Im Jahr 1948 schrieb Ilse Aichinger, 1921 in Wien geboren, ihren einzigen Roman »Die größere Hoffnung«, in dem sie autobiografisch das Schicksal rassisch verfolgte Kinder und einer jungen Halbjüdin während der Zeit des im Nationalsozialismus schildert. Der Roman »Die größere Hoffnung« entstand in den ersten Nachkriegsjahren und nahm Aichinger dermaßen in Anspruch, dass sie ihr Medizinstudium abbrach.
Ihr einziger Roman ist eine literarische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg der unmittelbaren Nachkriegszeit. Er schildert das von Angst und Terror erfüllte, ständig zwischen Hoffnung und Verzweiflung pendelnde Leben einer Gruppe von rassisch verfolgten Kindern in einer großen Stadt, die unschwer als ihre Heimatstadt Wien zu erkennen ist.
Als »Halbarierin« war Aichinger in der NS-Zeit nicht unmittelbar bedroht, musste allerdings miterleben, wie nahe Verwandte deportiert wurden. Diese leidvollen Erfahrungen bilden die autobiografische Basis des Romans, dessen Hauptfigur Ellen ebenfalls zwei »falsche«, d. h. jüdische Großeltern hat.
Ob die weite Welt wirklich weit ist,
das liegt an jedem Menschen.
»Die größere Hoffnung« ist ein allegorischer Roman. In verfremdenden Bildern erzählt er von der Angst, von der Bedrohung und der widerständigen Hoffnung der "Kinder mit den falschen Großeltern". Diese Kinder, die nach den Nürnberger Gesetzen als jüdisch oder - wie die Hauptfigur Ellen - als halbjüdisch gelten, leiden unter Isolation, Demütigung und Verhöhnung. Aber immer wieder wird von unnachgiebigem Widerstand erzählt, "als könne es ruhig den Kopf kosten, wenn es nur nicht das Herz kostete".
Ellen hofft auf die Emigration, doch sie erhält kein Visum. Zwar hat sie Angst vor der geheimen Polizei, dennoch behält sie die Hoffnung. Bei der Einnahme der Stadt trifft sie auf Jan. Als er verwundet wird, soll sie seine Kameraden eine Nachricht überbringen.
Aus solchem Widerstand heraus leben die verfolgten Kinder: Nachdem ihre Hoffnung auf Auswanderung zunichte geworden ist, erwächst ihnen eine ganz andere, die "größere Hoffnung". Dazu gehört die Gewißheit, "daß irgendwann der Abschied endet und das Wiedersehen beginnt", und dazu gehört auch, daß Liebe und Leiden eins werden: "Peitscht uns, tötet uns, trampelt uns nieder, einholen könnt ihr uns erst dort, wo ihr lieben oder geliebt werden wollt." Diese Hoffnung haben die Opfer ihren Mördern voraus.
"Da gibt es Kapitel einer Mischung aus bewältigender Angst, aufgehobener Zeitgeschichte und messianischer Hoffnung, wie sie niemand mehr seither so gespannt zustande brachte." (Joachim Kaiser)
Für ihren Roman, ihre Gedichte, Hörspiele und Prosastücke, die in viele Sprachen übersetzt wurden, erhielt sie zahlreiche literarische Auszeichnungen, u. a. 1952 den Preis der Gruppe 47, 1982 den Petrarca-Preis, 1983 den Franz-Kafka-Preis, 1995 den Österreichischen Staatspreis für Literatur. Ilse Aichinger lebt heute in Wien.
Weblink:
Ilse Aichinger Die größere Hoffnung - www.dieterwunderlich.de
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