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Dienstag, 30. August 2016

Nagib Mahfus 10. Todestag

Nagib Mahfuz

Nagib Mahfus 10. Todestag jährt sich am 30. August. Mahfus starb am 30. August 2006 in Kairo.
Nagib Mahfus war ein ägyptischer Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Er galt als einer der bedeutendsten Autoren seines Landes und als einer der führenden Intellektuellen der arabischen Welt und die die literarische Stimme Ägyptens. 1988 wurde er als erster arabisch-sprachiger Autor mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet.

Er gilt als der eigentliche "Vater des ägyptischen Romans". Sein Lebenswerk umfasst mehr als vierzig Romane, Kurzgeschichten und Novellen. 1988 erhielt er als bisher einziger arabischer Autor den Nobelpreis für Literatur.

Nagib Mahfus wuchs in einer strenggläubigen muslimischen Familie in einem Kairoer Altstadtviertel auf, das er später in vielen seiner Romane beschrieb. Nach der Schulzeit studierte er Philosophie, ab den 1930er Jahren arbeitete er als Beamter im ägyptischen Bildungsministerium.

Neben seiner Arbeit verfasste er Kurzgeschichten und veröffentlichte 1939 den ersten von drei Romanen über die Pharaonenzeit. Angesichts des halbkolonialen Status Ägyptens zur Zeit von König Faruq stellten diese historischen Romane den Versuch dar, mit ihrer Rückbesinnung auf eine große Vergangenheit die Identität der Ägypter in der Gegenwart zu stärken.



Die Midaq-Gasse
Die Midaq-Gasse


Mitte der 1940er Jahre wandte er sich in realistischen Romanen zeitgenössischen Themen zu. Mahfus erzählt gerne aus dem Alltag der Menschen in Ägypten. Nach dem Roman "Die Midaq-Gasse" wurde ihm mit seiner "Kairoer Trilogie" - die zwischen den Palästen, Palast der Sehnsucht und Zuckergässchen angesiedelt ist - die uneingeschränkte Anerkennung als führender Schriftsteller des Landes zuteil.

In diesen drei Werken, die ihn weltweit berühmt machten, erzählt er die Geschichte einer Kairoer Kaufmannsfamilie über drei Generationen hinweg. Sie spürt den Wandlungsprozessen nach, welche die Gesellschaft während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgrund der Modernisierung und der Kontakte mit dem Westen durchläuft. Die Trilogie brachte Mahfus den ägyptischen Staatspreis für Literatur ein.

Für Aufsehen ganz anderer Art sorgte Mahfus 1959 mit seinem Roman "Die Kinder" unseres Viertels, eine Parabel auf die Menschheitsgeschichte, indem er dort Figuren auftreten lässt, die an Adam, Moses, Jesus und Mohammed erinnern.

Nagib Mahfus wurde am 11. Dezember 1911 in Kairo geboren.


Weblinks:

Nagib Mahfuz - die literarische Stimme Ägyptens

Naguib Mahfouz - Biographical - www.nobelprize.org

Die Midaq-Gasse von Nagib Mahfus - Literatenwelt-Blog - http://literatenwelt.blogspot.com


Literatur:

Die Midaq-Gasse
Die Midaq-Gasse
von Nagib Mahfus

Autor auf XinXii



Samstag, 27. August 2016

»Ostende. 1936, Sommer der Freundschaft« von Volker Weidermann


Volker Weidermann erzählt von einem Sommer der Freundschaft der Literaten, die auf der Flucht vor den Nazis ins Exil gingen und sich im belgischen Badeort Ostende einen Sommer lang trafen. Er erzählt von Menschen auf der Flucht und ihrer Hoffnung, ihrer Liebe, ihrer Verzweiflung – und davon, wie ihr Leben weiterging. Grundlage seiner Erzählung ist der vor zwei Jahren erschienene Briefwechsel zwischen Stefan Zweig, dem saturierten und weltweit erfolgreichen Wiener Juden und Joseph Roth, dem verarmten und durch Alkoholismus gezeichneten Ostjuden, die eine enge Freundschaft verband und die sich in dem erwähnten Sommer 1936 in dem mondänen Seebad Ostende trafen, um literarische Projekte zu besprechen und sich gegenseitig beizustehen.

