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Samstag, 30. Mai 2015

Dante Alighieri 750. Geburtstag

Dante Alighieri


Dante Alighieri wurde vor 750 Jahren vermutlich im Mai oder Juni 1265 in der Pfarrei S. Martino del Vescovo in Florenz geboren. Dante Alighieri war ein berühmter italienischer Dichter und gilt als »Vater der italienischen Dichtung«. Er ist der bekannteste Dichter des Italienischen und gilt als einer der bedeutendsten Dichter des europäischen Mittelalters.

Über Dantes Lebenslauf sind fast keine gesicherten Daten überliefert. Nahezu alles, was über das Leben des Dichters bekannt ist, beruht auf Angaben oder Andeutungen, die Dante selbst in seinen Werken macht. Was man genauer weiß: Dante ist der größte Dichter Italiens.

Dante war Zeit seines Lebens in politische Parteikämpfe verwickelt. Aus diesem Grunde wurde der Fiorentiner 1302 aus seiner Heimatstadt vertrieben und ging danach in Oberitalien auf Wanderschaft. Er besuchte zahlreiche Städte und Höfe und landete am Ende in der Stadt Ravenna.

Dante Alighieri

Für die Jahre des Exils fehlen externe Dokumente nahezu vollständig, andererseits ist Dantes Werk so überreich an Anspielungen auf Orte, Personen und zeitgenössische Vorgänge, dass sich der biografisch orientierten Forschung ein unerschöpfliches Feld für mehr oder minder plausible Vermutungen über den weiteren Lebensweg Dantes aufgetan hat, abgesehen davon, dass kaum eine Stadt oder Kleinstadt Italiens auf die Ehre verzichten möchte, von Dante womöglich einmal besucht worden zu sein.

Wahrscheinlich ist, dass er sich ab 1302 überwiegend in Ober- und Mittelitalien aufhielt und zeitweise in Verona bei Bartolomeo della Scala (1303/1304), in Treviso bei Gerardo da Camina (1304–1306) und in der Lunigiana (einem Gebiet in Massa-Carrara im Norden der Toskana) bei den Grafen Malaspina (1306 u. ö.) Aufnahme und Unterstützung fand.


Dantes Werk schöpft souverän aus der Theologie, der Philosophie und den übrigen Wissenschaften (Artes liberales) seiner Zeit. Es bezieht sich kunstvoll auf Vorbilder in der italienischen, provenzalischen, altfranzösischen und lateinischen Dichtung. Dante verbindet dabei Gelehrsamkeit und literarische Bildung mit einem hohen Maß an Eigenständigkeit in der gedanklichen Aneignung und im sprachlichen und poetischen Ausdruck.

Wie kein anderer Dichter vor ihm stellt er die eigene Person als Liebender und Leidender, als Irrender und Lernender in den Mittelpunkt seiner Werke. Er spricht sich dabei nicht einfach selbst bekenntnishaft aus und macht sich nicht schlicht zum Chronisten seiner persönlichen Entwicklung, sondern stilisiert das Ich seiner Werke – deren lyrisches, erzählendes oder lehrhaftes Ich und die Erfahrung, die es zur Sprache bringt

»Dante und die göttliche Komödie«, Fresko von Domenico di Michelino, 1465

Die »Göttliche Komödie« gilt als das bedeutendste Dichtung des europäischen Mittelalters. In Dantes Hauptwerk wird eine Reise durch die drei Stationen des Jenseits beschrieben: die Hölle, das Fegefeuer und das Paradies. Unterwegs begegnet Dante einer Reihe historischer, biblischer und legendärer Gestalten. Das Werk illustriert ewige katholische Wahrheiten.

Dante wurde mit der »Göttlichen Komödie« zum Schöpfer der italienischen Literatursprache. Das Werk ist in toskanischer Mundart geschrieben, die so zur italienischen Schriftsprache wurde. Dies brachte ihm den Titel »Vater der italienischen Dichtung« ein.

Nach dem Tod des Königs Heinrichs VII., den er in seiner »Göttlichen Komödie« zum "alto Arrigo" stilisierte, im Jahr 1313, zerschlugen sich die politischen Hoffnungen Dantes. Ein als schmählich empfundenes Angebot seiner Vaterstadt, bei Zahlung einer Geldbuße und Leistung einer öffentlichen Abbitte nach Florenz zurückkehren zu dürfen, lehnte Dante ab.

