Menue

Donnerstag, 21. Dezember 2017

Heinrich Böll 100. Geburtstag


Heinrich Böll


Heinrich Böll wurde vor 100 Jahren am 21. Dezember 1917 in Köln als Sohn eines Tischlers in einem katholischen Elternhaus geboren. Böll war ein deutscher Schriftsteller und Übersetzer des 20. Jahrhunderts. Heinrich Böll gilt als einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller der Nachkriegszeit.

Heinrich Böll ahm nach dem Abitur eine Lehre im Buchhandel auf, die er bald abbrach. Nach einem gerade begonnenen Studium der Germanistik und klassischen Philosophie wurde Böll 1939 zur Wehrmacht eingezogen. 945 kehrte er aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft nach Köln zurück, wo er sein Studium wieder aufnahm und in der Schreinerei seines Bruders arbeitete.

Ab 1947 publizierte er in Zeitschriften und wurde 1951 für die Satire ›Die schwarzen Schafe‹ mit dem Preis der Gruppe 47 ausgezeichnet. Fortan war er als freier Schriftsteller tätig und veröffentlichte Romane, Erzählungen, Hör- und Fernsehspiele sowie Theaterstücke. Außerdem übersetzte er, gemeinsam mit seiner Frau Annemarie, englische und amerikanische Literatur (u. a. George Bernard Shaw und Jerome D. Salinger).

Als Publizist und Autor führte Heinrich Böll Klage gegen die Grauen des Krieges und seine Folgen, polemisierte gegen die Restauration der Nachkriegszeit und wandte sich gegen den Klerikalismus der katholischen Kirche, aus der er 1976 austrat. In den sechziger und siebziger Jahren unterstützte er die Außerparlamentarische Opposition. 1983 protestierte er gegen die atomare Nachrüstung. Insbesondere engagierte sich Böll für verfolgte Schriftsteller im Ostblock. Der 1974 aus der UdSSR ausgewiesene Alexander Solschenizyn war zunächst Bölls Gast.

Ab 1976 gab er, gemeinsam mit Günter Grass und Carola Stern, die Zeitschrift ›L’76. Demokratie und Sozialismus‹ heraus. Der Verband deutscher Schriftsteller wurde 1969 von ihm mitbegründet, und er war Präsident des Internationalen PEN-Clubs (1971 bis 1974). Böll erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Georg-Büchner-Preis (1967), den Nobelpreis für Literatur (1972) und die Carl-von-Ossietzky-Medaille (1974). Im Jahr 1972 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

Der Katholiszismus rheinischer Prägung und der Krieg gehören zu den beiden prägenden Grunderfahrungen des Schriftstellers, die er immer wieder literarisch verarbeitet hat. Zu seinen bekanntesten Werken gehören Romane wie "Irisches Tagebuch", "Ansichten eines Clowns", "Gruppenbild mit Dame" oder "Die verlorene Ehre der Katharina Blum". Neben vielen anderen Auszeichnungen wurde das literarische Schaffen des gebürtigen Kölners 1972 in Stockholm mit dem Nobelpreis gewürdigt.

Heinrich Böll starb am 16. Juli 1985 in Langenbroich/Eifel.

Sonntag, 10. Dezember 2017

»Die Obstdiebin« von Peter Handke

Die Obstdiebin
Die Obstdiebin

»Die Obstdiebin« ist der Titel des neuen Romans von Peter Handke. Als das »Letzte Epos« (mit großem »L«) hat Peter Handke seinen neuen Roman bezeichnet.

Der Roman spielt in Frankreich in der Zeit nach den Terroranschlägen von Paris und begibt sich auf  Reisen durch ein gezeichnetes Land. Die Reise führt aus der Niemandsbucht, Umwegen folgend, sie suchend, in das Landesinnere, wo die Obstdiebin, »einfache Fahrt«, keine Rückfahrt, bleiben wird, oder auch nicht?.

„Die Welt ist alles, was der Fall ist.“ Mit diesem Bekenntnis zu Realismus und Empirismus beginnt Wittgensteins »Tractatus«. „Die Welt war die Dreiecksgeschichte zwischen einem selber, der Natur und den Anderen!“ (S. 500) heißt es in Handkes Roman »Obstdiebin« - und von dieser „Dreiecksgeschichte“ handelt dieser wunderbare und wundersame Roman.

Es ist eigentlich eine doppelte Reise ins Landesinnere, die Handke erzählt: Zuerst ist es der Ich-Erzähler, der sich, zu Fuß und mit der Bahn, auf den Weg macht von Paris in die Picardie, um dort die 25-jährige Studentin und Weltenbummlerin „Alexia“, die Obstdiebin, zu treffen. Warum und wozu bleibt - natürlich - ungeklärt. Um die Mittagszeit bricht er auf, am Abend dort angekommen, wechselt die Perspektive:

Nun begleiten wir, aus der Perspektive des personalen Er-Erzählers, diese Alexia auf ihrem dreitägigen, erlebnisreichen und ereignisarmen Fußmarsch, ebenfalls von Paris in die Picardie. Sie will ihre Mutter, die „Bankfrau“, die der Handke-Leser bereits aus dem Roman „Der Bildverlust“ kennt, treffen. Tatsächlich kommt es dann ganz zum Ende des Romans zu einer Familienzusammenführung: Es treffen sich auf dem „Vexin-Plateau“ zu einem großen Fest im Zelt die getrennt lebenden Eltern von Alexia und auch ihr 15-jähriger Bruder, der eine Zimmermannslehre absolviert. Nun ist auch der Ich-Erzähler dabei, der von „wir“ und „uns“ erzählt, die beiden Erzählperspektiven werden also am Ende zusammengeführt.

Die Obstdiebin
Die Obstdiebin

Alexia, die Obstdiebin, ist zwar neben Handke selbst die Protagonistin. Dieser anfängliche Ich-Erzähler hat viel mit dem Autor gemein: Ein alter, allein lebender, etwas schrulliger „ungeselliger Geselle“, wohnhaft in einem Pariser Vorort, - der „Niemandsbucht“, wie sie auch hier immer wieder bezeichnet wird - in einem alten Haus mit großem Garten, nebst Obstbäumen.