Im Sommer 1936 treffen die deutschsprachigen Exilautoren ein letztes Mal an Strand und Promenade in Ostende zusammen. Es kommen Stefan Zweig und seine Sekretärin Lotte Altmann, um zu schreiben; Joseph Roth, der weder Meer noch Strand etwas abgewinnen kann, war gekommen, sich Rat von seinem guten Freund Stefan Zweig zu holen und soll in diesem Sommer seine große Liebe zu Irmgard Keun erfahren. Zentrum des Zusammentreffens ist das Hotel de lat Couronne.

Ostende. 1936, Sommer der Freundschaft

Ostende. 1936, Sommer der Freundschaft



"Jetzt sind sie Menschen auf der Flucht in einer Urlaubswelt. 
Der scheinbar immer frohe Hermann Kesten, der Prediger Egon Erwin Kisch, der Bär Willi Münzenberg, die Champagnerkönigin Irmgard Keun, der große Schwimmer Ernst Toller, der Stratege Arthur Koestler, Freunde, Feinde, von einer Laune der Weltpolitik in diesem Juli hierher an den Strand geworfene Geschichtenerzähler. Erzähler gegen den Untergang.“ 




Neben all den Haupt- und Nebendarstellern ist das zentrale Thema der Novelle der Untergang des Abendlandes, das verzweifelte Hinauszögern einer nationalsozialistischen Begebenheit, das künstliche Festhalten an einem Leben der Kunst und Schönheit. Joseph Roth trinkt sich langsam aber stetig zu Tode,

Volker Weidermann hat mit seiner Erzählung Ostende. 1936. Sommer der Freundschaft einen Beitrag zum Verständnis des deutschen Exils geleistet. Das gilt nicht für die Exilforschung, der alles bekannt ist, worüber er schreibt, aber es gilt für ein Massenpublikum, das sich zum ersten Mal dem Thema nähert. Denn die Grundlage seiner Erzählung ist der vor zwei Jahren erschienene Briefwechsel zwischen Stefan Zweig, dem saturierten und weltweit erfolgreichen Wiener Juden und Joseph Roth, dem verarmten und durch Alkoholismus gezeichneten Ostjuden, die eine enge Freundschaft verband und die sich in dem erwähnten Sommer 1936 in dem mondänen Seebad Ostende trafen, um literarische Projekte zu besprechen und sich gegenseitig beizustehen.



Weblink:


Ostende. 1936, Sommer der Freundschaft
Ostende. 1936, Sommer der Freundschaft
von Volker Weidermann

Mittwoch, 24. August 2016

»Bernarda Albas Haus« von Federico Garcia Lorca

Bernarda Albas Haus


»Bernarda Haus« (»La casa de Bernarda Alba«) von Federico Garcia Lorca ist eine anrührende Geschichte über die Tragödie von den Frauen in den Dörfern Spaniens. Die Geschichte erzählt ein bewegendes Frauenschicksal im ländlichen Spanien.

Das Drama spielt sich in einem andalusischen Dorf ab, wobei das Andalusische nur hintergründig suggeriert wird: Weisse Mauern, heisser Sommer, Bernarda Alba ist die Mutter von fünf Kindern zwischen 20 und 39 Jahren. Schon früh im Roman - auf der zweiten Seite - beschimpfen die Bediensteten Bernarda als Tyrannin, welche das Schicksal der Frauen bestimmt.