In der Folgezeit hielt er sich zeitweise wieder in Verona am Hof der Scala und ab 1318 in Ravenna bei Guido Novello da Polenta auf. Während einer Mission im Auftrag Guidos in Venedig erkrankte er und starb nach seiner Rückkehr in der Nacht vom 13. auf den 14. September 1321 in Ravenna, wo der Dichter auch begraben liegt.



Literatur:

Göttliche Komödie
Göttliche Komödie
von Dante Alighieri


Blog-Artikel:

»Göttliche Komödie« von Dante Alighieri - Literatenwelt-Blog - literatenwelt.blogspot.de

Samstag, 23. Mai 2015

»Vater« von Miljenko Jergović

Vater
Vater

Miljenko Jergović gehört zu den großen und bedeutendsten Erzählern Osteuropas. Zu seinen bekanntesten Werken gehören »Das Walnusshaus«, »Sarajewo Malboro« und »Freelander«. Jergović erzählt seine Geschichten in den Farben und Schattierungen des Balkans. Auf staunenswerte Weise gelingt es ihm in seinen Büchern, Schicksale von Einzelnen als Teil ihrer Gesellschaft zu schildern.

Miljenko Jergović, geboren 1966 in Sarajevo, lebt in Zagreb. Er arbeitet als Schriftsteller und politischer Kolumnist und ist einer der großen europäischen Gegenwartsautoren. Seine Bücher sind in zahlreiche Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet worden.

Zu seinem Vater hatte der bosnische Schriftsteller zu Lebzeiten kaum Kontakt. Grund nun für eine literrarische Annäherung: In seinem Buch nähert er sich ihm an, sarkastisch, scharfsinnig und spannungsreich. Sein neuer Roman »Vater« ist eine literarische Annäherung an seinen Vater.



"Wir standen uns nicht nah,
obwohl es immer hieß,
ich sei ganz der Vater."


Das letzte Telefonat zwischen Vater und Sohn löst eine Flut von Erinnerungen aus: In seinem neuen Buch taucht Miljenko Jergović in die Abgründe seiner eigenen Familie ein und beleuchtet die tragischen Verwicklungen seiner Heimat. Er schildert seine Seelenlage und Beziehung zu seinem Vater. Er beschreibt den Lebensweg seines Vaters, eines angesehenen Arztes und Experten für Leukämie, dessen Einsatz für die ländliche Bevölkerung und politische Haltung. Zugleich bezieht er kritisch Stellung zur kroatischen Geschichte und dem Umgang mit der faschistischen Vergangenheit.

Sein autobiografisch gefärbter Roman »Vater« lässt sarkastisch, scharfsinnig und spannungsreich komponiert Pantoffeln, Alkoholgeschenke und Wäschereigerüche als Bestandteile der Identität sprechen. Jergović rückt der zu Lebzeiten ferne Vater zunehmend näher, denn die Ähnlichkeit zwischen ihnen ist groß. Oft münden die Erinnerungen, mit deren wechselnden Tonlagen die Übersetzerin Brigitte Döbert innig vertraut wirkt, in harte, apodiktische Sätze.

Da wühlt einer tief in den eigenen Wunden, auch und gerade dann, wenn er sich eine deutsch anmutende Neukonzeption der kroatischen Nation wünscht, die kollektive Verantwortung für den Völkermord an Serben, Juden und Roma übernehmen solle, statt die Kroaten unter Hinweis auf die Taten der Nachbarn rein zu waschen.

Wie schon im multikulturellen, multiethnischen Sarajevo der Vorkriegszeit ist auch im Zagreb der Gegenwart eine gefährdete Zugehörigkeit die Voraussetzung des Jergovićschen Schreibens – in der Emigration wäre er kein Schriftsteller. Miljenko Jergović schreibt, um das nicht Sagbare auszudrücken und zu verstehen. Etwa, dass eine Mutter ihren todkranken Sohn leiden lässt, weil er Gott und Vaterland verraten habe.

