzelnen und der Gesellschaft. Er tritt auf „zum Unglück und zur Belehrung der Menschen“, denn er stellt ihre Mitmenschlichkeit auf die Probe.


Durch Rieux, dem Arzt und Hauptfigur im Roman, entdeckte Camus während der Erstellung des Romans eine neue Art des Humanismus, die Solidarität. Camus spannt den inhaltlichen Bogen vom Absurden über die Revolte bis hin zum Humanismus. Solidarität, Zusammenarbeit und eigenständiges Handeln sieht Camus in seiner Philosophie als höchste menschliche Werte.

Gabriel García über »Die Pest«

«Camus irrt sich nicht in seinem Roman. Das Drama sind nicht die, die durch die Hintertür zum Friedhof entwischen – und für die die Angst vor der Pest endlich vorbei war –, sondern die Lebenden, die in ihren stickigen Schlafzimmern Blut schwitzten, ohne der belagerten Stadt entfliehen zu können.»


Liteatur:

Die Pest


Die Pest von Albert Camus

Samstag, 4. April 2020

»Nacht mit Hamlet« von Vladimír Holan

»Nacht mit Hamlet«
»Nacht mit Hamlet«

»Nacht mit Hamlet« (»Noc s Hamletem«) ist ein 1969 entstandenes Werk des tschechoslowakischen Schriftstellers und Dichters Vladimír Holan.

"Huldigung an Shakespeare" nannte der "große alte Mann" der tschechischen Lyrik sein metaphysisch- esoterisches Hauptwerk. Die Zeilen "Kunst ist Klage/Etwas für manchen/Nichts für alle ..." könnten als Motto über diesem nächtlichen Dialog mit der zeitlosen Gestalt Shakespeares stehen.


»Sein Versepos 'Nacht mit Hamlet' ist in der Phase des tschechischen Poststalinismus entstanden und setzt sich im Gewand eines Dialogs des Dichters mit dem Dänen-Prinzen aus dem Shakespeare-Drama mit den Themen Macht, Verrat und Enttäuschung auseinander. Über seine eigene Position in dieser Konstellation läßt Holan keinen Zweifel aufkommen: 'Kunst als werk, damit du nicht hoffärtig wirst./Ich sage dir, kunst ist klage.'«

 Hans-Peter Riese, FAZ, Juni 2006


Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings wurde Vladimír Holan von den Kommunisten mit Publikationsverbot belegt. Seine große Enttäuschung schrieb er im Jahr 1969 in seinem Werk »Nacht mit Hamlet« nieder.


Literatur:

»Nacht mit Hamlet«
»Nacht mit Hamlet«
von Vladimír Holan