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Sonntag, 22. September 2013

"Mein Leben" von Marcel Reich-Ranicki


Man nannte ihn den Literaturpapst: Marcel Reich-Ranicki ist im Alter von 93 Jahren gestorben. Als Kritiker prägte er über Jahrzehnte das bundesdeutsche Verständnis von Literatur. Die Sendung "Das Literarische Quartett" machte ihn zum Fernsehstar, seine Memoiren "Mein Leben", in denen er seine Verfolgung durch die Nazis verarbeitete, waren ein Bestseller.

Dieser streitbare wie unnachahmliche Großkritiker, mit dem eigenen, viel zitierten und bespöttelten, Sprachduktus, war Fluch und Segen für ein verunsichertes Land, das den Krieg gerade aus den Ärmeln schüttelte und mit Literatur unbekanntes Terrain betrat. Reich agierte zuweilen wie der kleine Trommler aus Günter Grass´ "Die Blechtrommel." Er hinterließ Scherben aber auch viel gläserne Durchsichtigkeit und Klarheit. Das müssen auch seine Gegner anerkennen.




Es war der Film Schindlers Liste«,
der Reich-Ranicki dazu bewegt hat,
seine Geschichte aufzuschreiben.




Kurz vor seinem achtzigsten Geburtstag veröffentlichte Marcel Reich-Ranicki in seiner Autobiografie "Mein Leben", die zu einem Bestseller wurde, seine Lebenserinnerungen. Der einflussreichste Literaturkritiker Deutschlands, der eher seine Leser, Hörer und Zuschauer polarisierte, blickt hier ungewohnt leise und versöhnlich auf sein bewegendes Leben zurück. Marcel Reich-Ranicki blickt zwar auf ein Leben voller Brüche, aber auch auf eines, dass man als geglückt bezeichnen darf, klug und niemals selbstverliebt.


Über sein bewegtes Leben hat er - natürlich auch als Zeitzeuge - viel zu erzählen. In Polen im Jahr 1920 geboren, kommt er als Neunjähriger nach Berlin. Hier besucht er ein humanistisches Gymnasium und liest schon mit zwölf lieber Schiller als Karl May. Er ist enthusiastischer Theatergänger und hat in der ausgehenden Weimarer Zeit noch Gelegenheit, die größten Darsteller ihrer Zeit auf der Bühne zu bewundern. Doch bald sind die nach Hitlers Machtergreifung immer deutlicher werdenden Repressalien für Juden auch für Marcel Reich unübersehbar. Ihm gelingt es noch, sein Abitur abzulegen, dann wird er nach Polen deportiert.

Warschauer Ghetto

Er leidet unter unmenschlichen Bedingungen im Warschauer Ghetto, flüchtet mit seiner jungen Frau Tosia und wird von einfachen Menschen auf dem Land versteckt. Nach dem zweiten Weltkrieg will er zunächst in Polen bleiben, wird aber mit seiner offen-streitbaren Art bald zum Risiko, so dass er 1958 während einer Studienreise nach Deutschland zurückkehrt. Sehr bald macht er sich als Literaturkritiker einen Namen, es beginnt ein sagenhafter Aufstieg zur literarischen Instanz, die seit 1988 durch seine Fernsehsendung "Das literarische Quartett" eine ungeheuer große Bekanntschaft für Marcel Reich-Ranicki bedeutet.

Autobiografie »Mein Leben« von Marcel Reich-Ranicki:






Marcel Reich-Ranicki ist ein profunder Kenner der Literatur - der deutschen zumal. Es ist seine Kennerschaft, die ihm viel Bewunderung und vor allem auch den Respekt seiner Gegner einbrachte. Marcel Reich-Ranicki hat zweifellos Literatur gelebt. Sein Wissen und sein klares Urteilsvermögen sind ohne Beispiel. Hinzu kommt ein mediales Talent und eine Präsenz, die bisher kein Literaturkritiker zuvor und auch niemand danach erreicht hat.

In seinen Lebenserinnerungen, die auch einen höchst unterhaltsamen Rückblick auf die deutsche Literatur des Zwanzigsten Jahrhunderts bieten, paaren sich Weitblick, Klarheit, schnörkellos-schöne Sprache. Als einer der letzten Zeitzeugen kann er noch von der fruchtbaren künstlerischen Atmosphäre im Berlin der Weimarer Zeit berichten.

Als Jude war er im Dritten Reich den Repressionen der Nazis ausgesetzt. Im Jahre 1938 wurde er, da er polnischer Jude ist, nach Warschau deportiert. Während der Zeit im Warschauer Ghetto erlebte er den Terror der Nazis. Er, der als junger Mensch die dunklen Seiten während der Nazi-Zeit am eigenen Leib kennengelernt hat und als Jude von den Nazis verfolgt wurde, hat sich mit den Deutschen, den Nachfahren seiner Feinde, und Deutschland versöhnt. Er blickt daher versöhnlich ohne Groll auf sein Leben zurück. - Sein Freund Gottschalk bezeichnete ihn als einen »Held des Vergessens«.




NAchruf:

"Ich bin ihm nahe" -Zum Tod von Marcel Reich-Ranicki - Martin Walser-Nachruf - www.zeit.de

Blog-Artikel über Marcel Reich-Ranicki:

Literatur als Wegbereiter: Zum Tode Marcel Reich-Ranickis

Zum Tode des Literaturkritikers Marcel Reich-Ranicki

weitere Blog-Artikel:

»Tagebücher 1982-2001« von Fritz J. Raddatz - Literatenwelt-Blog

Fritz J. Raddatz zum 80. Geburtstag - Literatenwelt-Blog





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