Der Roman ist eine Mischung aus Erzählung, politischem Essay und Autobiografie. Eine Erzählung über seine Vorfahren und gleichzeiig ein Stück unbewältigte Vergangenheit. Der Vater-Essay ist der groß angelegte Versuch, das familiäre und das nationale Schweigen über den Krieg und die Verstrickung zur Sprache zu bringen.

Ohne Pathos, mit Witz und einer Portion Sarkasmus schildert Miljenko Jergović die jugoslawische Lebenswirklichkeit, die das Schicksal seines Vaters bestimmte und damit auch den Sohn prägte. Vater ist das literarische Dokument seiner Familie: Leidenschaftlich und pointiert erzählt er anhand ihrer Lebensstationen von den historischen Auseinandersetzungen auf dem Balkan und deren Auswirkungen bis heute.

»Vater« ist ein großartige Erzählung und zugleich ein Stück Weltliteratur. Mit seinem Werk trägt er zum Frieden und zur Friedenssicherung bei und ganz nebenei ist es ein süffiges Stück Weltliteratur.

Weblink:

Vater
Vater
von Miljenko Jergović

Donnerstag, 21. Mai 2015

Titos Patrikios 85. Geburtstag

Titos Patrikios

Titos Patrikios wurde am 21. Mai 1928 in Athen geboren. Er gilt in Griechenland als einer der bedeutendsten Lyriker der Neuzeit und als graue Eminenz der Gesellschaftskritik. Außerdem ist er ein Nationalheld, denn er war Mitglied des Widerstandes im Zweiten Weltkrieg und entging nur knapp der Exekution.

Titos Patrikios hielt sich an seine Ideale nach der Niederlage der griechischen Linken in den 1940er und kämpfte gegen die Korruption in späteren Jahren gegen moralischen Verfall und Kompromisse, gegen die Unterdrückung des Individuums. Seine Kombination von politischem Engagement und Skepsis über die menschliche Spezies, auf die "leise" seiner Dichtung aufgenommen hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die "Generation 70".

Während der deutschen Besetzung trat er eine linke Widerstandsgruppe ein und entkam nur kanpp dem Tode durch die Hände von Kollaborateuren. Er veröffentlichte sein erstes Gedicht in 1943. Nach dem Bürgerkrieg wurde er für seine linksgerichteten Sympathien verhaftet und am 'Konzentration Inseln "für drei Jahre inhaftiert.

Im Jahr 1954 veröffentlichte er sein erstes Buch mit Gedichten und förderte die Gründung der progressiven Zeitschrift »Epitheorisi Technis«, eine Kunst-Zeitschrift, zu der er Features, Rezensionen und Poesie beigetragen hat. In jenen Jahren war er als Rechtsanwalt, Journalist und Übersetzer tätig.

Von 1959 bis 1964 absolvierte er Aufbaustudiengänge in Soziologie und Philosophie in Paris. Ab 1964 war er als Leiter der Forschung bei der griechischen Zentrums für Sozialwissenschaften, bis ihn die Militärdiktatur (1967-1974) zur Flucht nach Italien und Frankreich zwang. Seit seiner Rückkehr nach Athen war er als Rechtsanwalt, Soziologe und Übersetzer tätig.

Eine dreibändige Ausgabe seiner Gedichte erschien 1998: »Gedichte I, 1943-1953«, »Gedichte II, 1953-1959« und »Gedichte III, 1959-1973«. Abgesehen von fünfzehn Gedichtsammlungen hat Patrikios Aufsätze und drei Bücher der Prosa veröffentlicht. Er übersetzte Werke von Lukács, Aragon, Stendhal, Balzac und Valéry.

Seine Poesie wurde in Französisch, Englisch, Deutsch, Italienisch, Spanisch, Russisch, Serbokroatisch, Arabisch und andere Sprachen übersetzt. Im Jahr 1992 ehrte ihn Italien mit dem internationalen Poesie-Preis "Salerno 92" und im Jahr 1994 erhielt er den nationalen griechischen Poesie-Preis für sein Gesamtwerk.

Samstag, 16. Mai 2015

Poesie der Stille

Die Stille ist eine poetische Kraft, die ihre eigene Poesie in der Literatur entwickelt hat und die sich in der Poesie der Stille entfaltet. Gerade in der Romantik hielt die Stille Einzug. Die Romatiker ware bsonderss empfänglich für die Poesie der Stille.

