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Samstag, 10. Juni 2017

»Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen« von Wolfgang Hilbig

Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen
Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen

»Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen« von Wolfgang Hilbig ist ein Erzählband über seinen Heimatort, die Erzählungen haben eigentlich keine Handlung, sie handeln von Meuselwitz - dem Ort, an dem Hilbig 1941 geboren wurde und an dem er lange Zeit lebte, bevor er 1985 nach Westdeutschland übersiedelte.

»Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen«, wie auch schon frühere Werke, lässt darauf schliessen, dass Hilbig nie wirklich aus Meuselwitz herausgekommen ist, diesem Ort südlich von Leipzig, der vorwiegend aus heruntergekommenen Industriebrachen besteht. Die in der Jugendzeit angesiedelten Texte vermitteln, dass Hilbig geradezu körperlich an Meuselwitz klebt, wo er sich fast zwanghaft in den Elementen, in Tümpeln, im Schlamm, in der Erde aufgehalten hatte. Mit Vorliebe unter der Oberfläche, in Kellern und Gruben.

Sofern in den Erzählungen überhaupt Ansätze von Handlung zu erkennen sind, so scheinen diese lediglich dazu angetan zu sein, Zustände zusätzlich atmosphärisch zu untermalen. Der Mensch Hilbig hat kaum Erinnerungen an Tätigkeiten, von denen er berichten will; an einer Stelle schreibt er, das Fehlen von Erinnerungen behindere ihn als Schriftsteller. Umso erstaunlicher sind Wucht und Kraft seiner Sprache. Starke Bilder zeugen von seinen Erfahrungen als Trinker, die in die Ausweglosigkeit führten - sowohl volle als auch leere Flaschen blitzen als Menetekel auf. Rückhaltlose Offenheit bis hin zur Selbstbezichtigung prägt Hilbigs Stil.

Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen
Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen

Wer nach den Gründen für Hilbigs Daseins- und Ausdrucksform sucht, findet einen Ansatzpunkt in der letzten Erzählung im Band, "Der schwarze Mann". Darin macht sich ein früherer Stasi-Mann an den Erzähler heran, um ihm von seiner Überwachungstätigkeit zu berichten. Der Geheimdienstler streicht heraus, dass er den Schriftsteller vor politischen Repressalien beschützt habe. Schmeichlerisch gesteht er ihm die Bewunderung für die Liebesbriefe, die der Schriftsteller einer A. geschrieben hatte.

Er habe durch diese Briefe selber Gefühle für A. entwickelt und auf die Beziehung Einfluss genommen, indem er Briefe und Karten zurückbehalten habe. Dass er durch diese Anmassung des Schriftstellers Beziehung zu A. vielleicht gar zerstört hatte, macht ihn nicht wirklich schuldbewusst, er wirkt eher schmierig-kumpelhaft. Man gewinnt den Eindruck, dass in der DDR mit der Verhinderung von echter Intimität auch das Entwickeln von Individualität verhindert wurde, was es den Menschen verunmöglichte, nach der Wende ihren eigenen Weg zu finden, weil sie "keinen Begriff von sich selbst" hatten, wie er es in dieser Erzählung ausdrückt.

Literatur:

Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen
Der Schlaf der Gerechten: Erzählungen
von Wolfgang Hilbig

Weblinks:

Wolfgang-Hilbig-Gesellschaft: Aktuell - www.wolfgang>-hilbig.de

Biografie - Wolfgang-Hilbig-Gesellschaft - www.wolfgang-hilbig.de/wolfgang-hilbig/biografie

Erinnerung an Wolfgang Hilbig: Eine Liebe von damals - www.tagesspiegel.de › Kultur


Blog-Artikel:

Wolfgang Hilbig 10. Todestag

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