Was macht die Natur mit ihren Geschöpfen? Die Bienen sind in Gefahr: Sie verschwinden und ihre Population nimmt in der ganzen Welt ab. Grund für die norwegische Schriftstellerin Maja Lunde, über das Bienensterben einen kunstvollen Roman zu schreiben. »Die Geschichte der Bienen« ist ihre eigene Geschichte über das Sterben der Bienen.
Der Roman ist ein Raum-Zeit-Projektion, welche aus drei Teilen besteht: Schilderung des Lebens des ersten Imkers in England, eines Bienenzüchters in Amerika im Jahr 2007 und einer Honigfrau in einer fernen Zukunft in China. Es werden im Wechsel, die Geschichten von Tao, einer chinesischen Arbeiterin im Jahr 2098, George, einem amerikanischen Imker im Jahr 2007 und William, einem englischen Saatgut-Händler im Jahr 1852 erzählt.
Tao bestäubt Bäume per Hand, da es keine Bienen mehr gibt, George muss mit der Zurückweisung seines Sohnes, der den Familienbetrieb nicht übernehmen will, und einem mysteriösen Bienensterben zurechtkommen und William befindet sich in einer Lebenskrise, aus der er in erster Linie herausfindet, indem er sich mit der Erfindung einer neuen Art von Bienenstöcken beschäftigt.
England im Jahr 1852: Der Biologe und Samenhändler William kann seit Wochen das Bett nicht verlassen. Als Forscher sieht er sich gescheitert, sein Mentor Rahm hat sich abgewendet, und das Geschäft liegt brach. Doch dann kommt er auf eine Idee, die alles verändern könnte – die Idee für einen völlig neuartigen Bienenstock.
Ohio, USA im Jahr 2007: Der Imker George arbeitet hart für seinen Traum. Der Hof soll größer werden, sein Sohn Tom eines Tages übernehmen. Tom aber träumt vom Journalismus. Bis eines Tages das Unglaubliche geschieht: Die Bienen verschwinden und die Welt wird eine andere.
China, im Jahr 2098: Die Arbeiterin Tao bestäubt von Hand Bäume, denn Bienen gibt es längst nicht mehr. Mehr als alles andere wünscht sie sich ein besseres Leben für ihren Sohn Wei-Wen. Als der jedoch einen mysteriösen Unfall hat, steht plötzlich alles auf dem Spiel: das Leben ihres Kindes und die Zukunft der Menschheit.
Mitreißend und ergreifend erzählt Maja Lunde von Verlust und Hoffnung, vom Miteinander der Generationen und dem unsichtbaren Band zwischen der Geschichte der Menschen und der Geschichte der Bienen. Sie stellt einige der drängendsten Fragen unserer Zeit: Wie gehen wir um mit der Natur und ihren Geschöpfen? Welche Zukunft hinterlassen wir unseren Kindern? Wofür sind wir bereit zu kämpfen?
Maja Lundes Roman »Die Geschichte der Bienen« ist ein oft rezensiertes, hoch gelobtes Buch und mittlerweile auch fast ganz oben auf den Bestsellerlisten – und das zu Recht! Ich bin immer noch begeistert von diesem Buch. Maja Lunde versteht es außerordentlich gut, das hochaktuelle Thema des Bienensterbens in einen Roman zu verpacken. Es gibt nicht den erhobenen Zeigefinger aber dennoch bewegt einen dieses Buch so sehr, dass man noch einmal mehr sein eigenes Verhalten überdenkt.
Die drei Geschichten sind, jede für sich, fesselnd und ganz wunderbar erzählt - es gibt einfach Bücher, die ganz wunderbar geschrieben sind, Autoren, die auf eine Art und Weise schreiben, dass man gleich in eine Geschichte eintaucht und das Buch "in einem Rutsch" durchliest.
»Mitternachtskinder« ist der Roman von Salman Rushdie, mit dem er weltberühmt wurde. Rushdie galt nach Erscheien des Buches als das indische Pendant zu Gabriel García Márquez.
Mitternachtskinder sind sie, geboren zwischen Null und Ein Uhr am 15. August 1947, dem Tag der Indien seine Unabhängigkeit bescherte. Und alle haben sie eine einzigartige, herausragende, nur ihnen bekannte Fähigkeit. So lehrt das Leben etwa unserem Helden und Ich-Erzähler Saleem Sinai, der Rotznase in die Gedanken seiner Mitmenschen einzutauchen.
Salman Rushdie erzählt die Geschichte eines jungen Mannes aus reicher Familie, von hohem Stand, der von der ambitionierten jungen Hebamme Mary Pereira kurzerhand mit dem zugleich geborenen Shiva getauscht wird, der in den Straßen Bombays aufwachsen wird, ohne Chance auf ein besseres Leben. Schon bald hat die junge Frau ihren Irrtum erkannt, ihr Gewissen jedoch ließ sie elf weitere Jahre mit der Untat leben.
Der Roman ist in drei Teile gegliedert, wobei im ersten Teil der Familienstammbaum mit dem Großvater beginnt, der in Heidelberg Medizin studiert hatte, um dann nach Kaschmir zurück zu kommen und ein junges Mädchen zu heiraten, das er durch ein Loch in einem Laken Stück für Stück ertasten konnte. Der zweite Teil erzählt die schelmische Geschichte der Kindheit des Ich-Erzählers, um schließlich im dritten Teil in einem Krieg, sein altes Leben von der Erde zu fegen und ihn dorthin zu verbannen, wo er von Geburtsrecht her leben sollte, in die Straßen und unter die Brücken Bombays.
Nicht zu Unrecht wird der Roman mit Marquez' »Hundert Jahren Einsamkeit« verglichen. Die Charaktere sind einzigartig, extravagant, durchwegs individuell und liebenswürdig. Ein ums andere Mal fügen sie sich in unbeschreiblicher Situationskomik ihren Lebensplagen und entwirren geduldig die zahlreichen, verspielt in der Handlung platzierten Verstrickungen, die immer wieder angedeutet, plötzlich mit ungehemmtem Hurra über mich Leser hereinbrechen. Selten habe ich so zufrieden in einen Roman hineingeschmunzelt! Doch der dritte Teil lässt alle Leichtigkeit hinter sich, ganz unvermutet, nur wenige Bomben reichen aus, eine ganz andere Geschichte aus dem zu bauen, was nach dem Krieg übrig geblieben war.
Die Geschichte der Familie Sinai ist auch die Geschichte Indiens, die Geschichte vom Weg zur Unabhängigkeit, von der Abspaltung des islamischen Pakistan, von den Kriegen und den Militärs und der Gründung Bangladesch's. Es ist die Geschichte des Lebens nach Möglichkeit der Geburtsstunde oder vielmehr des Geburtsrechtes. Der Kontrast aus unbeschwerter Kindheit in reichem Elternhaus und dem rastlosem Leben in den Slums Indiens Tag um Tag, die größte Kunst beherrschend: das Unsichtbarsein.
Ein Roman, der die unterschiedlichen Stimmungen eines Lebens erfunden haben mag, der im gleichen Atemzug höchste Zufriedenheit stimuliert wie er seinen Charakteren das Leben aushaucht, der in gleichem Maße humorvoll und spitzzüngig wie bitter und traurig ist!
Alfred Döblin starb vor 60 Jahren am 26. Juni 1957 in Emmendingen. Alfred Döblin war ein deutscher Arzt, Psychiater und Schriftsteller. 1938 emigrierte er als einer der Letzten aus Deutschland.
Sein episches Werk umfasst mehrere Romane, Novellen und Erzählungen, daneben verfasste er unter dem Pseudonym »Linke Poot« satirische Essays und Polemiken. Als führender Expressionist und Wegbereiter der literarischen Moderne in Deutschland integrierte Döblin früh das Hörspiel und Drehbuch in seinem Werk.
Er schrieb Erzählungen und Aufsätze, fand aber keinen Verleger. Im Ersten Weltkrieg war er Kasernenarzt. Der S. Fischer Verlag brachte seine ersten Romane heraus, nicht gerade Bestseller, aber langsam begann Döblin, in der Welt der Literatur ein Begriff zu werden. Da war er Anfang 40 und Berlin, das Berlin der 20er Jahre, die Großstadt, das war, so sagte er, "das Benzin, mit dem sein Motor läuft".
Er war Mitbegründer der expressionistischen Zeitschrift "Der Sturm" (1910) und legte mit seinem 1913 erschienenen Erzählband "Die Ermordung der Butterblume" erste eigene expressionistische Texte vor.
1920 veröffentlichte er den historischen Roman »Wallenstein«. Weiterhin setzte Döblin als avantgardistischer Romantheoretiker mit den Schriften »An Romanautoren und ihre Kritiker. Berliner Programm, Bemerkungen zum Roman« und »Der Bau des epischen Werks« zahlreiche Impulse in der erzählenden Prosa frei.
1929 erschien sein bekanntestes Werk »Berlin Alexanderplatz«. Seine Erzähltechnik, die zwischen registrierender, neuer Sachlichkeit und Eindrücken der modernen Großstadt schwankt, brachte Döblin Vergleiche mit James Joyce ein.
„Wenn ein Roman nicht wie ein Regenwurm in zehn Stücke geschnitten werden kann und jeder Teil bewegt sich selbst, dann taugt er nicht.“
Alfred Döblin stammte aus einer Familie assimilierter Juden. In seinem zehnten Lebensjahr trennte sich der Vater von seiner Frau und ließ die Familie mittellos zurück. Das plötzliche Verschwinden des Vaters traumatisierte den Jungen nachhaltig. Bereits in seinem letzten Schuljahr verfasste Döblin mehrere Erzählungen und einen Kurzroman. Nach dem Abitur studierte er Medizin und wurde 1905 promoviert. Ein Jahr darauf eröffnete er eine kassenärztliche Praxis und heiratete die Medizinstudentin Erna Reiss.
Die Metropole Berlin wurde Döblins eigentliche Heimat. Er schloss sich dem Sturmkreis um Herwarth Walden an. Döblin wurde mit seinem Erzählband »Die Ermordung einer Butterblume und andere Erzählungen« sowie den Romanen »Die drei Sprünge des Wang-lun« und »Berge, Meere und Giganten« zu einem der führenden Exponenten der expressionistischen Literatur. Im Ersten Weltkrieg war er als Lazarettarzt an der Westfront stationiert. In der Weimarer Republik wurde der streitbare Döblin einer der führenden Intellektuellen des linksbürgerlichen Spektrums.
1933 musste der Jude und Sozialist Döblin aus Deutschland flüchten, kehrte nach Ende des Zweiten Weltkrieges zurück, um Deutschland 1953 erneut resigniert zu verlassen. Große Teile seines literarischen Schaffens, darunter die »Amazonas-Trilogie«, die »Novembertetralogie« und der letzte Roman »Hamlet oder Die lange Nacht nimmt ein Ende« werden der Exil-Literatur zugeordnet.
Alfred Döblin ist der große „Unbekannte“ der Literaturgeschichte Deutschlands, der sich nie aus Thomas Manns Schatten befreien konnte. Er war ein Mensch, der als Arzt und Künstler, als Jude und Katholik, als Patriot und Sozialist in die Tragödien des 20. Jahrhunderts hineingezogen wurde.
Alfred Döblin wurde am 10. August 1878 in Stettin geboren.
Salman Rushdie wurde vor 70 Jahren am 19. Juni 1947 in Bombay geboren. Salman Rushdie ist ein britisch-indischer Schriftsteller, der zu den bedeutendsten Vertretern der zeitgenössischen Literatur gehört. Seine Erzählungen reichert er mit Elementen aus der Märchenwelt an. Dieses Vermischen von Mythos und Fantasie mit dem realen Leben wird als "Magischer Realismus" bezeichnet. Rushdie gilt als das indische Pendant zu Gabriel García Márquez.
Der Schriftsteller schrieb mit Vernunft und Phantasie gegen religiöse Hetze. Mit seinem Roman »Mitternachtskinder« wurde er weltberühmt. Mit seinem 1988 erschienenen Roman »Die satanischen Verse« hatte er sich den Zorn vieler Muslime zugezogen, die sich in ihrem religiösen Empfinden verletzt fühlten.
Im Februar 1989 verkündete der iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini einen Mordaufruf ("Fatwa"), mit einer "Belohnung" von einer Million Dollar. Er beschuldigte den Schriftsteller, den Islam beleidigt zu haben. Anfang der 1990er Jahre tauchte Rushdie, der seit 1961 in England lebte, unter und führt seitdem ein Leben im Untergrund.
"Man wacht jeden Tag in einer anderen Welt auf."
Salman Rushdie
Neun Jahre verbarg sich Rushdie an ständig wechselnden Orten und trat in der Öffentlichkeit nur unter extremen Sicherheitsvorkehrungen oder als Überraschungsgast auf. Erst ab 2006 konnte er nach Jahren unfreilliger Emigration wieder ein "normales" Schriftstellerleben führen.
Seine Bücher erhielten renommierte internationale Auszeichnungen, u.a. den Booker Prize, und sind in zahlreiche Sprachen übersetzt. 1996 wurde ihm der Aristeion-Literaturpreis der EU für sein Gesamtwerk zuerkannt. 2008 schlug ihn die Queen zum Ritter.
Lew Kopelew starb vor 20 Jahren am 18. Juni 1997 in Köln. Lew Kopelew war ein russischer Germanist, Schriftsteller und Humanist mit dem Werdegang eines Dissidenten. Er war ein Zeitzeuge des Jahrhunderts. Ab 1980 lebte er im unfreiwilligen Exil in Deutschland und wurde zu einer bedeutsamen Figur im bundesdeutschen Geistesleben. Der enge Freund Heinrich Bölls und Marion Gräfin Dönhoffs setzte sich unermüdlich für Verständnis und Aussöhnung zwischen Ost und West ein.