Stille kann die Vorahnung auf ein nahendes (negatives) Ereignis wie z.B. „die Ruhe vor dem Sturm“ symbolisieren oder die Auseinandersetzung mit der Möglichkeit des eigenen Todes. Die bewusst eingesetzte Stille in Bühnenstücken, Spielfilmen oder als rhetorisches Element beim Vortrag von Reden oder Gedichten dient der dramaturgischen Erhöhung der Spannung.

Literarisch umschrieb man besonders lautlose Situationen mit „Grabesstille“ oder „Totenstille“ , da man verschiedene sehr geräuscharme Momente mit der Atmosphäre eines menschenleeren Friedhofs oder einer Gruft in Verbindung brachte.

Gerade in der Romantik hielt die Stille Einzug in zahlreichen Werken. Literarisch fand die Stille in Werken von Adalbert Stifter, Joseph von Eichendorff ihren Ausdruck. Er bringt es fertig mit Sprache Bilder einer Natur zu malen, die es dem Leser nahezu ermöglich den Tau im Moos, den Wind im dünnen Geäst und den Morgennebel über dem Wald zu spüren.

Sonntag, 10. Mai 2015

»Rock, Rinder und die Posaunen der Poesie« von Frank Witzel

Rock, Rinder und die Posaunen der Poesie


»Rock, Rinder und die Posaunen der Poesie« von Frank Witzel spielt im ländlichen Hessen und erzählt eine Geschichte von Jugendlichen und ihrer Entwicklung auf dem Lande in einer sich verändernden Umwelt. Im Roman »Rock, Rinder und die Posaunen der Poesie« erinnert sich der Feuilletonredakteur Friedrich an die Zeit, als er als Neunzehnjähriger Anfang der achtziger Jahre seine alle bisherigen Kategorien sprengende, große Liebe Lena kennengelernt hat. In einer bilderreichen, anarchisch-wilden Sprache schildert er den Dauerrausch ihrer Verliebtheit. Darüber hinaus schreibt er über sein geborgenes und abenteuerliches, aber auch spannungsreiches Leben auf dem Land in Hessen.

Im Fokus stehen dabei die Erlebnisse Friedrichs mit seinen Freunden Herbert, Norbert, Kunz und Holger und ihre Verwandlung von braven Schülern zu poetischen, obsessiv nach dem Sinn des Lebens suchenden und subversiven Landhippies, die ungebärdig gegen fast alles und jeden aus der Erwachsenenwelt revoltieren. Eine wichtige Rolle dabei spielt die seelische Befreiung und die Anstiftung zum intensiven Leben durch die Rock- und Folkmusik der Gegenkultur. Auch die Freiheit und Respektlosigkeit der Literatur, der Kunst (Vincent van Gogh) und der modernen Theologie wie auch der Philosophie haben Friedrich und seinen Freunden den Mut zum Protest gegen das erstarrte Bestehende gegeben und sie zu einem freien Leben im Einklang mit ihrer Persönlichkeit und also zu einem ungestüm-poetischen Leben inspiriert.

Friedrtich erfährt auf einem Schulfest, dass die junge Frau, in die er verliebt ist, auch ihm gegenüber nicht gleichgültig ist. So ließe sich die ‚Kernhandlung‘ zusammenfassen. Aber um diesen ‚Plot‘ herum rankt sich auf mehr als fünfhundert Seiten das Lebensgefühl einer Gruppe von Jugendlichen auf dem Land(in der Nähe von Bad Hersfeld) in den siebziger, Anfang der achtziger Jahre. Subversion wird angestrebt: auf der Grundlage von Rockmusik- und Hippie Ideologie und zum Teil auch der Lektüre von Hermann Hesse, Franz Kafka, Georg Trakl, Sören Kierkegaard u.a.