Der Vater ist gestorben, deshalb dürfen die Töchter nach Brauch in Andalusien acht Jahre der Trauer das Haus, eben »La casa de Bernarda Alba«, nicht verlassen. Sie sind gefangen in den weissen Wänden, in welchen sich Intrigen und Eifersucht zu entwickeln beginnen: Die Töchter sind erwachsene Frauen und sehnen sich ihren Rechten als Frau und nach einem Mann. Dieser kommt auch, jedoch hat mehr als eine mit ihm in ihrgendeiner Art ein Verhältnis. Das Hauptthema des Autors Lorca ist die Frustration.

»Bernarda Albas Haus« bildet zusammen mit »Bluthochzeit« und »Yerma« und eine Trilogie, welche Stellung der Frau in der ländlichen Bevölkerung zum Thema hat.

Kunstvolle Einfachheit zeichnet diesen Roman aus.

Literatur:

Bernarda Albas Haus
Bernarda Albas Haus
von Federico Garcia Lorca

Freitag, 19. August 2016

Federico Garcia Lorca vor 80 Jahren ermordet


Der spanische Dichter Federico Garcia Lorca wurde am 19. August 1936, einen Monat nach Beginn des Spanischen Bürgerkriegs in der Schlucht von Viznar bei Granada, erschossen. Da war er gerade mal 38 Jahre alt. Doch bewiesen ist das nicht, denn bis heute fehlt seine Leiche. Siebzig Jahre nach dem Ende des Spanischen Bürgerkriegs (1936-1939) liegen landesweit noch rund 120.000 der Opfer in namenlosen Massengräbern und Lorca ist der bekannteste von ihnen.

Seine Herkunftsregion, die Provinz Granada, spielt eine große Rolle in Lorcas Werk, angefangen bei den »Ersten Liedern« bis zu »Bernarda Albas Haus« , das zusammen mit »Yerma« und der »Bluthochzeit« eine Trilogie bildet, welche die Stellung der Frau in der ländlichen Bevölkerung zum Thema hat. In seine Dramen flossen sowohl Elemente volkstümlicher Musik wie auch Poesie des Surrealismus ein. Lorcas Stil ist durch eine Kombination aus säkularer Tradition und dem Modernismus des 20. Jahrhunderts gekennzeichnet.

Seine ersten literarischen Werke entstanden in Madrid, das »Libro de poemas« und sein erstes Theaterstück »Mariana Pineda« (1928). Außerdem veröffentlichte er »Romancero gitano« (1928), »Poemas del Cante Jondo« (1931) und »Llanto por Ignacio Sánchez Mejías« (1935). Letzteres stellt sein berühmtestes lyrisches Werk dar. Es ist einem spanischen Torero gewidmet, der ein Freund Lorcas war sowie ein Mäzen der Madrider Kunstwelt. Er starb bei der Ausübung seines Berufes.

In Madrid lernte der Poet Lorca auch den surrealistischen Künstler Salvador Dalí kennen. Beide verband eine enge Freundschaft. Der Dichter widmete dem jungen aufstrebenden Künstler seine Ode an Salvador Dalí (1926), dieser veröffentlichte in einer von Lorca gegründeten Literaturzeitschrift (gallo) sein "Manifesto anti-artistico catalán". In seine Dramen floss auch Poesie des Surrealismus ein. Lorca schildert, wie Traum und Wirklichkeit einander durchdringen.

Lorca war Dichter und Dramatiker, Musiker und Märtyrer für ein besseres Spanien, ermordet von den Franquisten kurz nach Beginn des Bürgerkriegs. Er zählt zu den kreativsten Künstlern Spaniens im vergangengen Jahrhundert. Neben seiner Dichtkunst galt Lorca auch als ein begnadeter Musiker, er improvisierte auf der Gitarre und auf dem Klavier und komponierte zudem einige Lieder. Er war mit dem spanischen Komponisten Manuel de Falla befreundet.

Seine gesellschaftskritischen Arbeiten hatten Lorca bei der politischen Rechten unbeliebt gemacht. Seine offene Gesellschaftskritik und wohl auch seine Homosexualität führten zu seiner Ermordung am 19. August 1936 durch eine Falange-Milizgruppe, gleich zu Beginn des Spanischen Bürgerkriegs, obwohl er bei einer bekannten Familie des rechten Lagers - zu der der Dichter Luis Rosales gehörte - Zuflucht gesucht hatte.