Ein Mann, der sich als „Illegalen“ bezeichnet, der den Staat ebenso verachtet wie alle kapitalistische Umtriebigkeit, alle großartigen Gesten und Worte, der wütend ist auf die wüste Welt, einsam und trotzig; ein Naturfreund zugleich, den kleinen Dingen und den kleinen Leuten, den Obdachlosen, der Kassiererin, dem afrikanischen Pizza-Ausfahrer zugewandt, ein romantischer Anarchist - alles das trifft auf den Ich-Erzähler wie auf Peter Handke zu.

»Die Obstdiebin« von Peter Handke ist ein ambivalentes Werk, denn es verarbeitet persönliche Erfahrungen vor gesellschaftlichem Hintergrund. Die Stärke dieses wie seiner anderen epischen Großprojekte liegt nicht im weltumspannenden Gestus des Erzählers, sondern in den Passagen, in dem er seinem Doppelgänger den Vortritt lässt, dem Verfasser von Aufzeichnungen und Meister der Prosa des Augenblicks.


Literatur, die man kaufen kann [ >> ]:

Die Obstdiebin
Die Obstdiebin
von Peter Handke



Weblink:

Peter Handke: Die Obstdiebin oder Einfache Fahrt

Donnerstag, 7. Dezember 2017

Peter Handke 75. Geburtstag

Peter Handke

Peter Handke wurde vor 75 Jahren am 6. Dezember 1942 in Griffen (Kärnten) geboren. Peter Handke ist ein bekannter österreichischer Lyriker, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur. Er gilt als vielseitiger Schriftsteller und als Meister der Form.

Zwischen 1954 und 1959 besuchte Handke das Gymnasium in Tanzenberg (Kärnten) und das dazugehörige Internat. Nach dem Abitur im Jahr 1961 studierte er in Graz Jura. Im März 1966, als Peter Handke sein Studium vor der letzten und abschließenden Prüfung abgebrochen hatte, erschien sein erster Roman "Die Hornissen". Im selben Jahr 1966 erfolgte die Inszenierung seines inzwischen legendären Theaterstücks "Publikumsbeschimpfung" in Frankfurt am Main unter der Regie von Claus Peymann.


Schon in frühen Jahren sorgte der junge Handke im Literaturbetrieb für Aufsehen, u.a in der »Gruppe 47«. Der blutjunge Anfängerpoet Handke, damals schon mit Sonnenbrille selbst bei Regen, beschimpfte und beleidigte seine älteren Kollegen, die schon über einen kleinen Nachkriegsruhm verfügten. Seitdem hat er mehr als dreißig Erzählungen und Prosawerke verfaßt:

"Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" (1970), "Wunschloses Unglück" (1972), "Der kurze Brief zum langen Abschied" (1972), "Die linkshändige Frau" (1976), "Das Gewicht der Welt" (1977), "Langsame Heimkehr" (1979), "Die Lehre der Sainte-Victoire" (1980), "Der Chinese des Schmerzes" (1983), "Die Wiederholung" (1986), "Versuch über die Müdigkeit" (1989), "Versuch über die Jukebox" (1990), "Versuch über den geglückten Tag" (1991), "Mein Jahr in der Niemandsbucht" (1994), "Der Bildverlust" (2002), "Die Morawische Nacht" (2008), "Der Große Fall" (2011), "Versuch über den Stillen Ort" (2012), "Versuch über den Pilznarren" (2013).

Auf die "Publikumsbeschimpfung" 1966 folgt 1968 das Stück "Kaspar"- ebenfalls in Frankfurt am Main uraufgeführt. Von hier spannt sich der Bogen weiter über "Der Ritt über den Bodensee" (1971), "Die Unvernünftigen sterben aus" (1974), "Über die Dörfer" (1981), "Das Spiel vom Fragen oder Die Reise zum sonoren Land" (1990), "Die Stunde da wir nichts voneinander wußten" (1992), über den "Untertagblues" (2004) und "Bis daß der Tag euch scheidet" (2009) über das dramatische Epos "Immer noch Sturm" (2011) bis zum Sommerdialog "Die schönen Tage von Aranjuez" (2012) zu "Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße" (2016).

Darüber hinaus hat Peter Handke viele Prosawerke und Stücke von Schriftsteller-Kollegen ins Deutsche übertragen: Aus dem Griechischen Stücke von Aischylos, Sophokles und Euripides, aus dem Französischen Emmanuel Bove - unter anderem "Meine Freunde", René Char und Francis Ponge, aus dem Amerikanischen Walker Percy. Handke ist ein großartiger Übersetzer: Bove, Char, Goldschmidt, Ponge, Mondiano, Duras, Genet, Julien Green, Walker, Sophokles, Euripides, Shakespeare....

Sein Werk wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet. Die Formenvielfalt, die Themenwechsel, die Verwendung unterschiedlichster Gattungen - auch als Lyriker, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur ist Peter Handke aufgetreten - erklärte er selbst 2007 mit den Worten: »Ein Künstler ist nur dann ein exemplarischer Mensch, wenn man an seinen Werken erkennen kann, wie das Leben verläuft. Er muß durch drei, vier, zeitweise qualvolle Verwandlungen gehen.«

Literatur und Aufmüpfigkeit, Sprache und Rebellion - sie begleiten Peter Handke sein Leben lang. Handke deckt in seine Schreiben gegen den Zeitgeist seine Wunden schonungslos auf, lässt teilhaben an seinen Verletzungen. Seine ständige literarische "Aufarbeitung" ist ein großer Gewinn für die Literatur.

Im November 2017 ist sein neuer Roman »Die Obstdiebin« erschienen, eine Reisebeschreibung. Als das »Letzte Epos« (mit großem »L«) hat Peter Handke seinen neuen Roman bezeichnet. Die Reise führt aus der Niemandsbucht, Umwegen folgend, sie suchend, in das Landesinnere, wo die Obstdiebin, »einfache Fahrt«, keine Rückfahrt, bleiben wird.

