Menue

Samstag, 13. Juni 2020

»Aus dem Leben eines Taugenichts« von Joseph von Eichendorff


Joseph von Eichendorff ist die poetische Stimme der Romantik, der das Gefühl der Romantik in seinen Romanen zum Ausdruck gebracht hat. »Aus dem Leben eines Taugenichts« - Eichendorffs Novelle über die Leichtigkeit des Seins - gehört zu den bedeutendsten und schönsten Werken Eichendorffs - ja der deutschen Romantik. Nur selten wurde das Lebensgefühl der Romantik so klar und anschaulich wiedergegeben wie in diesem Prosawerk, in das auch einige der berühmten Gedichte Eichendorffs aufgenommen wurden. Das Werk steckt voller Motive der Romantik, z.B. Schlösser, Gärten, Wälder.


Aus dem Leben eines Taugenichts
Aus dem Leben eines Taugenichts

Der Taugenichts verkörpert nichts anderes als die Sehnsucht nach Ferne, die Leichtigkeit des Seins, die sich in Träumereien zeigt und die erst durch den Unmut des Vaters zum Handeln aktiviert wird. Und nichts ist ihm so fremd und so verhasst, wie ein Leben, orientiert an Sicherheit und eignem Vorteil.

"Ich kann dich nicht länger füttern, der Frühling ist vor der Türe. Geh auch einmal hinaus in die Welt und erwirb dir selber dein Brot", dieser Satz ist der Startschuss zum Lauf hinaus in die Welt. Eine fröhliche und gesangs- orientierte Wanderung, die dann in erzählender naiver Sprache zu einem Märchen wird, wo nur "holde Frauen" und "weiße Schlösschen" ihm begegnen und letztendlich nur die Unerreichbarkeit der schönen Damen und das Weiter-Sehnen, ihn auf der Wanderschaft zu halten scheinen.

"Wem Gott will rechte Gunst erweisen, / Den schickt er in die weite Welt."
Der Vater will also seinen müßigen Sohn nicht länger am väterlichen Tische dulden und schickt ihn in die Welt hinaus. Er zögert nicht mit dem Aufbruch in die Ferne. Über Wien führt ihn der Weg nach Rom, eine Stadt, die ihn im hellen Schein begrüßt, als ob Engel dort stünden und sängen. Die Stadt, die aber auch ihr säkularisiertes Bild in Form von Verführung zeigte. Der Taugenichts konnte der Verführung widerstehen.


Eichendorffs Taugenichts ist eine Symbolfigur der Romantik. Er führt das Leben eines realisierten Traumes, der zu schön, um wahr zu sein scheint, so das man jederzeit den Moment des Aufwachens befürchtet. Doch es ist nicht der Taugenichts, der aufwacht, sondern wir, die Leser, die sich dann schmerzlich der sehnsuchtsvollen Identifizierung mit dem Romantiker bewusst werden und daher sofort wieder, selbstvergessen, dem Leben dieses Wanderburschen beiwohnen wollen.

Denn dieser Jüngling vermittelt uns wieder den verloren gegangenen Klang einer Welt, der sich heute leider zu einem Lärm, bedingt durch das hektische Streben nach Selbstverwirklichung, verwandelt hat. "Die Erde selber rauscht, wenn man zu hören versteht", doch wir sind so vereinnahmt und verwurzelt, dass wir dieses Hören stattdessen überhören. Unser Taugenichts ist jemand, der "hat sein Sach auf Nichts gestellt" und verspürt dem Klang seines Herzens in die Welt zu folgen und sein Glück zu suchen. Seinem Dorf den Rücken weisend, zieht er von dannen und zückt geschwind seine Geige herbei und weiß munter drauf los zu trällern "Wem Gott will rechte Gunst erweisen [...], dem will er seine Wunder weisen".

Genau dieser Glaube scheint ihn zu beflügeln und seine Abenteuer vorantreiben zu lassen, so dass sein stetiges Fortgehen eigentlich ein fließendes Ankommen darstellt. Sein Zuhause ist die Verkörperung des freien Lebens, ob es eine herrliche Frühlingswiese oder ein nach Holz duftender Wald ist, überall dort, wo er sich mit einem größeren Ganzen verbunden fühlt, sieht er sich in einer harmonischen Symbiose zwischen Natur und Mensch beheimatet. Dieses luftige, erfrischende und durch exstatische Naturerlebnisse geprägte Wanderleben, kommt so wunderbar zeitlos daher, da sich seine Erlebnisse, aufgrund ihrer schnellen Vergänglichkeit, jedweder Zeitigung entziehen.

