Thomas Bernhards Debütroman »Frost« aus dem Jahr 1963 handelt von einem jungen Studenten, der in ein vereistes Bergdorf geschickt wird und den Maler Strauch im Auftrag von dessen Bruder beobachten soll. Der Maler führt in Weng, einem kleinen Provinznest in Österreich, ein von der Welt und der Menschheit abgekehrtes Leben. Wie sich herausstellt, ist der Mann schwer depressiv und von einem morbiden Zorn auf die Welt getrieben.
In seinem ersten Roman hat ein angehender junger Arzt die Aufgabe, in einem abgelegenen salzburgischen Provinzdorf einen alten kranken Maler zu beschreiben: "Beschreibungen seiner Verhaltensweisen [... ] Ansichten, Absichten, Äußerungen, Urteile. Einen Bericht über seinen Gang. Über seine Art zu gestikulieren, aufzubrausen, 'Menschen abzuwehren'. Über die Handhabung seines Stockes." Der Wissenschaftler sollte, anders ausgedrückt, das sehen lernen, wofür uns Bernhards Schreiben gewinnen möchte: für die bewusste Wahrnehmung der Sprache, für den analytischen Blick, für das seismografische Gehör für weit zurückliegende Katastrophen, die sich in der Sprache eines Menschen zeigen. Darum setzt er unermüdlich das "sagte er", "dachte ich" usf. neben das Gesagte und Gedachte, um uns auf das Wie der Sprache aufmerksam zu machen, auf die besondere Formulierung, in der etwas tiefer Liegendes, den Menschen Verursachendes - oft ist es eine frühe Katastrophe - zu erkennen wäre.
Die Aufzeichnungen des jungen Studenten zeugen vom Leiden und der geistigen Krise des Malers, die dieser in der frostigen Umgebung des österreichischen Berglandes durchmacht. Bernhards Erstling schildert, ohne mit einer eigentlichen Handlung aufzuwarten, die seelische Zerrüttung eines Leidenden, der sein Handwerk, die Kunst, längst ad acta gelegt hat.
Ein Medizinstudent wird während seiner Famulatur in Schwarzach von einem Assistenzarzt beauftragt, dessen Bruder, den einstigen Kunstmaler Strauch, zu beobachten. Dieser lebt zurückgezogen in einem verkommenen Gasthaus des abgeschiedenen, düsteren Gebirgsdorfs Weng im Salzburger Land. Von seiner Umwelt wird der Außenseiter für verrückt gehalten.
"Ich könnte Ihnen eine Reihe hervorragender Männer aufzählen, die von ihren Frauen ruiniert worden sind. Persönlichkeiten mit der allerhöchsten Begabung, allergrößten Formats. Das Weibliche ist von Natur aus verräterisch. Es untergräbt und unterminiert. Ist Gift für den männlichen Geist, für den Geist überhaupt, für das Männliche. Wenn es sich darum handelt einen Mann in seine Bestandteile zu zerlegen und nicht mehr zusammenzusetzen...Wissenschaftlich betrachtet stellt die Frau die Verhöhnung des Mannes dar…Die Erbfeinde des Gedankens...(…) Die Frauen sind nur fürs Bett. Das Weib versteht kein Spiel. Ist ein Werkzeug des Teufels und schuld an der Tragödie des Menschengeschlechts."
Thomas Bernhard, Frost
Er selbst wiederum lebt mit dem Gefühl permanenter Bedrohung, fürchtet sich vor dem Weiblichen und menschlichen Ansammlungen. Seine resig-native, depressive Weltsicht teilt er in ausufernden Monologen und Visionen dem Studenten mit, der zunehmend ergriffen wird von der selbstzerstörerischen Gedankenwelt Strauchs. Nach Schwarzach zurückgekehrt, erfährt der Student durch eine Zeitungsnotiz, dass Strauch verschwunden ist und eine Suchaktion wegen der Witterung abgebrochen werden musste.
Der pessimistischen Bewusstseinshaltung des Malers entspricht die Landschaftsschilderung: Statt Bergluft herrscht der Geruch von Fäulnis und Verwesung, der Himmel wird zur Hölle; als Folge des Weltkriegs und der fortschreitenden Technisierung stellt selbst die ländliche Provinz keine Idylle mehr da und so hat sich auch die herkömmliche Heimatliteratur verkehrt.
Gleich mit seinem ersten Roman »Frost« gelang Thomas Bernhard der literarische Durchbruch. Inhaltlich wie formal stellt er die Basis für seine weiteren Werke dar. So herrschen – wie bereits in seiner zuvor erschienenen Lyrik – die Themen Einsamkeit, Kälte, Finsternis und Tod vor; Charakterzüge der Hauptfigur sowie das erzählerische Grundmodell werden in folgenden Arbeiten weiterentwickelt und abgewandelt.
Weblink:
Frost.
Literatur:
Frost vom Thomas Bernhard
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