Literatur: [ >> ]:

Wunschloses Unglück
Wunschloses Unglück
von Peter Handke

Die Obstdiebin
Die Obstdiebin
von Peter Handke

Blog-Artikel:

Handke-Drama - Handke-Drama-Blogspot.de

Samstag, 25. November 2017

»Tyll« von Daniel Kehlmann


Tyll

»Tyll« heisst der neue Roman des Erfolgsautors Daniel Kehlmann. Daniel Kehlmann hat seinen »Tyll« in das Deutschland des Dreißigjährigen Krieges verpflanzt. Tyll ist eine Geschichte aus dem Dreißigjährigen Krieg und dem Zeitalter des Barock, ein Epos vom Dreißigjährigen Krieg, aber er ist kein Schelmenroman. »Tyll« ist eine Zeitchronik aus dem Mittelalter. Der Roman erzählt die Eulenspiegel-Geschichte, in der die Politik hineinreicht, so daß das Sittenbild einer Epoche entsteht. »Tyll« ist nicht nur kein Schelmenroman, sondern vielleicht nicht einmal ein Till-Eulenspiegel-Roman.

Der Roman ist die Neuerfindung der mythischen Till-Eulenspiegel-Figur. Es ist ein großer Roman über eine aus den Fugen geratene Welt, über die Verwüstungen durch den Krieg und die Macht der Kunst.Daniel Kehlmanns fabulöser Roman "Tyll" treibt ein munteres Spiel mit Realität und Fiktion - rund um den Gaukler Till Eulenspiegel. Ein Meisterwerk der Sprache, der Bilder und der Phantasie.


Tyll Ulenspiegel - Vagant und Schausteller, Entertainer und Provokateur - wird zu Beginn des 17. Jahrhunderts in einem Dorf geboren, in dem sein Vater, ein Müller, als Magier und Welterforscher schon bald mit der Kirche in Konflikt gerät. Tyll muss fliehen, die Bäckerstochter Nele begleitet ihn. Auf seinen Wegen durch das vom Dreißigjährigen Krieg verheerte Land begegnen sie vielen kleinen Leuten und einigen der sogenannten Großen: dem jungen Gelehrten und Schriftsteller Martin von Wolkenstein, der für sein Leben gern den Krieg kennenlernen möchte, dem melancholischen Henker Tilman und Pirmin, dem Jongleur, dem sprechenden Esel Origines, dem exilierten Königspaar Elizabeth und Friedrich von Böhmen, deren Ungeschick den Krieg einst ausgelöst hat, dem Arzt Paul Fleming, der den absonderlichen Plan verfolgt, Gedichte auf Deutsch zu schreiben, und nicht zuletzt dem fanatischen Jesuiten Tesimond und dem Weltweisen Athanasius Kircher, dessen größtes Geheimnis darin besteht, dass er seine aufsehenerregenden Versuchsergebnisse erschwindelt und erfunden hat. Ihre Schicksale verbinden sich zu einem Zeitgewebe, zum Epos vom Dreißigjährigen Krieg. Und um wen sollte es sich entfalten, wenn nicht um Tyll, jenen rätselhaften Gaukler, der eines Tages beschlossen hat, niemals zu sterben.

Um von der Zeit erzählen zu können, braucht der Autor eine Figur, die viel im Land herumkommt. Es musste eine fahrende Figur sein. Dieser Tyll ist eine Figur aus dem fahrenden Volk, die herumkommt und die Geschichten aus dem Dreißigjährigen Krieg erzählen kann.

Der Till Eulenspiegel ist nicht als ausgewiesener Narr herumgezogen, tatsächlich war er seinen Mitmenschen an Geisteskraft, Durchblick und Witz überlegen. Eulenspiegels Streiche ergaben sich meist daraus, dass er eine bildliche Redewendung wörtlich nahm. Er verwendete dieses Wörtlichnehmen als ein Mittel, die Unzulänglichkeiten seiner Mitmenschen bloßzustellen und seinem Ärger über Missstände seiner Zeit Luft zu machen.


Ein Meisterstück (…). Was ist das nur für ein unerschöpfliches Buch und was für ein grossartiger Stoff. (…) Es ist überdies der aussergewöhnlichste Europa-Roman seit vielen Jahren (…). Nicht zuletzt aber handelt es sich um ein phantastisches Geschichtenbuch, es ist grosses Theater, es ist Kino und Dichtung in einem. (…) wir sehen Daniel Kehlmann auf der Höhe der Kunst. Roman Bucheli, Neue Zürcher Zeitung

Detailkundig, sprachmächtig und kunstfertig ist dieser Roman, vielleicht Kehlmanns bestes Buch seit der »Vermessung der Welt«. Aber anders als die erzählte Geschichte der deutschen Weltvermessers im Geist und in der Wirklichkeit, Gauß und Humboldt, ist das neue Werk ein – ja – zu Herzen gehendes, lebensvolles, wundervoll undistanziert geschriebenes, brutales, modernes, romantisches deutsches Epos. Ein Roman in acht Geschichten, erzählt in acht historischen Szenenbildern.

Der historische Till (oder Dil oder Dyl) Eulenspiegel soll um 1350 in Mölln begraben worden sein. Von den oft derben Streichen, Schwänken und Späßen des Vaganten Till erzählt erstmals die um 1510 in Straßburg veröffentlichte Sammlung „Ein kurtzweilig lesen von Dil Uilenspiegel“, die dann ein Volksbuch wurde. Ihre Autorschaft ist bis heute nicht abschließend geklärt, die Figur hat sich seitdem weitgehend von ihrer Herkunft abgelöst. Man hat sie, je nach Interesse, in neue historische Kontexte gestellt, beispielhaft Charles de Coster, der 1867 den Till Eulenspiegel als flämischen Freiheitshelden und Widerstandskämpfer gegen die spanische Herrschaft neu erfand.
Daniel Kehlmann hat seinen „Tyll“ nun in das Deutschland des Dreißigjährigen Krieges verpflanzt. Ein neuer „Simplicissimus Teutsch“ vielleicht? Von Grimmelshausens Epochenroman von 1668 war kürzlich in Kehlmanns Frankfurter Poetikvorlesungen ausführlich die Rede. Die Figur des schein-einfältigen Toren, Abenteurers und späterhin Einsiedlers, der sich als Joker in x Identitäten, Abenteuern und Stationen durch die Zeit schlägt, mag Kehlmann inspiriert haben.

