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Samstag, 11. April 2020

»Die andere Seite: Ein phantastischer Roman« von Alfred Kubin


Die andere Seite

Der Zeichner und Romancier Alfred Kubin hat 1909 seinen einzigen Roman geschrieben. »Die andere Seite« ist ein phantastischer Roman, der ein düsteres, ins Irreale abgleitendes, grauenvolles Untergangsszenario beschreibt. Der einzige Roman von Alfred Kubin thematisiert die Spiegelung von Traum und Realität. Der Held gerät in ein Traumreich, in dem er sich zu einem Alptraum verstrickt.

Kubins Roman ist am ehesten mit dem klassischen englischen und amerikanischen Horrorgenre verwandt. Die stets vorhandene, unheimlich - bedrohliche Hintergrundstimmung erinnert an Stevensons Schatzinsel, an Dracula oder auch an Dr. Frankensteins Monster. Auch Kubins Protagonisten verlassen ihr zuhause, sie wenden sich müde ab von der Zivilisation, die sie verwöhnt und großgezogen hat, und gehen auf die Reise - in diesem Fall gen Osten in ein abgelegenes Territorium, gekauft von Claus Patera, "ein Mann mit dem vielleicht größten Vermögen der Welt".

Kubin interpretiert damit das in der Gattungskonvention zentrale Motiv der literarischen Imagination des ganz anderen und besseren Staates neu: Wer wie Patera und die Bewohner der Traumreichs seinem Traum, seiner Vision, seiner Utopie folgt, gerät nun tatsächlich in die "Abgründe" dieses Traumreichs.

Bei diesem Gebiet irgendwo in den Weiten Asiens handelt es sich um einen vollständig abgeriegelten Mini - Staat, genannt "Traumland". In dessen Hauptstadt, Perle, wird den Bewohnern das Paradies versprochen, doch bei der Ankunft ist Perle zunächst nichts anderes als eine schäbige Kleinstadt mit schmutzigen Hotels und Straßen mit kleinen, dürftig möblierten Häusern. Dazu passt der unnatürliche und unheilverkündende erste Eindruck: diese Stadt liegt im ewigen Dämmerlicht.

Das mitgebrachte Eigentum seiner zukünftigen Bewohner wird konfisziert, da man im Traumland "nichts vermissen" werde. Nach wenigen Wochen wird immer deutlicher: Für keinen seiner Bewohner ist dieser Zwergstaat ein verheißungsvoller oder gewinnbringender Ort, vielmehr beginnt er sich allmählich in eine skurille Hölle von Chaos, Armut und Unterdrückung zu verwandeln.



Die andere Seite

Dem Ruf seines ehemaligen Schulfreundes Patera folgend, siedelt der Erzähler mit seiner Frau in das weit entfernt liegende Traumreich Perle, irgendwo in Asien, über. Er soll teilhaben an der Erschaffung einer neuen Welt.

Das fehlende Sonnenlicht in Perle ist ein erster Hinweis auf das Grauen, das sich dort allmählich entwickelt. Patera, verantwortlich für Perle, ist ein gottähnlicher Herrscher eines Traumreichs (Zitat: "Du siehst, ich bin der Herr! - Auch ich war verzweifelt, da baute ich mir aus den Trümmern meines Gutes ein Reich. - Ich bin der Meister!").

Mit dem Erscheinen von Herkules Bell, einem Amerikaner, spitzt sich die Situation zu. Bell entwickelt sich zum erbitterten Gegenspieler von Patera. Der Machtkampf führt zur Apokalypse. Bell ist zwar der Gegner von Patera, aber alles andere als eine Lichtgestalt. Dies wird bereits in seiner Proklamation "Werdet alle Söhne Luzifers!" deutlich. Das Reich löst sich allmählich auf.

Insbesondere in der zweiten Hälfte des Romans verschmelzen Traum und Realität miteinander. Die Beschreibungen wirken grotesk. Die Auseinandersetzung zwischen Lebenswillen und Todessehnsucht führt zur Apokalypse. »Die andere Seite« von Alfred Kubin ist ein phantastischer Roman, der ein düsteres, ins Irreale abgleitendes, grauenvolles Untergangsszenario beschreibt. Traumland als negative Utopie.

Ein schönes Buch, mit wunderbaren Zeichnung des Autors als Umschlag. Ein phantastischer Vorläufer von Kafka und Inspiration für den Roman »Das Maskenspiel der Genien« von Fritz von Herzmanovsky-Orlando.

Literatur [ >> ]:


Die andere Seite: Ein phantastischer Roman
von Alfred Kubin


Die andere Seite: Ein phantastischer Roman
von Alfred Kubin


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