Die Gesellschaftsveränderung wird nicht nur in die Zukunft projiziert sondern geschieht bereits im Hier und Jetzt und zwar zunächst einmal, indem sich der Blick auf die Welt ändert. Sie geschieht in Zusammenkünften, im Szene-Café der Kleinstadt, bei der gemeinschaftlich durchgeführten Ernte, bei Rock Konzerten, bei Diskussionsrunden

Gut nachvollziehbar die individuelle Befreiung des Protagonisten von gesellschaftlichen Strukturen, in denen jeder Ansatz von unmittelbarer Lebensfreude durch die Allgegenwart des Leistungsprinzips überlagert wird. Gut nachvollziehbar auch die Auseinandersetzung mit der als rigide und angstgesteuert empfundenen Gläubigkeit evangelikaler Kirchenkreise, die das Denken des Jugendlichen zunächst bestimmte.

Die ‚metaphernsatte‘ Sprache, der Sprachduktus, die zum Teil assoziative Gedankenführung sind Ausdruck für die Subversion des Bestehenden. Das Zusammengehen formaler und inhaltlicher Elemente scheint mir besonders gelungen. Erreicht wird der Eindruck hoher Authentizität bei der Darstellung von Zuständen und Gegebenheiten.

Friedrich, das ist Witzels Alter Ego, schwimmt, wie sich das für einen Entwicklungsroman gehört, im Meer seiner Möglichkeiten, auf unspektakuläre Weise. Die literarische Globalisierung – die Welt als Dorf, mit ständig wechselnden Schauplätzen – findet in diesem Roman nicht statt. Schauplatz ist die hessische Provinz, Vogelsberg statt Mount Everest, und dort stellt sich unser Held den Herausforderungen, mit denen alle in seinem Alter konfrontiert werden, von der ersten Liebe über die Glaubenskrise bis zum Generationenkonflikt.

Das Substrat ist die Verwurzelung des Protagonisten mit der Natur, mit der Mittelgebirgslandschaft, und da Natur und Heimat Konnotationen aufweisen, die sie in die Nähe eines Tabus rücken, darf man dem Autoren attestieren, dass seine Naturliebe auf betörende Weise schamlos ist. Dieses erdige, unschuldige, tatkräftige Aroma, das der Roman verströmt, ist wahrlich eine Erholung, wenn man sich von der Clit-Lit einer Charlotte Roche hat anwidern lassen und der Prostataliteratur der alten Männer - Philipp Roth, John Updike, Richard Ford, Joseph Heller, um nur einige zu nennen - ungeachtet ihrer Verdienste endlich überdrüssig ist.

Der geübte Leser reibt sich verwundert die Augen. Dieser hymnische, barocke, delirierende Stil. Wann hat man so etwas je gelesen? Wem oder was ähnelt das? Wem eifert Witzel nach? Wessen Epigone ist Witzel? Wer hätte je so geschrieben, wenn …? Thomas Bernhard mit guter Laune? Günther Grass, wenn seine Frau ihm einen Fliegenpilz untergejubelt hätte? Proust, wenn er ein Landgut geerbt hätte? Saint-John Perse und Wladimir Majakowski bei dem geglückten Versuch, einen Roman zu schreiben? Nie werdet ihr's erfahren.


Literatur:

Rock, Rinder und die Posaunen der Poesie
Rock, Rinder und die Posaunen der Poesie
von Frank Witzel

Samstag, 9. Mai 2015

»Mein Leutnant« von Daniil Granin

Daniil Granin

Der russische Autor Daniil Granin, 1919 in Wolyn im heutigen Gebiet Kursk geboren, hat 70 Jahre gebraucht, bis er seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg literarisch verarbeitete. Sein Roman »Mein Leutnant« ist pünktlich zum 70. "Tag der Befreiung" erschienen. Sein Roman »Mein Leutnant« ist ein zutiefst beeindruckendes Werk.

Sofort nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion im Juli 1941 meldete sich Daniil Granin als Kriegsfreiwilliger. Unerfahren und unbewaffnet wurde er „in den Fleischwolf“ des Krieges geworfen. Von der Leningrader Front wurde er in das Kampfgebiet nach Leningrad beordert.

Er erlebte die Belagerung von St. Petersburg. Später hielt der russische Schriftsteller Daniil Granin seine Erinnerungen in seinem bekannten „Blockadebuch“ fest. Granin ist einer der Autoren des bekannten „Blockadebuches“ mit Erinnerungen an die Belagerung von St. Petersburg durch die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. 2014 erinnerte er mit einer Rede im Bundestag an die Schrecken des Krieges.