'Tyll' ist das beste Buch, das Daniel Kehlmann bislang geschrieben hat (...). Ja, es ist wieder ein Geschichtsbuch, wie 2005 'Die Vermessung der Welt', der meistverkaufte deutsche Roman seit Patrick Süskinds 'Parfum', das Buch, mit dem Kehlmann zum Weltstar der deutschen Literatur wurde. Aber anders als die hyperionisch erzählte Geschichte der deutschen Weltvermesser (…) ist das neue Werk ein – ja – zu Herzen gehendes, lebensvolles, wundervoll undistanziert geschriebenes, brutales, modernes, romantisches deutsches Epos. (…) 'Tyll' ist Daniel Kehlmanns Sieg über die Geschichte, sein historischer Triumph. Volker Weidermann, Der Spiegel


»Tyll« ist nicht nur kein Schelmenroman, sondern vielleicht nicht einmal ein Till-Eulenspiegel-Roman.Ein „Schelmenroman“ ist sein »Tyll« nicht geworden. Dazu fehlt seinem Eulenspiegel entschieden das Heitere, und mehr noch das Naive. Eher ist Kehlmanns Tyll eine Art Horrorclown in düsterer Zeit. Ein Überlebenskünstler, der auf wundersame Weise Pest, Krieg und Inquisition trotzt. Ein „Herr der Luft“, der auf dem Seil dem staunenden Publikum eine Ahnung von Freiheit gibt. Ein übellauniger Narr, der seiner Herrschaft selten Freude macht. Niemand wird warm mit diesem Tyll, dessen größte Begabung zu sein scheint, seine Haut zu retten.

Daniel Kehlmann lässt Goyas Gaukler auf dem Buchumschlag lebendig werden und das Mittelalter aufleben mit seinen finsteren Gassen, dem Aberglauben und der Gottesfürchtigkeit. Alpträume, Hunger und Angst verschonen auch den „Winterkönig“ nicht und lassen ihn einsam und ohne Würde sterben.

Und jetzt darf ich einen echten Triumph der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur anzeigen. Sprachtrunken, bildersatt und verzaubert habe ich den neuen Roman von Daniel Kehlmann zugeklappt: So ein Wunderbuch begegnet einem nicht jedes Jahr! Eindrücklich wie nie gelingt es Kehlmann, rund um den aus dem Spätmittelalter in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges verpflanzten Tyll Ulenspiegel einen Mummenschanz um Macht, Machtmissbrauch und den Hochseiltanz unserer Existenz zu inszenieren, der es in sich hat. Hinreißend! Denis Scheck, Druckfrisch

Lug und Trug, Gewalt und Macht sind Spielbälle des Glücks und machen vor niemandem Halt.Tyll ist das Band, das die Erzählstränge verbindet und trägt. Hin und wieder scheint er kurz abhandengekommen zu sein, bis er den Faden wiederaufnimmt und sich einbringt.

Der Leser muss kein Geschichtsgelehrter sein und die historischen Zusammenhänge ableiten, um sie im Kontext zu verstehen. Denn Daniel Kehlmann zitiert aus der Geschichte und so manche Begebenheit lässt er nur wahr erscheinen.

Mit seiner einzigartigen Erzählweise und der unvergleichlichen Kombination aus Realismus und Fantasie, die seinen Erzählungen innewohnt, und mit virtuoser Leichtigkeit hat Daniel Kehlmann ein Panorama aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges ganz im Sinne des magischen Realismus gezeichnet. Er hat mit der fernen Epoche auch unsere Gegenwart noch einmal zu neuer Kenntlichkeit gebracht.

Der bekannte Schalk, der einem schon in Kinderbüchern begegnete und womöglich immer unangenehm war - bei Kehlmann wird man ihn sehr mögen (…). 'Tyll', ein wild unterhaltsames Buch, hat Züge eines Klassikers. Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau

Es steckt viel drin in »Tyll«, diesem nicht nur trickreichen, sondern auch enorm unterhaltsamen Roman. Doch scheint es manchmal, als sei Kehlmann der zitatistische Erzählspaß, das literarische Spiel wichtiger als ernsthaft „eine aus den Fugen geratene Welt“ zu porträtieren. So als wolle er lieber doch nicht die ferne Vergangenheit mahnend nah an unsere Gegenwart koppeln.

Literatur [ >> ]:

Tyll
Tyll
von Daniel Kehlmann

Rezension:

Tyll Rezension
»Tyll« von Daniel Kehlmann - Rezension
von Joachim Weiser

Freitag, 10. November 2017

Arnold Zweig 130. Geburtstag

Arnold Zweig

Arnold Zweig wurde vor 130 Jahren am 10. November 1887 im schlesischen Glogau als Sohn eines Sattlers geboren. Arnold Zweig war ein deutscher Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Er schrieb zahlreiche Romane, Novellen, Dramen und Essays.

Zweig besuchte die Kattowitzer Realschule als eher durchschnittlicher Schüler und legte im Jahre 1907 sein Abitur ab.Zweig studierte u. a. in Breslau, München, Berlin Germanistik, moderne Sprachen, Philosophie und Psychologie. Bekannt wurde er mit »Novellen um Claudia« (1912). Sein literarisches Debüt war 1912 der Band »Novellen um Claudia«. 1915 erhielt er für die Tragödie »Ritualmord in Ungarn« den Kleist-Preis.

Er war im Ersten Weltkrieg Armierungssoldat in Serbien und vor Verdun, ab 1917 Schreiber und Zensor in der Presseabteilung Ober-Ost. Von 1919 bis 1923 lebte er am Starnberger See, danach in Berlin. Die Erfahrungen im Ersten Weltkrieg sollten den späteren Schriftsteller präen. Neben Novellistik und Dramatik entstanden in dieser Zeit Publikationen und Vorträge über Judentum, Antisemitismus und die Lehre Sigmund Freuds.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden Zweigs Bücher im Rahmen von Bücherverbrennungen öffentlich verbrannt. Zweig emigrierte 1933 zuerst in die Tschechoslowakei, dann in die Schweiz und schließlich nach Sanary-sur-Mer (Frankreich). Seine zionistische Einstellung führte ihn von dort weiter ins Exil nach Palästina, wo er sich 1934 in Haifa niederließ.

