Der Bauch von Paris
Emile Zola unternahm den Versuch, die gesamte menschliche Gesellschaft seiner Zeit in einer gewaltigen Romanfolge darzustellen. Von 1869 bis 1893 konzipierte er, nach dem Vorbild von Balzac, die meisten seiner Romane als Teile eines Zyklus mit dem Titel »Les Rougon-Macquart«. Die biologische und soziale Geschichte einer Familie im Zweiten Kaiserreich. Der Roman-Zyklus »Les Rougon-Macquart« erzählt die Geschichten der beiden Familien Rougon und Marquart.
Im dritten Band der Rougon-Macquart-Reihe schildert Zola das Leben und Sterben in den Pariser Hallen, wo Hunger und gewaltiges Überangebot an Lebensmitteln nebeneinander existieren können. Im Mittelpunkt steht die Familie der Lisa Macquart, welche den Fleischer Quenu geheiratet hat und die mit ihrer Familie nach bescheidenem Wohlstand strebt. Den Gegenpart zu Lisa bildet der der Bruder ihres Mannes, welcher wegen revolutionärer Umtriebe in die Verbannung geschickt war und der eben erst inkognito fast verhungert und mit knapper Not nach Paris zurückgekehrt ist. Zola schildert den Widerstreit zwischen dem bürgerlichen Wohlstand der Familie Lisas sowie den dilettantischen revolutionären Umtrieben ihres Schwagers, welche am Ende in erneuter Verbannung enden.
Die eigentliche Hauptrolle dieses Bandes spielen aber die Pariser Hallen: eine solch bildreiche und detaillierte Beschreibung der Händler in den Markthallen sowie der ungeheuren Mengen an Lebensmitteln hat es in dieser Plastizität noch nicht gegeben.
Mit diesem Roman zeichnet Zola eine Beschreibung des Menschenschlages, den man wohl heute als "Mittelschicht" beschreiben würde, die ihres gleichen sucht. Eindrucksvoll und stimmig werden Parallelen zwischen der aus allen Sinnen schöpfenden Beschreibung der Lebensmittel zur Lebensweise und den Charakteren der Protagonisten gezogen.
Es gibt die "fetten" und zufriedenen, die sich auf ihrem Platz eingerichtet haben und auf alle anderen herbschauen, sich für rechtschaffen und ehrlich halten, und dennoch nicht nicht scheuen, Außenseiter mit allen Mitteln aus ihrem Umkreis zu entfernen. Es gibt die Heuchler und Klatschbasen, die um eines kleinen eigenen Vorteils Willen andere opfern, die Schwätzer und die Aufschneider. Es gibt die Denkfaulen.
Aber es gibt auch die Unabhängigen - unabhängig nicht nur von dieser nur auf sich bezogenen Gesellschaft des Stadtviertels, sondern unabhängig eben auch von den allgegenwärtigen Nahrungsmitteln. Der gebildete, aber erfolglose Maler auf der Suche nach der modernen Kunst, der alles aus der Distanz betrachtet und auch stets die solche behält.
Zola zeichnet ein zeitloses Gesellschaftsportrait.
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