„Unser Krieg war ungeschickt, unsinnig,
aber das wurde nicht gezeigt und
darüber wurde nicht geschrieben.
Unser Krieg war ein anderer.“


Der Zeitzeuge Granin will mit dem Roman zeigen, wie es damals war, im Sommer 1941, in den Schützengräben und in Leningrad. Er berichtet in seinem Buch schonungslos über seine Erinnerungen an den Sommer 1941 und die Schrecken des Krieges und erzählt eindrucksvoll die Wahrheit aus dem Schützengaben.

Aus der Perspektive des jungen Leutnants D. und aus heutiger Sicht hinterfragt Granin die Wahrheiten der Vergangenheit und der Gegenwart. Unbewältigte Kriegstraumata, unsinnige Menschenopfer und Verluste, die Opferung ganzer Armeen aus ideologischen Gründen, aber auch die tragische Heimkehr traumatisierter Kriegsveteranen, die mit ihren physischen und psychischen Schäden allein gelassen wurden, mit all diesen lange verschwiegenen Seiten des Krieges setzt sich Granin in diesem zutiefst beeindruckenden Roman auseinander.



„Die Lektion,die uns die Geschichte gibt,
wird nicht zur Kenntnis genommen.
Wir sehen heute wieder Krieg, Flucht und Vertreibung.“


70 Jahre nach Kriegsende setzt sich der große russische Autor Daniil Granin mit seiner „Schützengrabenwahrheit“ (1941-1944) auseinander und entwirft das vielstimmige, erschreckende und bisher unbekannte Bild eines Krieges, wie ihn weder russische noch deutsche Historiker beschreiben könnten.

Granin hat als Zeitzeuge seinen Roman auch aus der Grunderfahrung heraus geschrieben, daß die Menschheit offensichtlich aus der Erfahrung des verheerenden Krieges und seinen bis heute anhaltenden Folgen nicht allzuviel dazu gelernt zu haben scheint.

Dieser Roman ist ein erstaunlich aktuelles Antikriegs-Tagebuch gegen die Verherrlichung des Krieges und die Vereinnahmung der Geschichte durch die Mächtigen. Er wurde 2012 mit dem Preis „Großes Buch“ ausgezeichnet.

Geboren wurde Granin - eigentlich Daniil Alexandrowitsch German - am 1. Januar 1919 in Wolyn im heutigen Gebiet Kursk. Nach einem technischen Studium wurde er Soldat. Nach dem Krieg arbeitete er zunächst als Ingenieur, bevor er 1949 als Schriftsteller debütierte.


Literatur:

Mein Leutnant
Mein Leutnant
von Daniil Granin

Daniil Granin "Mein Leutnant" - MDR Mediathek - www.mdr.de/mediathek

»Der Spion, der aus der Kälte kam« von John le Carré

Der Spion, der aus der Kälte kam


Der britische Agent Alec Leamas ist für Ostdeutschland zuständig. Undercover wechselt er die Seiten, um seine Informanten zu schützen. Zu spät erkennt er, dass er Spielball einer Intrige geworden ist. Als die Frau, die er liebt, in Gefahr gerät, kommt es zum dramatischen Showdown an der Berliner Mauer. Der Spion, der aus der Kälte kam begründete John le Carrés Weltruhm.

Der abgehalftere ehemalige Berlin-Spion Spion Alec Leamas wird von seiner Behörde stiefmütterlich behandelt. Aus Frust vernachlässigt er sich und seine Arbeit. Als sich die Chance auf ein Überlaufen bietet, greift er zu.

Der Roman begibt sich in die Welt der Täuschung und Tarnung hinein und veranschaulicht die Dramatik des Ost-West-Konflikts. Er kommt ohne Geballere und allzuviel Action aus. Trotzdem bleibt er unglaublich spannend und lässt den Zuschauer immer etwas im Unklaren - Spion, Gegenspion, Verräter, Intrigant, Verbündeter. Aber das Offensichtliche - soviel ist sicher - ist seltenst die Realität.