Der große jüdische Romancier, der mit seiner Frau in Palästina Schutz gesucht hatte, konnte sich lange nicht entscheiden, wohin er nach dem Krieg ziehen sollte.

1948 kehrte Arnold Zweig aus dem Exil nach Ost-Berlin zurück. Als bekennender Sozialist wurde er in der Sowjetischen Besatzungszone und der späteren DDR geehrt.

1957 wurde er Präsident des P.E.N.-Zentrums zunächst für ganz Deutschland, nach dem Bau der Mauer ab 1967 für die DDR. Als Zionist und politischer Sozialist bekannte er sich klar zum Humanismus.

Arnold Zweigs Weg vom Nietzscheaner und Kunstästheten der Vorkriegsjahre zum Zionisten, vom kurzzeitigen Kriegsjubler zum zeitweise bekennenden Pazifisten ist gezeichnet von Brüchen wie von Kontinuitäten. Die "Hölle von Verdun", das Sterben in den Materialschlachten und die Reflexion der gesellschaftlichen Hintergründe des Ersten Weltkriegs wurden zentrale Themen seiner großen Romane.

Novellistik, Dramatik, Romane u. a. Der Zyklus »Der große Krieg der weißen Männer«: »Der Streit um den Sergeanten Grischa« (1927), »Junge Frau von 1914« (1931), »Erziehung vor Verdun« (1935), »Einsetzung eines Königs« (1937), »Die Feuerpause« (1954), »Die Zeit ist reif« (1957), »De Vriendt kehrt heim« (1932), »Das Beil von Wandsbek« (1943 in Hebräisch, 1947 in Deutsch), »Traum ist teuer« (1962).

Der Antikriegsroman »Der Streit um den Sergeanten Grischa« (1927) wurde zu einer der bedeutendsten Abrechnungen der deutschen Literatur mit der Unmenschlichkeit des Krieges.

»Junge Frau von 1914« entstand 1931 und ist Teil des Romanzyklus "Der große Krieg der weißen Männer" über den Ersten Weltkrieg.

Der Roman ist das Kernstück des mehrteiligen Zyklus »Der große Krieg der weißen Männer«. Der Zyklus besteht aus sieben Bänden aus dem Zeitraum von 1927 bis 1958 und beschreibt vor allem die Zeit des Ersten Weltkrieges.

Seine Lebensgeschichte führte den Autor von Schlesien (heute Polen) über Berlin im damaligen Preußen nach Palästina und wieder zurück nach Berlin. Arnold Zweig starb am 26. November 1968 in Ost-Berlin.

Literatur:

Der Streit um den Sergeanten Grischa
Der Streit um den Sergeanten Grischa
von Arnold Zweig

Junge Frau von 1914
Junge Frau von 1914
von Arnold Zweig

Biografie:

Junge Frau von 1914
Um Deutschland geht es uns. Arnold Zweig: Die Biographie
von Wilhelm von Sternburg

Samstag, 21. Oktober 2017

»Demian« von Hermann Hesse vollendet

Demian
Demian

Im Herbst 1917, vor 100 Jahren, wurde Hermann Hesses Roman »Demian« vollendet, aber erst zwei Jahre später veröffentlicht. »Demian« zählt zu Hesses Frühwerken und erzählt die Geschichte von Emil Sinclairs Jugend. »Demian« ist ein klassischer Roman der Selbstentwicklung. Das Buch reflektiert nicht nur Hesses gleichzeitig psychoanalytische Behandlung, sondern auch die eher allgemeine Begegnung des Menschens mit der Modernität. Dem Leser werden eine Reihe von Selbstdarstellungen Emil Sinclairs (Max Demian, Pistorius, Frau Eva) spendiert. Für Hesse spielen diese Figuren eine zentrale Rolle in der Entwicklung eines jungen Menschens, sie führen diese Menschen in neue Lebensphasen.

Daß dieses im Herbst 1917 vollendete Buch erst im Juni 1919, ein halbes Jahr nach Kriegsende, veröffentlicht wurde, lag an der Unbekanntheit des Verfassers. Denn Hesse hatte das Manuskript dem Verlag als das Erstlingswerk eines kranken jungen Dichters empfohlen, des zeitkritischen Poeten Emil Sinclair, der bisher nur in Zeitungen und Zeitschriften durch pazifistische Mahnrufe und Erzählungen aufgefallen war (die gleichfalls von Hesse stammten). Doch trotz des Inkognitos erlebte das Buch eine geradezu stürmische Aufnahme und wurde noch im Erscheinungsjahr mit dem Fontane-Preis für das beste Erstlingswerk eines Nachwuchsautors ausgezeichnet.


"Ja, man muß seinen Traum finden, dann wird der Weg leicht. Aber es gibt keinen immerwährenden Traum, jeden löst ein neuer ab, und keinen darf man festhalten wollen."

Hermann Hesse, Demian


Das Thema des »Demian« ist der Ausbruch des jungen Emil Sinclair aus seinem christlich geprägten Elternhaus. Es ist die Loslösung von Normen wie Kirche, Vaterland und Moral. Bei seiner Berührung mit der fremden Welt gerät Emil durch harmlose Prahlereien in Abhängigkeit von Franz Kromer. Von diesem wird er von Max Demian, einem neu zugezogenen Schüler, befreit. Emil durchläuft einen Emanzipationsprozess, in dem er mit dem Orgelspieler Pistorius über seine Träume spricht. Dabei hilft ihm der Gott Abraxas, der Gut und Böse, Göttliches und Teuflisches, Menschliches und Tierisches vereint, eine verantwortungsbewusste Einstellung zum eigenen Leben zu finden. In der Mutter von Demian, in Frau Eva, die gleich ihm und Demian das Kainsmal trägt, erkennt er schließlich die Geliebte aus seinem Traum. Er sieht sich in der Nähe der Frau zu Hause angekommen.


