Eugen Ruge wurde 2011 für seinen Debütroman »In Zeiten des abnehmenden Lichts« mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Damals ging es um das generationenübergreifende Schicksal seiner Familie in der untergehenden DDR.
Nach einigen weniger erfolgreichen Romanen hat sich der 1954 geborene Autor nun erneut seiner Familie zugewandt. Die Geschichte seiner kommunistischen Familie ist das Lebensprojekt des Schriftstellers Eugen Ruge. In dem Roman »Metropol« erzählt er von seiner Großmutter, einer Agentin, die während des Großen Terrors in Moskau lebte.
»Metropol« springt gegenüber dem Erstling einige Jahre zurück und zeichnet das Leben Ruges Großmutter ab 1936 in der Sowjetunion nach.
Auf der Flucht vor den Nazis ist die Kommunistin Charlotte mit ihrem Mann Wilhelm in die Sowjetunion emigriert. Dort arbeiten beide in der „Komintern“, einer Organisation, in der Kommunisten aus dem Ausland tätig sind.
Doch schon bald rückt etwas in den Mittelpunkt ihres Daseins, das heute als die „Große Säuberung“ bekannt ist. Diktator Stalin ließ damals und auch später noch zum Teil völlig grundlos Menschen verhaften und zum Tode verurteilen, die seine Macht gefährden konnten. Es begann eine Zeit der Angst und der Denunziation.
Auch Charlotte und Wilhelm sind bedroht. Sie kannten jemanden der Verhafteten. Allein das reicht schon, sie ihres Jobs bei der Komintern zu entheben und sie im Hotel „Metropol“ – darauf bezieht sich der Titel – zu parken. Eine quälende Zeit der Ungewissheit beginnt.
Dem Autor gelingt es hervorragend, den Schrecken greifbar zu machen, dem politisch tätige Menschen in dieser Zeit in der Sowjetunion ausgesetzt gewesen sein müssen – einem Land, in dem man bei Minusgraden im Winter nach Lebensmitteln anstehen musste und es keine vernünftigen Schuhe gab.
Ruge stellt jedoch nicht allein Charlotte in den Vordergrund. Er lässt uns auch in die Köpfe eines Richters schauen, der Todesurteile am Fließband unterschreibt, und einer weiteren Komintern-Mitarbeiterin.
In diesem großen Roman geht es um die blutig enttäuschten Träume und Irrtümer, die Charlotte und Wilhelm nur zufällig überlebten – und deren Drama jetzt hoffentlich viele berühren wird.
Man entkommt dem Sog dieses Romans so wenig wie dessen meiste Akteure dem stalinistischen Vernichtungswillen, und obwohl man um den groben Verlauf der historischen Ereignisse weiß, ist die semifiktionale Geschichte immer wieder überraschend. Ruge nennt sie im Epilog eine Erzählung darüber, "was Menschen zu glauben bereit, zu glauben imstande sind". Das ist in der Tat unglaublich. Und das macht Eugen Ruges "Metropol" zu einem extrem lesenswerten Geschichtsroman.
»Metropol« ist ein würdiger Nachfolger des Erfolgsromans aus dem Jahre 2011. Schon die wahre Geschichte klingt so spektakulär, als wäre sie erfunden. Ein ebenso klug komponiertes wie spannendes Buch.
Literatur:
Metropol von Eugen Ruge
Eugen Ruge: Metropol
Rowohlt, Oktober 2019
432 Seiten, Gebundene Ausgabe, 24,00 Euro
Blog-Artikel:
»In Zeiten des abnehmenden Lichts« von Eugen Ruge
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