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Mittwoch, 21. Dezember 2022

»Deutschland. Ein Wintermärchen« von Heinrich Heine



Das 1844 veröffentlichte „Wintermärchen“ ist eine Symbiose aus versifizierter Reisedokumentation und politischer Satire und fußt auf einer tatsächlich stattgefundenen Reise, die Heine nach 13-jährigem Pariser Exil im Oktober 1843 von Paris nach Hamburg unternimmt. Das Motiv der Reise gibt dem „Wintermärchen“ den einheitlichen Rahmen für die Darstellung des vorrevolutionären Deutschland.

Bei dieser Reise ist sehr interessant, dass die einzelnen Stationen der Reise durch preußisch regiertes Land führen, wo die Schriften des Jungen Deutschlands verboten sind, das Reiseziel Hamburg jedoch von Preußen politisch unabhängig ist.

Die im „Wintermärchen“ erwähnten Reisestationen sind real existierende Städte und Gegenden. Den Charakter dieses Reiseberichts unterstreicht Heine durch die scheinbar authentische Darstellung der Sachverhalte. Zum Beispiel benennt er die Kapitel mit dem wissenschaftlichen Terminus „Caput“ und verwendet seine reale Reiseroute als Vorlage für das „Wintermärchen“.

Heine schrieb sein kunstvolles Versepos "Deutschland. Ein Wintermärchen" im Januar 1844 in Paris, »und die freie Luft des Ortes wehete in manche Strophe weit schärfer hinein, als mir eigentlich lieb war. Ich unterließ nicht, schon gleich zu mildern und auszuscheiden, was mit dem deutschen Klima unverträglich schien«.


In diesem Gedichtszyklus verarbeitet Heine die Eindrücke, die er bei seiner Deutschlandreise ein Jahr zuvor unternommen hat. Er zeigt die Misere der deutschen Verhältnisse auf. Dabei besitzen die Verse eine beißende Satire. Man kann den Text so erklären: Heine besucht seine Mutter in Deutschland, die er viele Jahre schon nicht mehr gesehen hat und verarbeitet das in seinem „Wintermärchen". Es ist grundsätzliche Kritik an den deutschen Verhältnissen der Zeit in einer Bissigkeit, die sie nur außerhalb des Einflußbereichs der deutschen Zensoren haben konnte.

Trotz des starken Realitätsbezugs und der realistischen Schreibart darf man nicht vergessen, dass das „Wintermärchen“ im doppelten Sinne ein Kunstwerk ist, das in 27 Capita und durchgehend vierzeiligen Strophen, die aus jeweils zwei Langzeilen bestehen, humoristisch-pointiert über Deutschlands politischen Winterschlaf während der Restauration berichtet. „Diese Art des Beschreibens ist nachromantisch, biedermeierlich, der Stil im Vormärz“ , damit ähnelt es Heines ersten politischen Schriften, den Reisebildern: nicht umfassend oder objektiv, dafür aber ironisch pointiert.

Die Hauptfigur des Kunstepos ist eine Heine ähnliche, aber nicht dem Autor entsprechende Person. Sie trägt keinen Namen, wird weder innerlich noch äußerlich explizit beschrieben und reist durch Deutschland, um seinen „Freunden“ ein „neues Lied“ zu dichten und seine Mutter in Hamburg zu treffen. Aber, auch wenn man den Reisenden nicht mit dem Autor gleichsetzen kann, stehen durch die ständige Gegenwart des Dichters [...] im Wintermärchen satirische Kritik und heiteres oder pathetisches Bekenntnis besonders eng nebeneinander.

Heines Kampf für die Freiheit hat seine Hochzeit mit dem „Wintermärchen“ erreicht, was er explizit in seinem Brief an seinen Verleger Campe 1844 ausgedrückt hat:

Es ist ein gereimtes Gedicht, welches, [...] die ganze Gährung unserer deutschen Gegenwart, in der keksten, persönlichsten Weise ausspricht. Es ist politisch romantisch und wird der prosaisch bombastischen Tendenzpoesie hoffentlich den Todesstoß geben. Sie wissen ich prahle nicht, aber ich bin diesmal sicher daß ich ein Werkchen gegeben habe, das mehr furore machen wird als die populärste Broschüre und das dennoch den bleibenden Werth einer klassischen Dichtung haben wird. [...] Aber zugleich werden Sie sehen, daß dieses Büchlein durch keine Censur gehen darf. [...] Kurz ich will überraschen, einen Schlag machen –

Durch das „Wintermärchen“ will er Deutschland aus seinem politischen Winterschlaf wecken, jedoch nicht – wie man, durch den Titel gelenkt, erwarten könnte – märchenhaft, mittelalterlich und ritterlich, sondern er möchte durch die romantisch anmutende, schnell umschlagende Erzählstruktur “überraschen, einen Schlag machen“, der ganz Deutschland aus dem schläfrigen, vergangenheitsbehafteten Zustand weckt.

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