Die Handlung kommt nur schwer in die Gänge. Der Autor hält sich sehr lange damit auf, zu beschreiben, wie der Protagonist nach dem Ende seiner Berufstätigkeit als Agent jeglichen Lebensmut und jeglichen Antrieb verliert. Wer die altmeisterliche Langsamkeit eines Krimis mag, in welchem ein realistischer Plot mit Weltgeschichte verbunden wird muss John le Carré lesen.

Hier wird eben nicht nur die Geschichte von einem Agenten erzählt, der als vorgeblicher Verräter im Kalten Krieg gen Osten geschickt wird, um ein Komplott gegen den dort führenden Geheimdienstler zu inszenieren. Vielmehr geht es in diesem Buch um Ideologie, Politik, Loyalität, Integrität, Wahrheit, Liebe – und vor allem um den Preis, den Menschen für ihre Tätigkeit zu zahlen haben. Mit anderen Worten: Es geht ums Ganze.

Es ist eine der großen Aufgaben der Literatur, allseits anerkannte Wahrheiten in Zweifel zu ziehen. Dieses Buch wirft einen schonungslosen Blick auf den kalten Krieg. Es beweist, dass es keine einfachen Wahrheiten gibt. Dass man bisweilen Werte verraten muss, um sie zu schützen, im Großen so gut wie im Kleinen.

Wer vor dem Einheitsbrei der heutigen Serienkiller flüchten möchte, sollte in die Kälte der Spionage flüchten.
Literatur:

Der Spion, der aus der Kälte kamDer Spion, der aus der Kälte kam von John le Carré

Sonntag, 3. Mai 2015

»Finale Berlin« von Heinz Rein

Finale Berlin
Finale Berlin

»Finale Berlin« von Heinz Rein ist ein 1947 veröffentlichter Roman und ein einzigariges Zeitdokument über die letzten Tage des Nazi-Regimes kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee in Berlin, der am 20. April 1945 begann. Heinz Rein ist ein Zeitzeuge und Chronist, der die letzten Tage in Berlin im Bunkerstaub, Sirenengeheul und Bombenhagel miterlebt und unmittelbar darauf in einer 800-seitigen Chronik festgehalten hat.


Die Nazi-Herrschaft steht kurz vor dem Untergang. Während die Bomben fallen, verteidigt das letzte militärische Aufgebot die Nazi-Herrschaft. Nazi-Deutschland kämpft verzweifelt gegen die Niederlage an. Von Osten rollt Stalins Millionenheer heran, im Westen führen die Alliierten ebenfalls einen erbitterten Kampf gegen die deutsche Wehrmacht. Gemeinsames Ziel ist Berlin, das Herz des Nazi-Regimes.

In den Flüchtlingskolonnen und unter den sich auflösenden deutschen Heereseinheiten fahnden Sicherheitsdienst und Gestapo immer noch nach Juden, Oppositionellen und Deserteuren. Das Misstrauen der Menschen untereinander ist groß: Jeder könnte ein Verräter sein. Inmitten des Chaos sucht der junge Soldat Joachim Lassehn verzweifelt ein Versteck.



»Finale Berlin« ist im Stile einer Reportage von einem Anitfaschisten geschrieben und montageartig zusammengesetzt. Diese Reportage ist ein bewegendes Dokument des Untergangs der Reichshauptstadt. Sie schildert auch Szenen des Alltages der Berlner in der zerbombten und zerstörten, mitten im Untergang befindlichen Stadt.

Dieses Buch ist keine große Erzählung mit erzähltechnischen Mängeln, aber ein packender Reportage-Roman im authentischen Ton eines Zeitzeugen. Das Buch fesselt als wutschnaubendes Bekenntnis eines Antifaschisten und als großes Kino rasant montierter und einprägsamer Bilder. Es ist mehr als Reportage und Zeitchronik, denn als Roman zu lesen.

»Ein Buch wie ein Schrei«, wie es im Nachwort heisst. Wer über erzähltechnische Mängel, wie z.B. einer endlosen Diskussion von Widerstandkämpfern über die Zukunft Deutschlands nach dem Krieg in einer Berliner Eckkneipe, hinwegesen kann, für den kann dieser Roman im Stile einer packenden Chronik sicher eine fesselnde Lektüre sein.

Weblink:

Finale Berlin
Finale Berlin
von Heinz Rein