Federico García Lorca wurde am 5. Juni 1898 in Fuente Vaqueros in der Provinz Granada geboren.

Dienstag, 16. August 2016

Brechts episches Theater


Bertolt Brecht gilt als einflussreicher deutscher Dramatiker und Lyriker des 20. Jahrhunderts. Er hat das epische Theater weiterentwickelt, das den Zuschauer eher zum distanzierten Hinterfragen anregt als zum Mitfühlen. Bertolt Brecht hat das epische Theater von seinem Konzept her aufgegriffen und weiterentwickelt.
Der Begriff „episches Theater“ wird heute meist ausschließlich auf die Werke und Inszenierungstechniken Brechts und – mit Abstrichen – Piscators bezogen, obwohl es im 20. Jahrhundert zahlreiche Dramatiker gab, die epische Elemente einsetzten. Brecht hat das Konzept des epischen Theaters stetig weiterentwickelt und den Bedürfnissen seiner Inszenierungspraxis angepasst.

Das epische Theater soll nach Brecht gesellschaftliche und politische Veränderungen in Gang setzen. Die Demonstration gesellschaftlicher Widersprüche auf der Bühne soll Zuschauer aktivieren, Kritik am Schicksalsglauben und eine materialistische Haltung vermitteln. Das Theater soll vom Repräsentations- und Unterhaltungsinstrument für die Oberschicht zu einer kritischen Veranstaltung insbesondere für das Proletariat werden.

Brechts episches Theater zielt nicht auf Moral, sondern auf eher auf Erkenntnis. Es ist daher nicht moralisierend, sondern erkenntisfördernd. Das epische Theater soll nach Brecht gesellschaftliche und politische Veränderungen in Gang setzen. Die Demonstration gesellschaftlicher Widersprüche auf der Bühne soll Zuschauer aktivieren, Kritik am Schicksalsglauben und eine materialistische Haltung vermitteln. Das Theater soll vom Repräsentations- und Unterhaltungsinstrument für die Oberschicht zu einer kritischen Veranstaltung insbesondere für das Proletariat werden.


Brecht wollte ein analytisches Theater, das den Zuschauer eher zum distanzierten Nachdenken und Hinterfragen anregt als zum Mitfühlen. Zu diesem Zweck „verfremdete“ und desillusionierte er das Spiel absichtlich, um es als Schauspiel gegenüber dem wirklichen Leben erkennbar zu machen. Brecht nannte dies den „Verfremdungseffekt“.

Schauspieler sollten analysieren und synthetisieren, das heißt, von außen an eine Rolle herangehen, um dann ganz bewusst so zu handeln, wie es die Figur getan hätte. Diese Neukonzeption des Theaters, ursprünglich „episches Theater“, nannte er später „dialektisches Theater“, da ein Widerspruch zwischen Unterhaltung und Lernen entstehen soll, der die Illusion des „emotionalen Hineingezogenwerdens“ beim Publikum zerstören will.

"Das Theater darf nicht danach beurteilt werden,
ob es die Gewohnheiten seines Publikums befriedigt,
sondern danach, ob es sie zu ändern vermag."


Bertolt Brecht

Das epische Theater Brechts und Piscators ist politisch engagiert. Das enge Korsett der traditionellen Dramatik wird gesprengt, weil beide komplexe politische Verhältnisse darstellen wollten. Das epische Theater ist marxistisch orientiert, will gegen Ausbeutung und Krieg wirken, sich einsetzen für eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft.