So wird er Gärtner, Zollmeister, dann wieder Wanderer, plötzlich hält man ihn für einen Grafen, dann wieder wandern und doch scheint es, als unterstehe alles einem Plan, einer Abfolge wie in einem Roman, in dem er, der unwissende Protagonist ist und von einer unsichtbaren Hand geleitet wird. Eine unsichtbare Hand, wie sie doch eigentlich nur von der Liebe und ihrer Magie geführt zu werden versteht und die es vermag ihn auf omnipräsente Weise, in Form einer Essenz immer zu begleiteten, um sein Herz zu seiner alten Schlossliebe Aurelia zurückzubringen. Schließlich war er doch wegen eines gebrochenen Herzen von seinem ersten Aufenthaltsort, einem Schloss, davongegangen. Jenem Ort, an dem er das schöne junge Mädchen, das erste Mal sah, wo er ihr das erste Mal vorsang, wo er ihr täglich frische Blumen pflückte, wo sich sein Herz, allein durch einen Gedanken an sie schon verkrampfte.

Am Ende laufen alle Fäden wieder zum Schloss, dem Zielort einer sich findenden Liebe, die sich durch ihre Distanz erst richtig entdeckte, um dann erst vollständig entflammen zu können. Und so stellt sich die Frage ob denn unser Romantiker wirklich ein Taugenichts war, oder ob er nicht gerade die wunderbarsten Eigenschaften, wie Herzlichkeit, Natürlichkeit und Selbstlosigkeit besaß. Seine authentische und liebevolle Art öffnete ihm stets die Türen und brachte ihn schließlich mit seiner Herzensdame zusammen. Somit war er doch eigentlich ein Glückspilz und kein Taugenichts.

Für Eichendorff, stellte die Phase der Selbstfindung, wie sie der Taugenichts durchlebte, jenen ganz besonderen Lebensabschnitt dar, in dem sich die großen Visionen und Pläne entwickeln können und man sich von den bürgerlichen Pflichten, als Müßiggänger distanzieren kann. Insgesamt eine wundervolle Novelle, die sich für den gemütlichen Nachmittag im Garten anbietet.

Eichendorffs »Taugenichts« ist mit der Verweigerung bürgerlicher Pflichten und der Relativierung jeglichen Nützlichkeitskalküls bis heute Vor- und Traumbild (post)-modernitätsgestresster Bewohner einer entzauberten Welt. Dass dieser Taugenichts jedoch nicht so ohne weiteres zu unserem Zeitgenossen zu machen ist, signalisiert diese mustergültig kommentierte Studienausgabe: Die authentische Textgestalt, die hier erstmals außerhalb der historisch-kritischen Ausgabe präsentiert wird, zeigt bereits den historischen Abstand auf.

Joseph von Eichendorff war und ist einer der beliebtesten Dichter in der Geschichte der deutschen Literatur. In seiner oft volksliedhaften Lyrik ist der Wortschatz nicht sehr groß, seine Motive wiederholen sich. Aber der Ton seiner Poesie ist unverwechselbar, die Musikalität ihrer Sprache immer wieder erstaunlich.

»Aus dem Leben eines Taugenichts« ist ein Sehnsuchtsroman für Daheimgebliebene, angefüllt mit den Motiven der Romantik. Eichendorff lässt seinen Wanderburschen allein in die weite Welt reisen, um den Daheimgebliebenen von der Reise erzählen zu können. Das Reisen macht den Reisenden und auch den Leser zu einem besseren Menschen.

Für Eichendorff ist die Romantik eine Lebensart. Sie kann an andere Menschen weitergegeben werden und kann sogar in gewissem Maße ansteckend sein. Die Begabung des Taugenichts liegt darin, Leuten die Romantik näher zu bringen. Wenn er „die Geige [hervor zieht]“ (Lektüre; S. 50; Z. 35) oder seine Lieder singt, dann kann er immer Leute dazu bringen mit zu singen oder zu tanzen. Auch schafft er es den Menschen damit eine Freude zu machen.

Weblinks:

Ein unverwechselbarer Ton - www.faz.net


Joseph von Eichendorff Titel: Aus dem Leben eines Taugenichts
- www.klausschenck.de


Literatur:

Aus dem Leben eines Taugenichts
Aus dem Leben eines Taugenichts
von Joseph von Eichendorff

Frühlings Begrüßung

https://www.youtube.com/watch?v=JW82XOnEz2o

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen