Menue

Dienstag, 25. Juni 2024

Goldene Topf E.T.A. Hoffmann


»Der goldene Topf« ist ein 1814 erstmals erschiene Erzählung, die fünf Jahre später noch einmal überarbeitet wurde. Mit „Ein Märchen aus der Zeit“ ist die berühmte Erzählung des deutsch-romantischen Schriftstellers E.T.A. Hoffmann Der goldene Topf aus dem Jahr 1814 unterschrieben.

In der kunstvollen Erzählung wird Anselmus' Weg vom Tollpatsch zum Kopisten und letztlich zum Dichter im phantastischen Atlantis geschidelt. Atlantis heißt der Ort, in dem der Held des goldenen Topf sein ewiges Glück als Schriftsteller finden soll. Auf der Erde von ewigem Versagen und Tollpatschigkeit geplagt ist der Student Anselmus wenig glücklich. Als er am Allerseelentag auf dem Markt in Dresden den Apfelkorb einer alten Frau umwirft, ruft ihm diese einen Fluch hinterher. Anselmus lässt sich am Ufer der Elbe nieder und sieht im neben ihm befindlichen Holunderbusch eine Schlange, in deren blaue Augen er sich sofort verliebt. Noch nicht bereit, sich dieser magischen Liebe hinzugeben, sucht er Kontakt zu dem für das Philistertum vieler Charaktere in dieser Erzählung typischen, alten Freund Konrektor Paulmann, dessen Tochter Veronika an ihm interessiert ist, und ihn heiraten möchte, weil er angeblich Chancen auf den Titel des „Hofrats“ habe. Des Weiteren lernt er über einen weiteren Bekannten den Archivarius Lindhorst kennen, bei dem er eine Anstellung als Kopierer alter Schriften bekommt. Der alte Lindhorst ist ein verschrobener Charakter, doch genießt er auch Ansehen in der Bevölkerung. Bald stellt sich jedoch heraus, dass die rein äußere Tätigkeit als Alchimist und Bibliothekar nicht alles ist, was sich hinter seinem Charakter verbirgt. Er ist Träger verschiedener Zauberkünste und eröffnet Anselmus, dass die Schlange, die er einst am Ufer der Elbe gesehen, hat seine Tochter Serpentina ist. Er erzählt ihm eine magische Geschichte von der Feuerlilie und dem Salamander, von denen er abstimmt, und die einst in Atlantis, dem fernen, märchenhaften Ort, von dem er kommt, Krieg mit einem Drachen führen mussten. Lindhorst selbst ist als Nachfahre aus Atlantis verbannt und darf erst dann dorthin zurückkehren, wenn es ihm gelingt, seine drei Töchter zu verheiraten. Veronika, die Anselmus als ihren künftigen Gatten schwinden sieht, sucht sich Hilfe bei der alten Hexe, die einst in der Gestalt des Äpfelweibs aufgetreten ist, und steckt Anselmus in eine Art Reagenzglas. Lindhorst allerdings eilt ihm zu Hilfe, besiegt die Gegnerin und eröffnet Anselmus die Möglichkeit, mit Serpentina nach Antlantis zu gehen, da nun alle drei Töchter verheiratet sind. In ewiger Glücklichkeit leben sie dort fort, Anselmus kann seinem erträumten Beruf als Poet nachgehen und hat sämtliche, weltliche Kategorien hinter sich gelassen.