Ausgewählte Werke in sechs Bänden:

„Ich wollte auf das Theater den Satz anwenden,
dass es nicht nur darauf ankommt,
die Welt zu interpretieren, sondern sie zu verändern.“

Bertolt Brecht



Brecht vertrat die Auffassung der Dialektik vom Menschen als Produkt der Verhältnisse und glaubte an dessen Fähigkeit, diese zu verändern: „Ich wollte auf das Theater den Satz anwenden, dass es nicht nur darauf ankommt, die Welt zu interpretieren, sondern sie zu verändern.“ Damit bezieht er sich auf die zentrale Schlussfolgerung der marxschen „Thesen über Feuerbach“.

Das epische Theater Brechts steht im Gegensatz sowohl zur Lehre Stanislawskis als auch zu der des method acting (methodische Schauspielkunst) von Lee Strasberg, die größtmögliche Realitätsnähe anstrebten und vom Schauspieler verlangten, sich in die Rolle hineinzuversetzen. Die wichtigsten Elemente des Epischen Theaters waren im Werk Brechts jedoch bereits vor dessen Begegnung mit dem Marxismus ausgebildet.


Brecht-Werke:

Ausgewählte Werke in sechs Bänden:
Ausgewählte Werke in sechs Bänden
von Bertolt Brecht


Samstag, 13. August 2016

»Buckower Elegien« von Bertolt Brecht

Buckower Elegien

Irgendwo, weit im Osten Brandenburgs, hatte - zu unseligen DDR-Zeiten ostzonaler Anfangsjahre - Bertolt Brecht sein Häuschen, "Das kleine Haus unter Bäumen am See." In Buckow in der Märkischen Schweiz. Dort schrieb Brecht im Sommer 1953 die dreiundzwanzig Gedichte, die als "Buckower Elegien" später ihre Zusammenfassung und Veröffentlichung fanden. .

Bertolt Brecht schrieb die »Buckower Elegien« im Jahr 1953 in Buckow am Scharmützelsee. Hier in der Idylle der Märkischen Schweiz fand er die Ruhe, um ungestört arbeiten zu können. Brecht hatte sich zurückgezogen, keine Dramen mehr, keine Theaterarbeit, nur noch Gedichte - kurze Gedichte. Die Buckower Elegien, immer als Reaktion auf den 17. Juni 1953 verstanden, sind die letzte Gedichtsammlung Brechts.

In diesem späten Gedichtzyklus klingen neben den einfachen Schönheiten der Natur („Später, im Herbst / Hausen in den Silberpappeln große Schwärme von Krähen“) auch tagespolitische Themen, wie der Volksaufstand vom 17. Juni („Wäre es da / Nicht doch einfacher, die Regierung / Löste das Volk auf und / Wählte ein anderes?“) an.


"Ich sitze am Straßenhang.
Der Fahrer wechselt das Rad.
Ich bin nicht gern, wo ich herkomme.
Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre.
Warum sehe ich den Radwechsel
Mit Ungeduld?"


Die Buckower Elegien, immer als Reaktion auf den 17. Juni 1953 verstanden, sind die letzte Gedichtsammlung Brechts. Bedeutend sind sie vor allem wegen ihrer komprimierten Konzeption und ihrem allegorischen Charakter. Wie zum Beispiel "Der Radwechsel"(oben) oder dieses:

"In der Frühe
Sind die Tannen kupfern.
So sah ich sie
vor einem halben Jahrhundert
vor zwei Weltkriegen
mit jungen Augen."


Am schönsten empfinde ich gerade bei diesen Gedichten die ungereimten Verse. Sie sagen so viel mehr und ihre Melodie ergibt sich bei jedem Gedicht, am Schluss, rückwirkend, auch immer wieder, wenn man sie noch mal liest.

Der schmale Insel-Band - eine Nachauflage aus dem Jahre 1964 - bringt neben den „Buckower Elegien“ auch die „Gedichte im Exil“. Die beiden Gedichtsammlungen hatte Brecht selbst zusammengestellt. Die „Gedichte im Exil“ waren erstmals 1939 in Kopenhagen erschienen. Neben Beobachtungen zur politischen Lage in Deutschland verarbeitete Brecht hier auch seinen Alltag in Dänemark, wohin er nach der nationalsozialistischen Machtübernahme geflohen war.

Literatur:


Buckower Elegien
von Bertolt Brecht

Freitag, 12. August 2016

»Die Ballade vom Wasserrad« von Bertolt Brecht



1
Von den Großen dieser Erde
melden uns die Heldenlieder:
Steigend auf so wie Gestirne
gehn sie wie Gestirne nieder.
Das klingt tröstlich, und man muss es wissen.
Nur: für uns, die sie ernähren müssen
ist das leider immer ziemlich gleich gewesen.
Aufstieg oder Fall: Wer trägt die Spesen?

Freilich dreht das Rad sich immer weiter
dass, was oben ist, nicht oben bleibt.
Aber für das Wasser unten heißt das leider
nur: Dass es das Rad halt ewig treibt.

2
Ach, wir hatten viele Herren
hatten Tiger und Hyänen
hatten Adler, hatten Schweine
doch wir nährten den und jenen.
Ob sie besser waren oder schlimmer:
Ach, der Stiefel glich dem Stiefel immer
und uns trat er. Ihr versteht: Ich meine
dass wir keine andern Herren brauchen, sondern keine!

Freilich dreht das Rad sich immer weiter
dass, was oben ist, nicht oben bleibt.
Aber für das Wasser unten heißt das leider
nur: Dass es das Rad halt ewig treibt.

3
Und sie schlagen sich die Köpfe
blutig, raufend um die Beute
nennen andre gierige Tröpfe
und sich selber gute Leute.
Unaufhörlich sehn wir sie einander grollen
und bekämpfen. Einzig und alleinig
wenn wir sie nicht mehr ernähren wollen
sind sie sich auf einmal völlig einig.

Denn dann dreht das Rad sich nicht mehr weiter
und das heitre Spiel, es unterbleibt
wenn das Wasser endlich mit befreiter
Stärke seine eigne Sach betreibt.


»Die Ballade vom Wasserrad« von Bertolt Brecht


Weblink:

»Die Ballade vom Wasserrad« von Bertolt Brecht - www.deutschelyrik.de

Brecht-Gedichtband:

Die Gedichte
Die Gedichte
von Bertolt Brecht

Samstag, 6. August 2016

»Christus kam nur bis Eboli« von Carlo Levi

Eboli

Der Arzt, Künstler und Politiker Carlo Levi wurde 1935 von Mussolinis Faschisten nach Lukanien in ein Bergdorf verbannt. Der Städter und Intellektuelle trifft dort auf eine Umgebung, in der das sonstige Treiben der Welt kaum eine Rolle spielt, weil die bäuerlichen Menschen in ihrer abgrundtiefen Armut versunken, mit dem puren Überleben gegen Hunger und Malaria bechäftigt sind.

In seinem Erfahrungsbericht erzählt Carlo Levi in locker aneinander gereihten Szenen von seinen Erfahrungen in der bäuerlichen und rückständigen Welt Lukaniens, einer vergessenen Welt im Süden Italiens, die er während seines Exils kennen gelernt hat. Das Buch kam 1945 heraus und wurde ein Bestseller.

Es lenkte den Blick auf die Region, die schnell als “Armenhaus Europas” bekannt wurde. Per Gesetz wurde die Bevölkerung ab 1956 in neu gebaute Viertel umgesiedelt, Arbeitsprogramme gaben eine Perspektive. Die letzten Sassi wurden erst Anfang der 60er Jahre aufgegeben. 25 Jahre später erging ein Gesetz zur Erhaltung und Renovierung der Sassi.

1935 wurde der 31-jährige Levi wegen seines Protestes gegen den Abessinien-Krieg von den faschistischen Machthabern in ein Dorf in der Basilicata (damals Lukanien) verbannt. In Gagliano (aus Gründen der Diskretion taufte Levi den Ort in seinem Werk in Aliano um) empfand sich der elegante Norditaliener zunächst als Fremdkörper, bis es ihm gelang, die Sympathie der Bauern zu gewinnen.