"Man braucht vor niemand Angst zu haben. Wenn man jemanden fürchtet,
dann kommt es daher, daß man diesem Jemand Macht über sich eingeräumt hat."
Hermann Hesse, Demian


Thomas Mann verglich die elektrisierende Wirkung des Buches mit der von Goethes Werther, da es »mit unheimlicher Genauigkeit den Nerv der Zeit traf und eine ganze Jugend, die wähnte aus ihrer Mitte sei ihr ein Künder ihres tiefsten Lebens entstanden, zu dankbarem Entzücken hinriß«. Bis zur Entdeckung des Pseudonyms im Mai 1920 erschienen drei Auflagen, denen dann unter Hesses eigenem Namen zu seinen Lebzeiten noch 93 weitere folgen sollten.

Literatur:

Demian
Demian
von Hermann Hesse

Mittwoch, 18. Oktober 2017

Heinrich von Kleist 240. Geburtstag

Heinrich von Kleist


Heinrich von Kleist wurde vor 240 Jahren am 18. Oktober 1777 in Frankfurt an der Oder geboren.

Heinrich von Kleist war ein deutscher Dichter und Dramatiker und gilt als literarisches Genie, der in einer Zeit des Umbruchs lebte und dessen Werk jedoch nicht dem Zeitgeist entsprach und in der höfischen Welt nicht zu gefallen wusste.Kleist war einer der bedeutendesten Dramatiker und Dichter des frühen 19. Jahrhunderts und wurde zum Vorbild zahlreicher Schriftsteller verschiedener Stilrichtungen. Kleist bewegte sich in romantischen Dichterkreisen ohne jedoch selbst ein Romantiker zu sein, seine bis heute modern wirkenden Dramen und Erzählungen entziehen sich allerdings eindeutig den g#ngigen literarischen und schematischen Stil- und Epochenzuordnungen.

Heinrich von Kleist

Kleist war eine der größten Begabungen der deutschen Literatur. Der vielseitig begabte Dichter Kleist beherrschte mehrere Literaturgattungen und gilt als einer der grössten deutschen Dramatiker und steht mit seinem Schaffen zwischen der Klassik und der Romantik. Er hatte mit seinem literarischen Schaffen jedoch wenig Fortune, fand keinen Gönner seiner Werke und lies sich keiner Epoche oder Stilrichtung recht zuzuordnen - letztere sind Umstände, die heute die Zeitlosigkeit seines Werkes begründen.

Kleist, das notorisch verkannte Genie, war Seismograph einer Welt im Umbruch. Er war ein Mann der Extreme, kriegserprobter preußischer Offizier einerseits, Erfinder großer Frauenfiguren und einer herzerweichenden Sprache andererseits. Er hasste als Mensch der Extreme Napoleon und liebte das entstehende Deutschland. Er war Offizier, Beamter und Journalist und der einzige wirkliche Tragiker der deutschen Literatur.


Nach einem abgebrochenen Studium ging er zunächst nach Paris meldete sich erfolglos als Freiwilliger für die französische Armee. Der rastlose und ruhmsüchtige Kleist suchte während der Napoleonischen Kriege den Ruhm auf den europäischen Schlachtfelderm, bevor er beim Briefeschreiben sein schriftstellerisches Talent entdeckte und sich der Dichtung zuwandte.

In den folgenden Jahren verfasste er seine bekanntesten Werke, darunter zeitlose Werke und Klassiker wie die Komödie "Der zerbrochene Krug", das Drama "Das Käthchen von Heilbronn" und die Erzählung "Michael Kohlhaas". Das Lustspiel "Der zerbrochene Krug" wurde von Goethe in Weimar aufgeführt, fand jedoch keinen Anklang beim Publikum.

"Ich passe mich nicht unter die Menschen."

Heinrich v. Kleist

Lebenslang wurde er von schweren seelischen Krisen begleitet. Seine zeitlosen Dramen wie "Penthesilea" oder "Der zerbrochene Krug" und Erzählungen wie "Michael Kohlhaas" gehören heute zur Weltliteratur, während sein Werk zu Lebzeiten unverstanden blieb.

Nachdem Kleist seine Tätigkeit als Tageszeitungsredakteur bei einer Zeitung in Berlin und damit eine wichitge Einnahmequelle verlor, nahm er sich am 21. November am Wannsee bei Berlin 1811 das Leben.

Es war Kleist zu Lebzeiten kein ersehnter Dichterruhm beschieden. Kleists rastloses Leben endete in einer Tragödie. Durch seinen Selbstmord am Berliner Wannsee, wo er sich und seine Freundin Henriette Vogel im November 1811 erschoss, erfüllte sich seine lebenslange Todessehnsucht.

Kleist führte ein ratloses Leben, das tragisch endete. Nachdem Kleist seine Tätigkeit als Tageszeitungsredakteur verlor, nahm er sich am 21. November 1811 das Leben.


Kleists 200. Todestag

Heinrich von Kleist - 200. Todestag - www.kulturthemen.de


Heinrich von Kleist-Zitate - www.die-zitate.de


Kleist-Biografie:

Kleist. Dichter, Krieger, Seelensucher
Kleist. Dichter, Krieger, Seelensucher
von Peter Michalzik


Peter Michalzik: Kleist. Dichter, Krieger, Seelensucher


Samstag, 14. Oktober 2017

»Peter Holtz« von Ingo Schulze

Peter Holtz
Peter Holtz


»Peter Holtz« heisst der neue Roman von Ingo Schulze. Peter Holtz ist das Alter Ego von Ingo Schulze, der sich quasi im Roman selber imaginiert. »Peter Holtz« ist ein wahrer Schelmenroman, der die Sehnsucht nach dem besseren Sozialismus weckt. Der Schriftsteller Ingo Schulze hat sich für seinen vor Roman »Peter Holtz« auch von Dostojewskis »Idiot« inspirieren lassen.

Peter Holtz wird als Kind in der DDR zum Leben erweckt. Er ist ein eigensinniges, schlaues Kind, das in einer Gaststätte der DDR isst und trinkt und aber nicht bezahlen möchte, weil im Sozialismus das Geld doch keine Rolle spielen sollte. Auch wenn die Kellnerin nicht überzeugt ist und die Polizei ruft, so gibt er doch dem Leser einen Denkanstoß. Welche Rolle spielt das Geld in einer Gesellschaft? Das fragt sich Peter immer wieder.

Er möchte die Gesellschaft verstehen und zum Guten verändern. So möchte er zum Beispiel Berufssoldat werden, um sein Land zu verteidigen. Auch das stößt auf Unverständnis und Misstrauen. Aber Peter hat gute Argumente. Letztlich wird er Maurer und saniert alte Häuser, auch zum Wohle der Gesellschaft.

Ohne zu viel zu verraten, so kann man sagen, dass Peter eine erstaunliche Karriere macht, vor allem dann im Westen. Dabei verliert er sein Ziel, die Gesellschaft zum ten zu verändern, manchmal aus den Augen. Er wird reich, er kauft ein Unternehmen und eine Kunstgalerie und steht plötzlich auf der anderen Seite, die Arbeiter kämpfen gegen ihn.


Holtz will das Glück für alle. Schon als Kind praktiziert er die Abschaffung des Geldes, erfindet den Punk aus dem Geist des Arbeiterliedes und bekehrt sich zum Christentum. Als CDU-Mitglied (Ost) kämpft er für eine christlich-kommunistische Demokratie. Doch er wundert sich: Der Lauf der Welt widerspricht aller Logik. Seine Selbstlosigkeit belohnt die Marktwirtschaft mit Reichtum. Hat er sich für das Falsche eingesetzt? Oder für das Richtige, aber auf dem falschen Weg? Und vor allem: Wie wird er das Geld mit Anstand wieder los? Peter Holtz nimmt die Verheißungen des Kapitalismus beim Wort.

Der Roman ist in einzelnen Episoden geschrieben. Jede Episode erzählt eine Begebenheit aus dem Leben des Peter Holtz. Das ist meist sehr komisch, voller Humor, witzigen Dialogen, aber immer regt uns Peter auch zum Nachdenken darüber an, welche Sichtweise denn nun die richtige wäre. So sonderbar seine Ansichten manchmal scheinen, so fragt man sich doch, ob das, was wir für selbstverständlich halten, nicht manchmal noch sonderbarer ist.

Peter Holtz
Peter Holtz


Peter ist jemand, der sich politisch engagiert, der für das kämpft, woran er glaubt, er ist mutig, er zweifelt, scheitert und fängt hartnäckig von vorne an, er gibt nicht auf. Ob es um den Kommunismus oder den Kapitalismus geht, der Roman stellt die Frage, wie wir heute eine gerechte Gesellschaft verwirklichen könnten und wofür wir zu kämpfen bereit sind. So absurd die Szenen manchmal sind – und das Ende ist verblüffend phantastisch – so sind die Anstöße, sie der gibt, von weitreichender sozialer und politischer Dimension.

Peter Holtz als alter Ego von Ingo Schulze ist in jungnen Jahren ein Kommunist, der durch die Wendezeit mäandert, eigentlich will er Sozialismus, nur besser als in der DDR, aus Versehen und unverhofft wird er dann Kapitalist, um am Ende doch dem Mammon zu entsagen. Holtz ist eine holzige Marionette, die Schulze ungelenk spielt, die Story wirkt von vorne bis hinten unglaubwürdig, konstruiert ohne aber eine spannende surreale oder amüsante Welt zu schaffen, der Anspruch ist sozialistischer Realismus, getarnt als "Schelmenroman".

Die Sehnsucht nach dem besseren Sozialismus beherrscht den deutschen Kulturbetrieb von Böll über Biermann bis heute. Darum ist das Buch in der Grundaussage natürlich sehr anschlussfähig für das Feuilleton, das sich auch schon lobend äußert. Es ist aber leider sterbenslangweilig und würde wohl nicht einmal in der DDR zensiert.

Literatur:

Peter Holtz
Peter Holtz
von Ingo Schulze

Samstag, 30. September 2017

Jurek Becker 80. Geburtstag

Jurek Becker

Jurek Becker wurde vermutlich am 30. September 1937 in Łódź, Polen als Jerzy Bekker geboren. Jurek Becker war ein deutscher Schriftsteller, Drehbuchautor und DDR-Dissident.

Jurek Becker verbrachte die ersten Jahre seines Lebens in dem Ghetto seines Geburtsortes. Mit 7 Jahren (1944) wurde er von seinen Eltern getrennt und nach Sachsenhausen in das KZ-Außenlager (Wusterhausen) gebracht. Nachdem der Krieg zu Ende war, fand ihn sein Vater als Überlebender aus Auschwitz wieder. Abgesehen von ihm, seinem Vater und einer Tante, hat kein weiteres Familienmitglied die Kriegszeit überlebt.

1945 zogen Vater und Sohn nach Berlin-Ost und er machte dort im Jahr 1955 sein Abitur. Im Jahr 1957 fing er ein Philosophiestudium gegen den Willen seines Vaters an, denn dieser hoffte, dass sein Sohn einmal Arzt werden würde.

1960 wurde er nach sechs Semestern von der Universität gewiesen. Dies hatte politische Gründe, die aus der Überwachung durch die Stasi seit 1959 resultierten. Anschließend wurde er freier Schriftsteller.


1962 wurde Jurek Becker fest angestellter Drehbuchautor. Nachdem jedoch sein Drehbuch »Jakob der Lügner« 1968 abgelehnt wurde, änderte er es zu seinem ersten Roman um, welcher 1969 erschien.

Er schrieb Texte für das Kabarett »Die Distel« und Filmdrehbücher. Mitte der sechziger Jahre schrieb er das Drehbuch zum Film - eine Shoah-Geschichte. Das Drehbuch wird - trotz fehlender historischer Rolle der sowjetischen Befreier, trotz fehlenden Heroismus überhaut - von den Behörden der DDR genehmigt.

Sein berühmtestes Buch, »Jakob der Lügner«, wurde bisher zweimal verfilmt. Die Verfilmung durch die DEFA war für den Oscar als bester ausländischer Film nominiert (1974).

Am Schreibtisch kann ich ein kleines bißchen fliegen.

Jurek Becker

Im Jahr 1976 unterzeichnete der politisch engagierte Jurek Becker mit elf weiteren Schriftstellern einen Brief gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns, was mit dem Ausschluss aus der SED und aus dem Vorstand des Schriftstellerverbands der DDR bestraft wurde. Der Roman »Der Boxer« erschien.

1977 trat Jurek Becker aus Protest gegen den Ausschluss Reiner Kunzes aus dem Schriftstellerverband aus und zog mit Genehmigung der DDR-Behörden in den Westen, da seine Bücher in der DDR nicht mehr verlegt und Filmprojekte abgelehnt wurden.

Von 1978 bis 1984 erschienen zwei weitere Romane »Schlaflose Tage« (1978) und »Aller Welt Freund« (1982) und eine Sammlung von Erzählungen »Nach der ersten Zukunft« (1980). Jurek Becker war Gastprofessor an Universitäten und hielt mehrere programmatische Vorträge.

Von 1978 bis 1984 erschienen zwei weitere Romane, »Schlaflose Tage« 1978 und »Aller Welt Freund« 1982. 1986 schrieb er das Drehbuch für die erfolgreiche Fernsehserie »Liebling Kreuzberg«, wofür er ein Jahr später mit Gold ausgezeichnet wurde. Sein Roman »Jakob der Lügner« wurde bisher zweimal Verfilmt. 1974 wurde das von der DEFA verfilmte Werk für einen Oscar nominiert.

Jurek Becker war bis 1976 im Vorstand des Schriftstellerverbandes der DDR und bekam unter anderem den Nationalpreis der DDR für Literatur.

Jurek Becker starb am 14. März 1997 in Sieseby, Schleswig-Holstein.

Literatur:

Jakob der Lügner
Jakob der Lügner
von Jurek Becker


Weblink:

Das Rätsel - glasmacher.blogspot.de

Dienstag, 5. September 2017

August Wilhelm Schlegel 250. Geburtstag


August Wilhelm Schlegel wurde vor 250 Jahren am 8. September 1767 in Hannover als vierter Sohn des evangelisch-lutherischen Pastors Johann Adolf Schlegel und dessen Ehefrau geboren. August Wilhelm Schlegel war ein deutscher Literaturhistoriker und -kritiker, Übersetzer, Alt-Philologe und Indologe. Er lehrte an der Universität Jena als außerordentlicher Professor.

Zusammen mit seiner Frau Caroline Schlegel, seinem Bruder Friedrich und dessen Frau Dorothea Schlegel, Johann Gottlieb Fichte, später auch Ludwig Tieck und Novalis prägte er die neue „romantische Schule“. Von seinem unerschütterlichen Glauben an die eigene Mission angetrieben, die Welt zu Romamtisieren.

August Schlegel wurde u. a. durch seine Shakespeare-Übersetzungen und als Herausgeber einer Vielzahl von Texten der Frühromantiker bekannt. Als Übersetzer machte er sich um die italienische, spanische und portugiesische Literatur verdient. Seine Hauptleistung ist aber die Übersetzung von 17 der Stücke Shakespeares. Seine Hauptleistung ist aber die Übersetzung von 17 der Stücke von Wiliam Shakespeare.


August Wilhelm Schlegel gilt als der wichtigste Sprachphilosoph der deutschen Frühromantik sowie als Mitbegründer der altindischen Philologie. Er war Mitarbeiter an Schillers Zeitschrift »Horen«, dem »Musenalmanach« und der »Jenaer Allgemeinen Literatur-Zeitung«.

Mit seinem Bruder Friedrich teilte er sich die Herausgeberschaft der Zeitschrift »Athenäum«. Später war er Herausgeber der Indischen Bibliothek.

An literarischen Werken verfasste er - wie auch Shakespeare - Sonette, Balladen und Dramen. Blieben seine eigenen literarischen Werke auch unbedeutend und ohne Erfolg, so sind seine Verdienste für die deutsche Literatur als Übersetzer, zum Teil gemeinsam mit Ludwig Tieck (und dessen Tochter Dorothea sowie Wolf von Baudissin), unbezweifelbar und maßgebend.

August Wilhelm Schlegel gilt zusammen mit seinem Bruder Friedrich als wichtigster Initiator der literarischen Romantik in Deutschland. Beide versammelten einen Kreis hochrangiger Literaten, wie Novalis, Ludwig Tieck oder Friedrich Wilhelm Joseph Schelling um sich und legten das Fundament für eine literarische Strömung, die das erste Drittel des 19. Jahrhunderts beherrschte und auch danach noch zahlreiche Anhänger fand.

Mit den Ideen der Französischen Revolution geraten nicht nur die politischen Verhältnisse in Europa ins Wanken. Eine ganze Generation von jungen Dichtern und Philosophen beschließt, die Welt neu zu denken. Die führenden Köpfe – darunter die Brüder Schlegel mit ihren Frauen, der Philosoph Schelling und der Dichter Novalis – trafen sich in der thüringischen Universitätsstadt an der Saale, um eine »Republik der freien Geister« zu errichten.

So war Jena um 1800 ein munterer Versammlungsort deutscher Geistersgrößen. 1798 kam August Schlegel nach Jena, im gleichen Jahr wie Schelling, der seinen Tübinger Freund Hegel (1801) ebenfalls später nach Jena kommen ließ.

Sie stellen nicht nur gesellschaftliche Traditionen in Frage, sie revolutionieren mit ihrem Blick auf das Individuum und die Natur zugleich auch unser Verständnis von Freiheit und Wirklichkeit.

August Wilhelm Schlegel starb am 12. Mai 1845 in Bonn.


Literatur:


Jena 1800: Die Republik der freien Geister
von Peter Neumann

Weblinks:

Frühromantik - Wikipedia.org

Romantik - wortwuchs.net

Heidelberger Romantik - wortwuchs.net


Blog-Artikel:

Clemens Brentano 175. Todestag