Seit Mitte der sechziger Jahre setzte er sich zunehmend für Andersdenkende wie Andrej Sacharow und Alexander Solschenizyn sowie für den Prager Frühling ein. Hierdurch geriet er in immer stärkere Opposition zu dem sich wieder verhärtenden Regime. Er verlor immer mehr den Glauben an den Kommunismus und wurde, als er gegen den Einmarsch anderer kommunistischer Länder in die Tschechoslowakei und die brutale Zerschlagung aller Reformerfolge protestierte, mit Parteiausschluss, Schreibverbot und dem Verlust seiner Stelle am Institut für Kunstgeschichte bestraft. Damit endeten für ihn die letzten Hoffnungen, die er in den Kommunismus gesetzt hatte.
Kopelew wollte in den Westen reisen, aber er wollte auf keinen Fall seine Heimat aufgeben und ins Exil gehen. Eine Einladung von Böll und Marion Gräfin Dönhoff zu einer Studienreise nach Deutschland, der ein langes diplomatisches Ringen um eine Rückkehr-Garantie vorausgegangen war, ließ Kopelew 1980 das Wagnis eingehen, mit seiner Frau ins Ausland zu reisen. Nachdem Kopelew sich zu Anfang des Jahres mit anderen Intellektuellen für Andrej Sacharow eingesetzt hatte, wurden ihm und seiner Frau überraschend im Oktober die Genehmigung zur Ausreise erteilt. Mitte November traf das Ehepaar in Köln ein.
Doch schon Anfang 1981 wurde die Auslandsreise zum Exil – man hatte das Ehepaar ausgebürgert. Nach einer Reise in die USA wurde Köln die neue Bleibe für das Ehepaar Kopelew-Orlowa. Raissa Orlowa hatte wesentlich größere Schwierigkeiten, sich in Deutschland einzugewöhnen, als ihr mit der deutschen Kultur aufs beste vertrauter Mann. Sie berichtet in einem Buch über das ihr nur langsam zur Gewohnheit werdende Leben in Deutschland. Kopelew wurde kurz nach Ankunft deutscher Staatsbürger.
Aufgrund der Perestroika Gorbatschows erhielt Kopelew 1989 die Erlaubnis, seine alte Heimatstadt Moskau zu seinem 77. Geburtstag zu besuchen. 1990 konnte er Russland ein zweites Mal besuchen. Er reiste durch das Land und besuchte alte Freunde, doch das Land war ihm inzwischen fremd geworden. Da seine Frau Raissa 1989 gestorben war, ging er schließlich wieder nach Köln zurück, um dort seine Arbeit zur Versöhnung der Völker fortzusetzen.
Am 18. Juni 1997 starb Lew Kopelew in Köln. Seine Urne wurde nach Moskau überführt, wo die Asche auf dem Donskoi-Friedhof neben seiner Frau Raissa Orlowa beigesetzt wurde.
Geboren wurde der Humanist und Weltbürger Lew Kopelew am 9. April 1912 in Kiew.
Viktor Martinowitsch, 1977 in Belarus geboren, studierte Journalistik in Minsk und lehrt heute Politikwissenschaften an der Europäischen Humanistischen Universität in Vilnius. Er schreibt regelmäßig für ZEIT online. Martinowitsch wurde bekannt mit dem Roman »Paranoia« (2014), der in Belarus nach Erscheinen inoffiziell verboten wurde. »Paranoia« ist ein am 13. Juni 2017 auf deutsch erschienener Roman des weißrussischen Schriftstellers Viktor Martinowitsch.
Ein totalitäres Regime im Osten Europas. Der junge Schriftsteller Anatoli lebt relativ unbehelligt – bis die geheimnisvolle Jelisaweta in sein Leben tritt, mit der er eine leidenschaftliche Affäre beginnt. Doch plötzlich ist Jelisaweta spurlos verschwunden und Anatoli wird vom omnipräsenten Geheimdienst zum Gespräch gebeten. Einige Verhöre später ist Anatoli hinabgezogen in den bedrohlichen Strudel der falschen Behauptungen, Lügen und Intrigen. Die Grenze zwischen Realität und Albtraum löst sich auf. Die Paranoia schlägt zu.
Ein Roman aus Weissrussland mit aktuellem politischen Hintergrund. Darin geschildert wird ein allgegenwärtiger Staat, der das Leben total überwacht. In diesem Staat kann gelebt werden, sofern seine Regeln eingehalten bleiben. Das brilliant geschriebene Werk, dessen Personen miteinander und gegeneinander vielschichtig agieren, stellt seine kritischen Fragen an jede Gesellschaft, die über ihre Mitglieder Daten sammelt. Wem das gleichgültig ist, wird sich nicht wundern müssen, in Datenbanken mehr und mehr eingeschlossen zu werden. Wer sich dagegen stemmt, wird sich nicht wundern müssen, von Paranoia heimgesucht zu werden. Ein wichtiges Buch aus Weissrussland für Westeuropa.
»Landschaften nach der Schlacht« von Juan Goytisolo ist ein im Jahr 1982 erschienener Roman des spanischen Schriftstellers Juan Goytisolo. Der Titel des Romans ist allerdigns etwas irreführend: der Roman ist kein Schlachtengemälde, sondern ein stilvolles Selbstportrait. Darin negiert der innovative Autor so ziemlich alle politischen und moralischen Überzeugungen, als Homosexueller lässt er seine bürgerliche Herkunft ebenso hinter sich wie die katholische Religion, mit der er schon früh gebrochen hat.
Es handelt sich nicht um ein Geschehen, das sich mit handelnden Personen allmählich entfaltet. Vielmehr wird ein Protagonist erkennbar, der alles Mögliche tut, um den Wirklichkeitsgehalt seiner Aussagen zu verschleiern, dessen Aussagen überwiegend sarkastisch also indirekt sind, der in seiner Person solche Extreme vereinigt, dass es kaum möglich ist, ihn als ein einheitliches Ich zu erkennen und der vor allem seine Eindrücke vom Sentier-Viertel in den Vordergrund stellt (Sentier: gekennzeichnet durch eine chaotische Völkermischung, nur noch wenige Franzosen sind da, stattdessen findet eine für die Franzosen bedrohliche Überlagerung durch fremde ethnische Gruppen, Gebräuche, Zeichen statt).
Der Sprecher, der früher Korrespondent war und für sozialistische Ideale kämpfte, hat nicht mehr das Gefühl, ein gefestigtes Ego zu haben: "Mehr denn seine früheren Besuche als Korrespondent in den vielfältigen Spannungszentren dessen, was man unzutreffend Dritte Welt nennt, hat der lange Aufenthalt im Sentier unseren Helden die heilsamen Tugenden des Relativismus gelehrt. Wie der komplizierte, wundersame Mikrokosmos der Zellen birgt sein Viertel das universale Chaos. Eingetaucht in sein flüssiges Protoplasma hat der Schreiber nach und nach auf seine egozentrischen Anmaßungen verzichtet.
Von Mario Vargas Llosa als aufregendes apokalyptisches Werk bezeichnet, sprengt dieser innovative Roman die biederen bürgerlichen Vorstellungen in einer "Periode planetarischer Ungewissheit", hinterfragt gnadenlos wohlfeile gesellschaftliche Klischees. Schauplatz ist das zentrale Pariser Viertel Le Sentier, das ein Protagonist, erkennbar nur an der immergleichen Kleidung, als Flaneur ruhelos durchstreift.
Seine Identität bleibt fraglich, letzten Endes weiß er nicht mehr, ob er dieses abseitige Individuum ist, das seinen Namen usurpiert, oder ob dieser Goytisolo ihn eben erschafft. Die Perspektive wechselt unablässig zwischen dem auktorialen Erzähler, der seinen Protagonisten als pensionierten Schriftsteller schildert, und dem schrulligen Helden, dessen abartige Neigungen und sonstigen Spleens ebenso verstörend wirken wie seine fremdenfeindlichen Obsessionen.
»Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen« von Wolfgang Hilbig ist ein Erzählband über seinen Heimatort, die Erzählungen haben eigentlich keine Handlung, sie handeln von Meuselwitz - dem Ort, an dem Hilbig 1941 geboren wurde und an dem er lange Zeit lebte, bevor er 1985 nach Westdeutschland übersiedelte.
»Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen«, wie auch schon frühere Werke, lässt darauf schliessen, dass Hilbig nie wirklich aus Meuselwitz herausgekommen ist, diesem Ort südlich von Leipzig, der vorwiegend aus heruntergekommenen Industriebrachen besteht. Die in der Jugendzeit angesiedelten Texte vermitteln, dass Hilbig geradezu körperlich an Meuselwitz klebt, wo er sich fast zwanghaft in den Elementen, in Tümpeln, im Schlamm, in der Erde aufgehalten hatte. Mit Vorliebe unter der Oberfläche, in Kellern und Gruben.
Sofern in den Erzählungen überhaupt Ansätze von Handlung zu erkennen sind, so scheinen diese lediglich dazu angetan zu sein, Zustände zusätzlich atmosphärisch zu untermalen. Der Mensch Hilbig hat kaum Erinnerungen an Tätigkeiten, von denen er berichten will; an einer Stelle schreibt er, das Fehlen von Erinnerungen behindere ihn als Schriftsteller. Umso erstaunlicher sind Wucht und Kraft seiner Sprache. Starke Bilder zeugen von seinen Erfahrungen als Trinker, die in die Ausweglosigkeit führten - sowohl volle als auch leere Flaschen blitzen als Menetekel auf. Rückhaltlose Offenheit bis hin zur Selbstbezichtigung prägt Hilbigs Stil.
Wer nach den Gründen für Hilbigs Daseins- und Ausdrucksform sucht, findet einen Ansatzpunkt in der letzten Erzählung im Band, "Der schwarze Mann". Darin macht sich ein früherer Stasi-Mann an den Erzähler heran, um ihm von seiner Überwachungstätigkeit zu berichten. Der Geheimdienstler streicht heraus, dass er den Schriftsteller vor politischen Repressalien beschützt habe. Schmeichlerisch gesteht er ihm die Bewunderung für die Liebesbriefe, die der Schriftsteller einer A. geschrieben hatte.
Er habe durch diese Briefe selber Gefühle für A. entwickelt und auf die Beziehung Einfluss genommen, indem er Briefe und Karten zurückbehalten habe. Dass er durch diese Anmassung des Schriftstellers Beziehung zu A. vielleicht gar zerstört hatte, macht ihn nicht wirklich schuldbewusst, er wirkt eher schmierig-kumpelhaft. Man gewinnt den Eindruck, dass in der DDR mit der Verhinderung von echter Intimität auch das Entwickeln von Individualität verhindert wurde, was es den Menschen verunmöglichte, nach der Wende ihren eigenen Weg zu finden, weil sie "keinen Begriff von sich selbst" hatten, wie er es in dieser Erzählung ausdrückt.
Der spanische Schriftsteller Juan Goytisolo ist tot. Er starb am Sonntag im Alter von 86 Jahren im marokkanischen Marrakesch.
Juan Goytisolo gehörte zu den bedeutendsten Schriftstellern der spanischen Gegenwartsliteratur. Für sein schriftstellerisches Lebenswerk wurde er 2014 mit dem »Premio Cervantes« ausgezeichnet. In seinem Werk befasst sich Goytisolo mit den Spuren, die der Spanische Bürgerkrieg und die Franco-Diktatur in Spanien und bei ihm selber hinterlassen haben.
Den spanischen Schriftsteller hätte der Geiz der Blog-Leser sehr gegrämt.
Kein Geld für Bücher haben, aber jede Menge Zeit zum Gaffen.
Der Katalane besuchte eine Jesuitenschule, begann danach ein Jurastudium und schrieb einen ersten - nie veröffentlichten - Roman. 1953 brach er das Studium ab und unternahm mehrere Reisen nach Paris. 1954 veröffentlichte er den Roman »Juegos de manos«, auf den zahlreiche weitere Romane folgten, die in viele Sprachen übersetzt wurden und den Autor zu einem der wichtigsten spanischen Autoren der Gegenwart machen. 1957 zog er nach Paris und nahm eine Lektoratstätigkeit bei Gallimard auf, wo er sich für die Verbreitung der spanischen Literatur in Frankreich einsetzte.
Der spanische Schriftsteller Juan Goytisolo wurde in seiner Heimat oft als Nestbeschmutzer angesehen. Er war politisch ein linientreuer Stalinist, der aus dem faschistischen Spanien nach Frankreich floh, wo er beim angesehenen Gallimard-Verlag als Lektor tätig wurde. Seine Bücher waren von 1963 bis zum Tod Francos in Spanien verboten. Von 1961 bis 1964 unternahm er mehrere Reisen nach Kuba, Nordafrika und in den Nahen Osten. 1964 gab er die Verlagstätigkeit auf, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Seit 1969 übernahm er Gastprofessuren u.a. an den Universitäten La Jolla/Kalifornien, Boston und New York.
Seine ersten Romane waren »Juegos de manos« (1954), und »Duelo en el paraíso« (1955), welche Tendenzen des sozialen Realismus der 50er Jahre aufzeigen. Die darauffolgenden Romane, »El circo« (1957), »Fiestas« (1958) und »La resaca« (1958), eine Trilogie, spiegeln ein anti-(spieß) bürgerliches Gedankengut wider, das sich auch in seinen Texten »Problemas de la novela« (1959) und »Campos de Níjar« (1960) wiederfindet.
Goytisolos Hauptwerk ist eine von Américo Castros Roman »Vision und Wirklichkeit« (1948/1953) Geschichtsbild beeinflusste Romantrilogie, bestehend aus den Romanen »Identitätszeichen« (1978), »Rückforderung des Conde don Julián« (1976) und »Johann ohne Land« (1981). »Identitätszeichen« (»Señas de identidad«) aus dem Jahr 1966 ist eines der berühmtesten und bedeutendsten Werke der spanischen Literatur. Die Trilogie ist durchwirkt von religiösen Auseinandersetzungen, wie Goytisolo sie zumal in den Werken von José Maria Blanco White fand.
Juan Goytisolo hat sich mit Romanen wie »Die Rückforderung des Conde Don Julián« (1976) und »Das Manuskript von Sarajewo« (1999) nicht nur als Literat einen Namen gemacht, sondern als kritischer, engagierter Geist auch vielfach zu politischen Themen in Form von Essays und Reportagen Stellung bezogen und sich dabei vor allem mit dem Islam auseinandergesetzt. In den neunziger Jahren besuchte er das vom Konflikt zwischen Islam und westlicher Welt gespaltene Algerien. Während dieser Reisen entstand »Ein algerisches Tagebuch«.
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Juan Goytisolo wurde am 5. Januar 1931 in Barcelona geboren. Er lebte abwechselnd in Marrakesch und Paris.
»Merlin oder Das wüste Land« von Tankred Dorst ist seine moderne Adaption des Stoffes um den Teufelssohn Merlin, Parzival, König Arthus und die Ritter der Tafelrunde aus dem Jahr 1981. Im Mittelpunkt steht Merlin, einer der bekanntesten mythischen Zauberer des westlichen Kulturkreises. Das Werk handelt von Ideal und Utopie und wie beide letzlich am Menschen scheitern und der Mensch an ihnen.
Tankred Dorst bedient sich der Artussage, entfernt sich aber vollständig vom mythischen Heldencharakter und sucht die verzweifelten Menschen dahinter, die ihrem Schicksal nicht entgehen können, so sehr sie sich auch dagegen wehren.
Die häufigen Szenenwechsel zwischen Camelot und der teilweise ekelhaften Umsetzung der Parzivalsage, die sich immer mehr ineinander verflechten und dabei durch bunte, oft rauschartige Bilder wandern, verwirren etwas, spiegeln aber den Stil und die Aussage des Buches wieder. Auf der einen Seite ein berserkerhaftes Stück. In seiner Reinform unmöglich zu inszenieren.
Berühmte Figuren wie König Arthus, Parzival und Merlin, Galahad und Lancelot garantieren zugleich spannende Unterhaltung und facettenreiche Einblicke in die Vorstellungswelt des ausgehenden europäischen Mittelalters.
Bizarr, grob und brutal, dann aber auch wieder mit unzähligen Feinheiten. Dieses Buch hat meinen Lesegewohnheiten nicht gerade entsprochen, war aber wegen seiner Aussage dennoch lesenswert.
Der mehrfach ausgezeichnete spanische Schriftsteller und Orientexperte Juan Goytisolo ist tot. Der Autor von »Trauer im Paradies« starb am Sonntag im Alter von 86 Jahren in seinem Haus im marokkanischen Marrakesch.
Juan Goytisolo gehörte zu den bedeutendsten Schriftstellern der spanischen Gegenwartsliteratur. Für sein schriftstellerisches Lebenswerk wurde er 2014 mit dem »Premio Cervantes« ausgezeichnet. In seinem Werk befasst sich Goytisolo mit den Spuren, die der Spanische Bürgerkrieg und die Franco-Diktatur in Spanien und bei ihm selber hinterlassen haben.
Der am 5. Januar 1931 als Sohn einer wohlhabenden Familie in Barcelona geborene Goytisolo galt seit Jahren als Kandidat für den Literaturnobelpreis. 2014 erhielt der kritische Intellektuelle in seiner Heimat den renommierten Cervantes-Preis.
Der Katalane galt als Pendler zwischen der westlichen und der arabischen Welt, als Mittler zwischen den Kulturen und den Religionen. Er wuchs in Barcelona auf, ging aber schon 1956 als energischer Gegner des Regimes von Diktator Francisco Franco ins selbstgewählte Exil nach Paris. In Spanien waren seine Werke von 1963 bis zum Tod Francos im Jahr 1975 verboten.
In den 1960er Jahren unternahm Goytisolo viele lange Reisen, unter anderem nach Lateinamerika, Nordafrika und in den Nahen Osten. Er unterrichtete danach an verschiedenen US-Universitäten, bevor er in seinen zweiteiligen Memoiren über seine Kindheit und Jugendzeit und unter anderem auch über seine Homosexualität schrieb.
Er besuchte eine Jesuitenschule, begann danach ein Jurastudium und schrieb einen ersten - nie veröffentlichten - Roman. 1953 brach er das Studium ab und unternahm mehrere Reisen nach Paris. 1954 veröffentlichte er den Roman »Juegos de manos«, auf den zahlreiche weitere Romane folgten, die in viele Sprachen übersetzt wurden und den Autor zu einem der wichtigsten spanischen Autoren der Gegenwart machen. 1957 zog er nach Paris und nahm eine Lektoratstätigkeit bei Gallimard auf, wo er sich für die Verbreitung der spanischen Literatur in Frankreich einsetzte.
Der spanische Schriftsteller Juan Goytisolo wurde in seiner Heimat oft als Nestbeschmutzer angesehen. Er war politisch ein ehedem linientreuer Stalinist, der aus dem faschistischen Spanien nach Frankreich floh, wo er beim angesehenen Gallimard-Verlag als Lektor tätig wurde. Seine Bücher waren von 1963 bis zum Tod Francos in Spanien verboten. Von 1961 bis 1964 unternahm er mehrere Reisen nach Kuba, Nordafrika und in den Nahen Osten. 1964 gab er die Verlagstätigkeit auf, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Seit 1969 übernahm er Gastprofessuren u.a. an den Universitäten La Jolla/Kalifornien, Boston und New York.
Zu seinen bekanntesten Werken gehören »Landschaften nach der Schlacht« (1982), »Die Rückforderung des Conde Don Julián« (1976), »Identitätszeichen« (1978), »Jagdverbot. Eine spanische Jugend«. 2006 erschien sein vielbeachteter Roman »Der blinde Reiter«.
Juan Goytisolo wurde am 5. Januar 1931 in Barcelona geboren. Er lebte abwechselnd in Marrakesch und Paris.
Kaum eine deutsche Schriftstellerin ist so fantasievoll, klug und gleichzeitig so verspielt wie Sibylle Lewitscharoff. »Das Pfingstwunder« erzählt von eimem Leben nach dem Tod und ist ein Loblied auf die Macht der Poesie. »Das Pfingstwunder« von Sibylle Lewitscharoff ist eine Mischung aus hsitorischer Komödie und Gegenwartsroman - ein wahres Konstruktionswunder mit Dantescher Inspiration - trotz der fantastischen Konstruktion mehr Traktat als fiktionaler Roman.
