Die Toten
»Die Toten« von Christian Kracht über das Kino am Ende der Weimarer Republik, erzählt eine mystische Geschichte, in der ein schweizer Regisseur im Auftrag der Ufa einen Film in Japan drehen soll. Der Roman handelt von zwei Kulturschaffenden, die eine imaginäre Filmachse zwischen Berlin und Tokio schaffen wollen.
Es geht um ein Filmprojekt, in dem der Schweizer Regisseur Nägeli mit seinem japanischen Pendant Amakasu versucht hat, einen kulturübergreifenden oder –ergänzenden Film zu drehen. Der Roman führt den Leser mitten hinein in die gleißenden, fiebrigen frühen dreißiger Jahre, als die Moderne, besonders die Filmkultur, ihre vorerst letzte Blüte erlebte.
In Berlin, »dem Spleen einer unsicheren, verkrampften, labilen Nation«, versucht ein Schweizer Filmregisseur, euphorisiert durch einen gewissen Siegfried Kracauer und eine gewisse Lotte Eisner, den Ufa-Tycoon Alfred Hugenberg zur Finanzierung eines Films zu überreden, genauer gesagt: eines Gruselfilms, genauer gesagt: in Japan.
Dort, auf der anderen Seite des Globus, bereitet zur selben Zeit der geheimnisvolle Japaner Masahiko Amakasu ein Komplott gegen die internationale Allmacht des Hollywoodfilms vor.
Der Schweizer Regisseur Nägeli nimmt uns in diesem Roman mit in die Filmwelt der 30er Jahre. Dort erlebt er sowohl das ungehemmte Leben mit Partys und Alkohol, aber auch die immer stärker werdende Abneigung gegen alles Jüdische, was besonders der Filmproduzent Hugenberg versinnbildlicht. Der schickt ihn nach Japan, wo er auf Masahiko Amakasu trifft, den der Leser auch bereits im ersten Teil des Romans näher kennengelernt hat.
Er soll Nägeli eigentlich dabei unterstützen, den von Hugenberg gewünschten Propagandafilm oder, wie von Nägeli eigentlich geplant, einen deutsch-japanischen Gruselfilm zu drehen. Doch die Verwicklungen, die entstehen, bringen ganz andere Dinge hervor als geplant.
Wenn man herausfinden möchte, wer denn nun die Toten in dem Roman von Christian Kracht eigentlich sind, dann stößt man auf die Passage, in der die beiden Hauptgestalten des Buchs, der Schweizer Filmemacher Emil Nägeli und sein japanischer Kollege Amakuso sich zum ersten Mal begegnen. Sie sollen in den 1930ern ein aufwändiges japanisch-deutsches Filmprojekt als Gegenentwurf zur amerikanischen Filmindustrie verwirklichen, und sie erkennen sich "in Sekundenbruchteilen". "Die Toten sind unendlich einsame Geschöpfe, es gibt keinen Zusammenhalt unter ihnen, sie werden alleine geboren, sterben und werden auch alleine wiedergeboren."
Die beiden also sind schon zu Lebzeiten Tote. Ihre Lebensläufe weisen einige Gemeinsamkeiten auf. Beide waren genialisch veranlagte, einsame und unverstandene Kinder, die ein schwieriges Verhältnis zu ihren Eltern, besonders den Vätern hatten. Beide bewegen sich in der virtuellen Welt des Films, beide suchen die Wahrheit hinter den Dingen und glauben sie in dem Filmprojekt verwirklichen zu können. Der Regisseur – so führt der Filmkritiker Krakauer im Gespräch mit Nägeli aus, "müsse an die absolute Wahrheit seines Stoffes glauben, ja, er müsse an Vampire und Geister und an Wunder glauben. Erst daraus entstünde presto: Wahrheit."
Seine Figuren sind keine einfachen Persönlichkeiten sondern alle mit einer Vielzahl von Komplexen, Problemen und Störungen ausgestattet. Teilweise wirken seine Beschreibungen der Berliner Filmclique, in die Nägeli einmal hereingerät, fast wie eine klischierte Darstellung der frühen 30er Jahre, in die die goldenen Zwanziger mit ihrer Vergnügungssucht und scheinbaren Lasterhaftigkeit noch hereinspielen.
Der Roman »Die Toten« ist eine sehr kluge Meditation über Film und Moderne, er führt ins Herz der Gegenwart mit den richtigen politischen Fragestellungen.
Literatur:
Die Toten von Christian Kracht
Blog-Artikel:
Christian Kracht erhält Hermann-Hesse-Preis - Kulturwelt-Blog - culturwelt.blogspot.com
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