Der Titel des Romans bezieht sich auf ein Sprichwort, mit dem die Bauern ihre eigene Rückständigkeit begründen: »Christus kam nur bis Eboli.« Es besagt, dass Gott es nicht mehr bis in die Berge der Basilicata, nach Aliano geschafft hat. Deshalb sind in dieser Region Zeit und Sitten auf einem heidnischen Niveau stehen geblieben. Trotz unsäglichen Elends, trotz Armut und der Malaria behaupten sich die Bewohner in einem mühseligen, vom Wechsel der Jahreszeiten rhythmisierten Überlebenskampf und beziehen aus dieser Existenzweise ihren eigenen Stolz.

Christus kam nur bis Eboli
»Christus kam nur bis Eboli


Levi beschreibt die vielfältigen Verflechtungen der dort lebenden Menschen. Dabei ist er nicht nur außenstehender Beobachter, sondern er nimmt Anteil an ihren Sorgen. Er behandelt sie als Arzt, obwohl er vorher noch nie praktizierte, und wird selbst einer der ihren. Angesprochen wird die Armut der Bauern und ihre Ausbeutung durch die von den Großgrundbesitzern beauftragten Steuereinnehmer, die enge Verbundenheit der Menschen zu Tieren und Geisterwesen. Er berichtet von der allgegenwärtigen Malaria und der Nachlässigkeit in deren Bekämpfung von seiten der Behörden. All diese Themen behandelt er mit Engagement und seine eigenen Ideen und Empfindungen sind dabei stets erkennbar.

Der Kargheit der Landschaft, der unfruchtbare Lehmboden findet Ausdruck in der resignativen Haltung der Bauern und ihrer Schicksalsergebenheit. Ihre Aufstände sind kurz, heftig und unorganisiert und damit zum Scheitern verurteilt. Lukanien ist ein von der Zivilisation unberührtes Land mit einer eigenen archaischen Kultur und einem tief eingewurzelten Misstrauen allem Staatlichem gegenüber.

Eindrucksvoll schildert Levi das Überleben heidnischer und naturmagischer Praktiken unter dem Deckmantel der christlichen Liturgie und das gelegentliche Aufflammen politischer Aufsässigkeit am Beispiel der Bauern, die Geldeintreiber erschlagen und sich den Briganten in den unzugänglichen Bergnestern der Basilicata anschließen, weil sie ihre drückenden Abgaben nicht leisten können. Die Versuche der Regierung, sich der politischen Zustimmung der Einwohner zu versichern, scheitern am fundamentalen Misstrauen der Bauern gegen jede Art von Obrigkeit, die sie immer nur als Unterdrückung erfahren haben.


Wegen des sachlichen Tonfalls seines Romans, der dem Elementaren und Schlichten des Lebens im Mezzogiorno entspricht, wurde der Roman zu einem herausragenden Dokument des Neorealismus (Stichwort R S. 681). Er ist eine der bewegendsten Schilderungen des Lebens im Süden, der in der italienischen Literatur eine Art nostalgische Berufung auf das von den Entfremdungserscheinungen der Moderne unbeschädigte Leben des Südens einleitete, obwohl Levis Beschreibung die Verhältnisse nicht beschönigte, sondern eher geeignet ist, sich der italophilen Verklärung Süditaliens zu widersetzen.

Das Buch ist 1945 erschienen und wurde ein Bestseller. Es lenkte den Blick auf die Region, die schnell als “Armenhaus Europas” bekannt wurde. - Eine Verfilmung von Francesco Rosi (1978) trug wesentlich zur Popularität des Buches bei.


Literatur:

Christus kam nur bis Eboli
»Christus kam nur bis Eboli
von Carlo Levi


Weblinks:

Das Reisetagebuch (2): Christus kam nur bis Eboli - Silencers Blog - http://silencer137.com