Epikur war sich sicher: Es gibt kein Leben nach dem Tod. Der Mann sollte irren, denn nach seinem Ableben fand sich der griechische Philosoph (341 - 271 v. Chr.) unter den Ketzern im sechsten Kreis der Hölle wieder - wenn man Dante glaubt, der vor 700 Jahren in seiner »Göttliche Komödie« das Jenseits bis ins Detail beschrieb: Neun Höllenkreise für die Sünder, der Läuterungsberg mit dem Fegefeuer und den himmlischen Sphären des Paradieses.
Das Versepos, in dem der italienische Nationaldichter Dante Alighieri (1265 - 1321) das politische Geschehen, das theologische, naturwissenschaftliche und philosophische Wissen seiner Zeit und mit einer hinreißenden Liebeserklärung verknüpft, ernährt die Dante-Forscher bis heute. So auch Gottfried Elsheimer, die Hauptfigur in dem Roman.
Mit 33 Kollegen aus drei Erdteilen ist der Romanist zu Pfingsten 2013 zu einem Dante-Kongress nach Rom gekommem. Er ist überzeugter Agnostiker und knochenharter Realist, doch als vom Petersdom die Glocken läuten, passiert etwas, was eigentlich gar nicht sein kann. Ist Dante doch mehr als nur Dichtung?
Die "Dantisti" gehen die »Commedia Divina« Dantes systematisch durch. Als der Läuterungsberg (Purgatorio) an der Reihe ist, wird die Stimmung ausgelassener. Ähnlich dem der Bibel können die Gelehrten fremde Sprachen verstehen.Siekommen gar nicht mehr dazu, sich mit dem Paradiso zu befassen. Plötzlich verschwinden alle auf wundersame Weise bis auf Elsheimer.
Der hockt 13 Tage später völlig fertig in seiner Frankfurter Wohnung und sucht nach Erklärungen. Er kann niemandem erzählen, was er erlebt hat - man würde ihn ja für verrückt halren. Als 34. Kongressteilnehmer ist er übriggebleiben und mit dieser Zahl hat es in der Danteschen Welt etwas auf sich: 100 Cantos (Gesänge) zählt die »Commedia«, je 33 für Fegefeuer und Paradies, 34 - inklusive Einleitung - für die Hölle.
Das Buch erzählt die Geschichte um den Dante-Forscher Gottfried Elsheimer, der als einziger Teilnehmer eines Dante-Kongresses in Rom nicht gen Himmel fährt, sich fortan mit Fragen der Theodizee beschäftigt, von Vergil in die "Spiralen des inferno" herabgeführt wird und äußert gelehrt alle deutschen Dante-Übersetzungen, inklusive derjenigen Rudolf Borchardts durchrezensiert, zeugt vor allem von Lewitscharoffs Leidenschaft für die Commedia.
Im Mittelpunkt steht die »Göttliche Komödie«, Dantes realismusgetränkter Einblick in die Welt nach dem Tod. Einer der eifrig Debattierenden ist Gottlieb Elsheimer, Frankfurter Romanist und nach eigener Einschätzung eher ein Kandidat fürs Fegefeuer als fürs Paradies.
34 Dante-Forscher aus aller Welt treffen sich Pfingsten 2013 zu einem Kongress, auf dem zentrale Gesänge des Dante’schen Großgedichts »Göttliche Komödie« aus literaturwissenschaftlicher Perspektive abgehandelt werden. Die Beiträge der jeweiligen Dantisti bilden das Gerüst für Lewitscharoffs neuen Roman, dessen Geschehnisse aus Sicht des Frankfurter Italianisten Gottlieb Elsheimer berichtet werden.
Absurd erscheint die Idee der Autorin, die im Buch auftretenden Teilnehmer eines Dante-Kongresses in Rom würden alle Gesänge Dantes leserfreundlich Stück für Stück abhandeln, statt sich an autonomen wissenschaftlichen Fragestellungen zu orientieren. Und obwohl sich der Kritiker auch noch über die ein oder andere Phrase auslässt, die ihm wie aus einem Mädchenroman der frühen sechziger Jahre entsprungen scheint, entdeckt er in diesem Buch dann doch nicht nur ausgezeichnete Beobachtungen, etwa wenn Lewitscharoff die einzelnen Figuren aus Dantes "Göttlicher Komödie" präzise umreißt oder einen snobistischen, von der "eigenen Großherzigkeit gerührten" Akademiker porträtiert, sondern auch herausragende Passagen, etwa über die "Natur der Wahrheit". Nur ein Roman ist es halt nicht.
Das Buch ist trotz der fantastischen Konstruktion mehr Traktat als fiktionaler Roman, in jedem Falle aber klug und - abgesehen von ein paar bemüht lebendigen Passagen - auch unterhaltsam zu lesen.
Wolfgang Hilbig starb vor 10 Jahren am 2. Juni 2007 in Berlin. Wolfgang Hilbig war ein deutscher Dichter und Schriftsteller.
Er war der einzige echte Arbeiterschriftsteller der DDR und damit zugleich eine schreibende Koryphäe, denn Schriftsteller gehörten nicht zum Repertoire und Leitbild der Arbeiterklasse in der DDR.
Aufgewachsen in der Familie der Großvaters in Meuselwitz in Sachsen, absolvierte er eine Lehre als Werkzeugmacher, ging anschließend zur Armee, arbeitete dann als Tischabräumer in einem Ausflugslokal, als Erdbauarbeiter und als Monteur.
Ab 1970 war er Heizer und blieb diesem Beruf viele Jahre lang treu.
Wolfgang Hilbig war ein Arbeiterschriftsteller, aber nicht im Sinne des "Bitterfelder Weges".
Um diese staatlich kontrollierte Richtlinie des Literaturbetriebs zu befolgen, war er einerseits zu sehr tatsächlicher Arbeiter, andererseits literarisch zu begabt.
Hineingeboren in eine Umgebung aus Sprachlosigkeit, galt er spätestens seit seinem Roman
»Ich« als einer der sprachmächtigsten Autoren der deutschen Literatur – und blieb doch ihr geheimnisvollster Außenseiter. Hilbig, der jahrelang als Heizer arbeitete, war in der DDR gezwungen, eine Doppelexistenz zu führen.
Seitdem er sich, losgeworden von der lästigen Doppelexistenz Anfang der 80er Jahre als freischaffender Schriftsteller etablierte, überraschte Hilbig seine Leserschaft allmählich mit längeren Texten, nicht mehr nur Lyrik und Kurzprosa, ab 1989 kann man sich auch über seine Romane freuen.
Nach dem positiv aufgenommenen Erstling "Eine Übertragung", äußert er sich in "Ich" auf 378 Seiten zum Thema der Stasi-Debatte um die enttarnten Literaten der Prenzlauer Berger Szene.
1979 machte sich Wolfgang Hilbig als Schriftsteller selbstständig, seine Aufenthaltsorte wechselten zwischen Ost-Berlin und Leipzig. 1985 verließ er mit einem Reise-Visum die DDR in Richtung Westdeutschland.
Der Heizer schaufelte ein Leben lang Wörter aus den Schächten der Arbeit und der Erinnerung. Häufig ist es Hilbig selbst, über den der schreibt - einer, den die DDR kaputtgemacht hat.
„Die Literatur kann es sein, die der
Gesellschaft ihre noch ungelösten Aufgaben stellt.“
Wolfgang Hilbig
Der Ost-Schriftsteller übersiedelte 1985 aus der DDR in die Bundesrepublik über, wo Hilbig mit Preisen geradezu überhäuft wurde.
Der Schriftsteller erhielt zahlreiche literarische Auszeichnungen, darunter den Georg-Büchner-Preis, den Ingeborg-Bachmann-Preis, den Bremer Literaturpreis, den Berliner Literaturpreis, den Literaturpreis des Landes Brandenburg, den Lessing-Preis, den Fontane-Preis, den Stadtschreiberpreis von Frankfurt-Bergen-Enkheim, den Peter-Huchel-Preis und den Erwin-Strittmatter-Preis.
Wolfgang Hilbig wurde am 31. August 1941 in Meuselwitz bei Leipzig in Sachsen geboren. Als „Kleinstadt des ewigen Nachmittags“ hat Wolfgang Hilbig dieses thüringische Meuselwitz bezeichnet, wo er am 31. August 1941 zur Welt kam.
Der Schriftsteller Tankred Dorst ist im Alter von 91 Jahren in Berlin gestorben. Das teilte der Suhrkamp Verlag mit. Dorst war ein deutscher Dramatiker und Schriftsteller. Tankred Dorst war ein vielfältg begabter Schriffsteller und Dramatiker, der in mehreren literarischen Genres zu Hause war und sich somit der litierischen Kategorisierung entzog. Er hat in Zusammenarbeit mit seiner Frau Ursula Ehler über dreißig Theaterstücke geschrieben. Er war einer der meistgespielten Autoren des deutschen Gegenwartstheaters.
Er lebte seit seiner Studentenzeit in München-Schwabing, wo er seinerzeit begann, für das Marionettentheater Kleines Spiel zeitkritische Stücke zu schreiben, die zum Teil heute noch aufgeführt werden.
Der deutsche Dramatiker hätte sicher sehr gewundert,
welche Folgen der Geiz in den Hirnen hinterlässt,
die sich für Literatur interessieren.
Seinen Durchbruch als Dramatiker verdankte Tankred Dorst einem Missverständnis. Mit seinem Stück "Toller. Eine deutsche Revolution", in dem Dorst die Münchener Räterepublik zu Zeiten des Schriftstellers und Revolutionärs Ernst Toller wieder aufleben ließ, platzte er mitten in die Studentenproteste des Jahres 1968. Die Aufführung wurde zu einem politischen Skandal. Völlig unbeabsichtigt, so Dorst.
"Dass ein Mensch einem anderen vorspielt, wie er sein sollte, sein könnte oder wie er nicht sein sollte, das ist ein menschliches Grundbedürfnis. Das ist der Anfang von Theater.“
Tankred Dorst (1925-2017)
Dorst sagte damals über den "Toller": "Ich dachte nicht daran, dass es aktuell sein könnte. Mich interessiert die Figur, mich interessiert die Zeit, aber von der Politik verstehe ich nichts." Der Dramatiker sagte, er fühle sich nicht als politischer Mensch. Er habe das Stück eigentlich für sich geschrieben. "Und ich dachte auch nicht, dass das jemand aufführen könnte." Dazu sei das Stück auch ziemlich umfangreich. "Und dann hat sich aber während der Arbeit daran dieser Stoff von selber mit Emotionen aufgeladen und wurde plötzlich so aktuell ohne mein Zutun, ich konnte das nicht wissen."
So hat sich Dorst auch danach nicht politisch vereinnahmen lassen. Er blieb geistig unabhängig und vor allem produktiv. Zwei Stücke pro Jahr - dieses Ziel hatte sich Dorst schon früh gesetzt. Geschrieben hat er schließlich insgesamt mehr als 50 Dramen, Drehbücher und Theaterstücke. Sie wurden von Regisseuren wie Peter Zadek, Jossi Wieler und Dieter Dorn uraufgeführt.
Zu seinen bekanntsten Werken gehören "Toller", "Herr Paul. Sieben Stücke" und "Merlin oder das wüste Land".
Im Jahr 1990 wurde Dorst für sein Gesamtwerk mit dem Büchner-Preis ausgezeichnet, dem bedeutendsten Preis für deutschsprachige Literatur. Routine sei das Stückeschreiben trotz hoher Produktivität für ihn nie geworden, so Dorst. "Wenn man zwei, drei Stücke geschrieben hat, und die haben sich auf der Bühne bewährt, denkt man: 'Ich kann das jetzt.' Und dann kam etwas anderes auf mich zu, und dann merke ich: 'Ich kann das überhaupt nicht. Ich muss eigentlich mit jedem Stück neu anfangen.'"
Tankred Dorst wurde am 19. Dezember 1925 in Oberlind, Landkreis Sonneberg in Thüringen geboren.
Vor 90 Jahren wurde Hermann Hesses Roman »Der Steppenwolf« am 1. Juni 1927 - einen Monat vor Hesses 50. Geburtstag - veröffentlicht. Der Roman ist das meistgelesenste Werk Hesses, welches eine Leserschaft auf der ganzen Welt gefunden hat.
»Der Steppenwolf« ist ein sehr vielschichtiger Roman und eines der vielschichtigesten Werke der Literaturgeschichte: Er ist Gesellschafts-, Kultur- und Zeitkritik wie auch Psychoanalyse und Seelendiagnose, welche der Autor in seinem Werk vereinigt. Er hat in diesem Seelenroman ein Grundmotiv der Künstlerproblematik der Moderne gestaltet.
Der Roman »Der Steppenwolf« ist ein experimenteller Roman der großen Seelenentfaltung und erzählt von der Selbstbespiegelung der Seele - er ist eine Kritik der Gesellschaft und eine Persönlichkeitsanalyse gleichermaßen. Ein Roman über einen feinsinnigen Menschen names Harry Haller.Harry Haller, der Protagonist des Romans, leidet an einer starken Seelenpein und inneren Zerrissenheit, die auch eine Seelenkrankheit der Zivilisation ist. Einerseits sieht er in sich den kleinbürgerlichen Menschen, andererseits hegt er einen tiefen Hass gegen alles Bürgerliche.
»Der Steppenwolf« erzählt die Geschichte eines tiefen seelischen Leidens der Hauptfigur Harry Haller, eines Alter Egos Hermann Hesses. Haller leidet an der Zerrissenheit seiner Persönlichkeit: Seine menschliche, bürgerlich-angepasste Seite und seine steppenwölfische, einsame, sozial- und kulturkritische Seite bekämpfen sich und blockieren Hallers künstlerische Entwicklung. Der Weg der Heilung ist die Versöhnung beider Seiten im Humor, im Lachen über sich selbst und das Ungenügen in Kultur und Gesellschaft. Erst mit der Betrachtung der Wirklichkeit vom Standpunkt des Humors werden Hallers weitere, im Roman nicht mehr beschriebene Schritte auf dem Weg seiner künstlerischen Vollendung möglich.
Die Handlung spielt von einem ungefähr fünfzig Jahre alten Mann, namens Harry Haller. Er leidet unter der Zwiespältigkeit seiner Persönlichkeit. Seine Person besteht aus zwei Naturen, einem Wolf und einem Mensch. (vgl. »Der Steppenwolf«, S.55) Die nach Einsamkeit strebende und sozial- und kulturkritische wölfische Seite und die bürgerliche, menschschliche Seite bekämpfen sich stets. Das Leben, das er führte, war das eines Selbstmörders.
Harry Haller ist ein angesehener Mann, bis er seinen bürgerlichen Ruf, samt seinem Vermögen verliert und sein Familienleben über Nacht zusammenbricht und seine Frau hatte ihn rauswirft. Somit beginnt die Vereinsamung. Bei jeder Erschütterung seines Lebens hatte er etwas an Freiheit, an Geist, an Tiefe, aber auch an Einsamkeit und Unverstandensein gewonnen. (S.89) Durch die ständigen Erschütterungen kommt er immer mehr ab vom Normalen, Gesunden und Erlaubten. (S.89) „Er suchte über den Trümmer seines Lebens den zerflatternden Sinn, litt das scheinbar Unsinnige, lebte das scheinbar Verrückte, hoffte heimlich im letzten irren Chaos noch Offenbarung und Gottesnähe.“(S.47) Einziger Trost und eine Stütze für ihn sind, dass er sich jederzeit durch den Tod von seinem unerträglichen Leidesakt erlösen kann. (S.64)
Kontinuierlich verlor Harry Ansehen und Vermögen. Seine geisteskrank gewordene Frau warf ihn aus dem gemeinsamen Haus, und für einige Zeit fand er sich mit seinem einsamen Leben ab. Langsam aber sicher sah er auch darin keinen Sinn mehr. Selbst seine Geliebte Erika besuchte ihn nur selten. Um sich nicht mehr mit dem Sinn des Lebens beschäftigen zu müssen, trank er fast jeden Abend in einer Kneipe einige über seinen Durst. Nach einem solchen Abend begegnete er einem Mann, der für eine "anarchistische Abendunterhaltung im magisches Theater" warb und ihm ein Jahrmarktheft in die Hand drückte. Der Titel lautete: "Tractat vom Steppenwolf. Nur für Verrückte." Diesen Text fügte Harry seinen Aufzeichnungen hinzu.
„Er ahnt seine Stellung im Weltgebäude, er ahnt und kennt die Unsterblichen, er ahnt und fürchtet die Möglichkeit einer Selbstbegegnung, er weiß vom Vorhandensein jenes Spiegels, in den zu blicken er so bitter nötig hätte, in den zu blicken er sich so tödlich fürchtet.“
Nach dem Besuch bei einem Professor ist er kurz bevor, sich umzubringen, doch er entscheidet sich für einen anderen Weg und geht in ein Lokal, dort trifft er auf eine junge Frau namens Hermine. In ihr kann er das Spiegelbild seiner Seele erkennen. Sie, ihre Kollegin Maria und der Musiker Pablo lernen Harry das Leben zu leben. Zum Schluss, im magischen Theater, sind ihm unter Drogeneinfluss all die Türen seiner vielen Seelen geöffnet. Durch dieses magische Theater begreift er, dass der Weg zur Heilung die Versöhnung aller Seiten im Humor ist. Er muss lernen, über sich selbst und die Unfähigkeit der Gesellschaft zu lachen, anstatt sich über das Leben zu ärgern.
Im magischen Theater stehen alle Spiegel seiner Seele offen. Nun blickt Haller in alle Facetten seiner Seele.
Im Roman gibt es eine Rahmenerzählung; „Das Vorwort des Herausgebers“, eine Binnenerzählung; „Harry Hallers Aufzeichnungen“ und noch eine Geschichte in der Binnengeschichte; „Das Tractat vom Steppenwolf“. Die Handlung ist in der Rahmenerzählung in der Ich-Erzählform geschrieben, aus der Sicht des Neffen der Tante, in wessen Dreifamilienhaus Haller ein Mansardenzimmer mietet. Die Binnenhandlung ist auch in der Ich-Erzählform geschrieben, aus der Sicht von Harry Haller, das „Tractat vom Steppenwolf“ ist hingegen in der Er-Erzählform formuliert. Bei beiden Ich-Erzählungen wird jeweils die Innensichtweise geschildert, da man weiss, was in den Erzählern vorgeht. Bei der Er-Erzählung ist die Innensichtweise vom Steppenwolf Harry bekannt.
Hermann Hesse hat für den Roman die Form des Bildnisses gewählt und so ist »Der Steppenwolf« eine bildnishafte Erzählung, in der Bilder aneinander gereiht werden, eine romanhafte Bilderfolge sozusagen. Diese Erzählung ist voll aufgeladen mit mythischen und phantastischen Bildern, welche in loser Abfolge erzeugt werden und an die Dichtkunst des Dichters Novalis erinnern.
»Harry Haller ist in das kulturlose und unmenschliche Inferno unserer prunkenden und lärmenden Gegenwart vorgedrungen und steht mit seinem Begriff von Menschenwert… einsam außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft. Seine Sehnsucht kennt eine unerreichbare Wirklichkeit: seine Verzweiflung treibt ihn zuweilen in die erreichbare andere zurück. Lust und Enttäuschung ihres Daseins führen in seinem Herzen und Hirn einen Kampf, an dem die Zivilisation Europas mit ihrem ganzen Bestände und Befunde teilnimmt.« Oskar Loerke
»Der Steppenwolf« ist eine Kritik der Gesellschaft und eine Persönlichkeitsanalyse gleichermaßen.
Das Werk ist ist ein Seelen- und Entwicklungsroman von experimenteller Gewagtheit - etwa vergleichbar mit dem »Ulysses« von James Joyce. Die bewegende Geschichte des Steppenwolfes ist eine Versöhnung mit sich. Roman »Der Steppenwolf« ist ein empathisches Werk, das alle Sinne anspricht. Hierin wird nach Kräften gegessen, getrunken, geschmeckt, gelebt und geliebt.