Die Erzählung hat viele sprachlich schillernde Seiten, die die Lektüre mit Sicherheit sehr bereichern. Allein die Szene am Ufer der Elbe, in der Anselmus fremden Stimmen nacheifert, und das Lispeln der Schlagen für das Rauschen des Windes hält, hat einen sehr magischen Charakter, in dem man sich wiederfindet. Die Erzählung beginnt recht klar und nachvollziehbar, verliert aber bald den logischen Handlungsstrang und setzt das Verständnis des Lesers für die verschiedenen, magischen Vorkommnisse in dieser Geschichte voraus. In der Annahme, hier auf eine möglicher-weise parabelartige, märchenhafte Geschichte zu stoßen, sieht man sich mit E.T.A. Hoffmanns Werk bald mit einer in Teilen abstrusen und undurchsichtigen Erzählung konfrontiert, von der man vieles erahnen muss, um der Handlung weiter folgen zu können. Wenn sich Türknäufe verwandeln, Schlangen auf einmal für Menschen anziehend sind, und jeder weiß, dass die alte Frau magische Fähigkeiten hat, damit sie Veronika einen Spiegel schenkt, ist dies aber für mich persönlich doch an vielen Stellen zu viel des Guten gewesen. Mir ist das Buch an einigen vielen Stellen entglitten, als es sich auch von seiner sprachlichen Kunstfertigkeit, die am Anfang angedeutet worden ist, trennte, und sich vielmehr auf das Ausschmücken der extrem komplexen Handlung konzentrierte. Was Hoffmann ehrt ist die grandiose Idee dieser wirklich kreativen, einfallsreichen Geschichte. Die Umsetzung ist aber – wenn man sein Werk mit anderen Texten der Romantik vergleicht – unnötig kompliziert. Für viele Leser mag gerade dieses „um die Ecken denken“ reizvoll sein, doch hat dieses intensive Verwirrspiel, das ständige Hin- und Her zwischen Real und Märchen, für mich von der Aussage der Erzählung abgelenkt. Anselmus strebt nach dem Glück, strebt danach, das sein zu können, was er sein will, in einer Gesellschaft, in der Erwartungen über dem eigenen Glück und dem eigenen Gedanken stehen. Eine interessante, intensive und wichtige Thematik, wie ich finde. Wenn man sich lange mit diesem Text auseinandersetzt, wird man sicher auch diese Aspekte finden. Doch ist es für mich bei diesem Buch ein wenig wie bei einen Witz: wenn man ihn erst erklärt bekommen muss, bzw. darüber nachgrübeln muss, wo der Gag versteckt sein könnte, ist der Spaß auch dann weg, wenn man die versteckte Ironie gefunden hat. Ein wenig so verblasst auch der Charakter des Anselmus, weil er erst durch das Abtragen zahlreicher Erzählschichten wirklich zum Vorschein kommt, und deswegen überhaupt nicht lebendig sondern nur durch aufwendige Textarbeit erkennbar und logisch erscheint. Von Plastizität der Figuren ist demnach nicht mehr zu reden. Auch das Verschwimmen der Welten wäre vielleicht eindeutiger und ergreifender gewesen, hätte Hoffmann seine literarische Kraft auf die Beschreibung der Gedankenwelt des Anselmus konzentriert, und nicht einfach die Annahme, der Leser würde schon herausfinden, was er meint, vorausgesetzt.

Doch hat die Erzählung natürlich auch ihre vielen, guten Seiten, denn nicht ohne Grund ist »Der goldene Topf« eines der angesehensten Bücher deutscher Sprache. Rein vom literarischen Niveau ist hier das Spiel mit den Erzählperspektiven noch abschließend zu nennen: die immer wechselnden Blickweisen, die vom auktorialen zum personalen Erzähler wechseln, dann in die Gedankenwelt des Anselmus eindringen und sie ebenso wieder verlassen, mit den Erzählungen des Archivarius Lindhorst aber auch gerne mal diesen Planeten verlassen und nach Atlantis fliegen, hat Hoffmann auf jeden Fall eine schriftstellerische Meister-leistung vollbracht. Und – auch wenn ich es für das reine Lesen und seine Wirkung eben kritisiert habe – natürlich ist auch die Vielschichtigkeit dieser Erzählung, das viele Verbergen und Verstecken der Handlung, eine literarische Leistung; denn: wenn man sich die Mühe gemacht hat, alles nach und nach aufzudröseln, jeden Satz fünfmal zu lesen um ihn zu verstehen, um zu begreifen, dass hier wieder einer dieser Sprünge stattgefunden hat, die uns wieder in eine ganz andere Geschichte und Personenkonstellation mitnimmt, dann wird man merken, dass dieses Kunstmärchen durchaus Sinn ergibt. Unter diesem Aspekt betrachtet kann man vielleicht auch als einfacher Leser ein wenig Freude an diesem spätromantischen Werk finden, das in mein Leben zwar mit seiner Aussage keineswegs eingegriffen hat, allerdings doch, in vielerlei Hinsicht, ein qualitativ hochwertiges Stück Literatur ist.

E.T.A. Hoffmann schreibt, und das steht außer Frage, romantik-kritische Texte – vielleicht ist auch das der zentrale Aspekt, warum uns seine Bücher heute so gefallen und warum sie so wenig kitschig und aus der Zeit gefallen scheinen. Die Lektüre des Sandmanns lohnt sich auf jeden Fall, ganz abgesehen davon, dass er mittlerweile hoch oben auf den Listen der Bücher steht, die man im Laufe seines Lebens gelesen haben sollte. Er ist an manchen Stellen besser zu verstehen als andere, ausgefallenere Werke Hoffmanns, ist aber meines Erachtens auch nicht fehlerfrei. Vielleicht ist er aber gerade deshalb für die Literaturwissenschaft so unheimlich reizvoll.

Die Erzählung ist in vielerlei Hinsicht ein für den viel gelesenen und auch oft geschätzten Hoffmann typischer Text, denn sie verlässt – wie für die Romantik übrig – die Realität in eine ferne, erdachte Parallelwelt, allerdings nicht mit den Mitteln, derer sich seine Artgenossen bedient haben werden (melodische, weltfremd anmutende Beschreibungsweise), sondern mit dem Mut, die weltlichen Kategorien vollkommen zu verlassen und wirklich in eine überirdische Welt abzudriften.

Literatur:

Der goldene Topf
Der goldene Topf
von E.T.A. Hoffmann


Der goldene Topf
von E.T.A. Hoffmann

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen