Menue

Samstag, 10. September 2022

»Der abenteuerliche Simplicissimus« von Jacob Grimmelshausen


»Der abenteuerliche Simplicissimus« von Jacob Grimmelshausen ist das bedeutendste Werk der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts.
Der bedeutendste barocke Schelmenroman in deutscher Sprache erschien 1668 und gilt als ebenbürtiger Bruder von Cervantes' »Don Quijote«.
»Es hat mir so wollen behagen, mit Lachen die Wahrheit zu sagen«, schrieb der Dichter zu seinem berühmten Werk, das er als humorvolle autobiographische Ich-Erzählung seines Helden präsentiert. Kein anderes Werk des Barock hat dieses Zeitalter zwischen derber Sinnenfreude und vom Kriege gezeichneter Jenseitssehnsucht so plastisch einzufangen vermocht und in unsere Zeit vermittelt.

Der 1668 erschienene »Simplicissimus« ist eine Darstellung der Zeit des Dreißigjährigen Krieges und eine anschauliche Schilderung des Alltags im währen dieser Zeit aus der Sicht eines Zeitzeugen.Grimmelshausen hat mit dem Volk gelebt. Er hat fünfzehn Jahre im Krieg verbracht, wurde als Knabe von Soldaten verschleppt, war Trossknecht, Musketier, Schreiber, später Verwalter, Gastwirt und Schultheiß. Er weiß, wovon er spricht.

Vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges entwickelt sich die abenteuerliche Lebensgeschichte eines nur scheinbar einfältigen Knaben aus dem Spessart in bunten Episoden: Bei einem Eremiten, als Hausnarr des Stadtkommandanten von Hanau und als Knecht eines Dragoners wächst der Junge heran, stellt sich in den Dienst kaiserlicher Truppen und besteht als »Jäger von Soest« vielfältige Abenteuer. Sein Weg führt ihn nach Paris und Wien und zurück in den Schwarzwald, wo er sich als Bauer niederläßt. Von dort bricht er nach Moskau auf und landet schließlich nach einem Schiffbruch auf einer paradiesischen Insel im Indischen Ozean, wo die Lebensbeschreibung in einer beschaulichen Robinsonade ausklingt.


Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1622 - 1676), Regimentsschreiber in der kaiserlich Habsburger Armee, veröffentlichte im Jahre 1669 einen Roman, der den 30jährigen Krieg (1618 - 1648) aus erster Hand schilderte: "Der abenteuerliche Simplicissimus". Viele Landstriche in Deutschland fanden die Chronisten erst um 1700 wieder leidlich bevölkert.

Wie aber dokumentierte der Zeitzeuge Gimmelshausen die wütenden Schlachtengemetzel und die furchtbaren Leiden der Bevölkerung? Verlieh er seiner tiefen Betroffenheit Ausdruck oder schockierte er mit schonungslosem Realismus? Tobte er mit zornigem Ingrimm oder zählte er die Opfer mit sachlicher Nüchternheit? Das Titelbild des historischen Hörspiels, ein rechter Wolpertinger aus Satyr und Chimäre (künstlerisch authentisch, da dem Frontispiz des Erstdrucks entlehnt), liefert einen ersten Eindruck von der Intention des Autors. Ein Mischwesen aus Spott und Abenteuer wollte er schaffen, nichts weniger als - Satire.

Das Personal der Geschichte verkörpert seine Ideen. Närrische Gesellen wie der verdrehte "Jupiter" oder das "Kalb von Hanau" halten ihren Zeitgenossen den Spiegel vor. Und hohe Militärs machen sich entweder zum Affen oder sie wählen den Ausstieg aus der Gesellschaft.

Durchaus moderne Verhaltensweisen, so oder so. Grimmelshausens Werk bleibt zeitlos aktuell: Hohe Offiziere verkünden den "einzig wahren" Glauben und versuchen ihn dadurch zu beleben, indem sie ihre Soldaten in den Tod hetzen. Bankiers und Kriegsgewinnler betrügen ihre Klienten für ein bisschen Rendite. Die einzig Weisen sind und bleiben: die Narren. Der Autor verfasste demnach einen Schelmenroman, keinen Kriegsbericht.

Seine Biografie steht in krassem Gegensatz zu den Lebensläufen der zeitgenössischen Gelehrtendichter, und obgleich sein »Simplicissimus« sofort ein großer Erfolg wurde, blieb er stets ein Außenseiter im Literaturbetrieb seiner Zeit. Sein Roman strotzt nicht nur von Alltagsdetails und verschiedenen Spezialkenntnissen, etwa wie man im Würfelspiel betrügt oder die braven Bauern mit medizinischen Tinkturen übers Ohr haut, sondern er zeugt auch von einer unheimlichen Belesenheit.

https://images-na.ssl-images-amazon.com/images/I/51fmS54JtAL._SX312_BO1,204,203,200_.jpg

Dies ist ein Schelmenroman, ein Entwicklungsroman, eine soziale Satire, und ein Kompendium verschiedenster Erzählweisen. Grimmelshausen mischt fröhlich Lebenserzählung und Traktat, collagiert Gedichte und Briefe, Reportage und Phantastik. Mangel an Anschaulichkeit kann man ihm nicht vorwerfen.Kühn werden theologische, philosophische, politische, naturkundliche, astrologische Wissensdiskurse seiner Zeit in den Fluss der Lebenserzählung des »Simplicissimus« integriert.

Literatur:

Der abenteuerliche Simplicissimus
Der abenteuerliche Simplicissimus
von Jacob Grimmelshausen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen