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Mittwoch, 24. Juni 2015

»Herzog« von Saul Bellow

Herzog
Herzog

Der 1964 veröffentlichte Roman »Herzog« gilt als das Hauptwerk von Saul Bellow, spielt im Intellektuellenmilieu und beschreibt in einer speziellen Erzähltechnik die Lebens- und Orientierungskrise des jüdischen Literaturwissenschaftlers Moses Herzog aus Chicago, der sowohl zwischen verschiedenen Frauen als auch verschiedenen Ideologien steht. »Herzog« hat starke biografische Züge und zeichnet ein Gesellschaftsbild der USA in den 1960ern, welche diesen herausragenden Roman prägen.

Moses Elkanah Herzog ist die Titelfigur des Romans, die sich in einer tiefen Lebenskrise befindet. Seine zweite Ehe ging gerade in die Brüche, seine Exfrau spielt ein mieses, intrigantes Spiel mit ihm, will nichts mehr von ihm wissen und hat sich auch noch seinen ehemals besten Freund geangelt (das ganze von langer Hand geplant), zudem sieht er seine Kinder nur noch selten. Herzog zweifelt an allem. Er ist hin- und hergerissen zwischen Frauen und auch zwischen diversen Lebensanschauungen, lernt eine neue Frau kennen, plant einen Mord und besiegelt durch einen Autounfall seinen psychischen Tiefpunkt.

Nach der gescheiterten Ehe mit Daisy, mit der er einen halbwüchsigen Sohn hat, scheitert auch die Ehe mit Madeleine, mit der er eine kleine Tochter hat. Madeleine betrügt ihn mit seinem früher besten Freund Valentine Gersbach, dem er aufgrund seiner Beziehungen noch eine gute Stellung beim Rundfunk in Chicago verschafft hatte. Madeleine zuliebe gibt Herzog seine Universitäts-Laufbahn auf und zieht mit ihr für ein wissenschaftliches Projekt ein Jahr aufs Land. Wegen wachsender Konflikte zwischen ihnen gehen beide wieder in die Stadt zurück, wo er nun Vorlesungen an einer Volkshochschule hält. Madeleine trennt sich von ihm und setzt ihre Liebesaffaire mit seinem besten Freund fort, Herzog macht mit seinem Bruder eine Europareise, von der er aber labiler als vorher zurückkehrt. Mehr und mehr hat er das Gefühl, dass er „entzweiging - auseinanderbrach“: seine Vorlesungen werden verworren und er wird sonderlich.

Seine Selbsterforschung und seine Rechtfertigungen treiben ihn zu ersten Notizen, die sich allmählich zu Briefen an Freunde, Bekannte, andere lebende und tote Schriftsteller und zuletzt auch: Nietzsche und Gott, auswachsen. In diesen Briefen nimmt Herzog nicht nur zu seinen privaten Anliegen sondern auch zu sozialen (Armut, Landverteilung) und politischen Entwicklungen (Kalter Krieg) kritisch Stellung und erweist sich als linker Liberaler, dem auch der Marxismus nicht fremd ist: Er selbst könne sich mit einschließen, wenn er von den „Millionen verbitterter Voltairianer“ schreibe, deren Seelen mit zorniger Satire angefüllt seien.

Nach den langen Schilderungen der Eskalation zwischen Madeleine und Herzog reflektiert er über seine japanische Freundin Sono und über seine neue Partnerin, Ramona, die besser als er selbst seine Bindungsängste und die Bedeutung seiner sich von ihm distanzierenden Frau (Madeleine) erkennen. Schließlich reist er wieder in sein Landhaus, in dem er mit Madeleine gelebt hat, um seinem Sohn aus erster Ehe nahe zu sein, der ein Sommercamp besucht. Auf diesen letzten Seiten gibt es mehr und mehr Hinweise auf eine Besserung seines Zustands, das Aufscheinen von Gelassenheit und Freude über neu empfundene sinnliche Eindrücke der Natur.

Die Person des Moses Elkanah Herzog ist ein gebildeter Neurotiker und ein manischer Briefeschreiber. Sinn und Zweck der Briefe: Herzog will sich und seinen Adressaten die Welt erklären. Aber eines Tages stellt er inmitten eines Papierhaufens fest: er ist gescheitert, die Welt lässt sich nicht erklären. Mit einem feinen Gespür für die Bruchstellen der amerikanischen Gesellschaft und viel Galgenhumor hat Saul Bellow einen ramponierten Helden geschaffen, der versucht, mit sich und seiner Umgebung ins Reine zu kommen.

Man kann diesen Roamn auch als Parabel auf die damalige Zeit auffassen. Saul Bellow macht es aber deem Leser nicht unbedingt leicht, die Geschichte Moses Elkanah Herzogs zu lesen, der sein Leben bilanziert. In Briefen, monologartigen Selbstspiegelungen legt er Zeugnis von sich ab, schlägt dabei einen schonungslosen Ton an, der nicht selten mürrisch, trüb wirkt, fast lebensüberdrüssig. Sein Scheitern sucht nach Rechtfertigung, nach einem Ausweg in die Wirklichkeit, die ihn umgibt. Faszinierend in all seinen Verzweigungen, aber etwas anstrengend im Ganzen. Es gibt einige Romane von Bellow, die leichter zugänglich sind.


Sein Roman »Herzog« bildet für viele den Höhepunkt in Saul Bellows Karriere. Die brillante Erzähltechnik und die Prägnanz der intellektuellen Abschweifungen begründeten den Ruf des Ostküstenschriftstellers als einer der wichtigsten amerikanischen Nachkriegsautoren.

Saul Bellows Werk hat eine große Resonanz, ein einhellig gutes Echo neben Hymnen voll des Lobes hervorgerufen. »Saul Bellow ist der beste amerikanische Schriftsteller, den wir haben.«, titelte die »The New York Times« euphorisch. Und das Magazin »Time« zählt den Roman zu den besten 100 englischsprachigen Romanen, die zwischen 1923 und 2005 veröffentlicht wurden. - Wenn das mal keine Empfehlung ist!

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