Adalbert Stifter hat die Nachwelt polarisiert - veralteter Langweiler oder aktueller Erzählkünstler?
Die einen erinnern sich an den idyllischen österreichischen Heimatdichter, andere an den exzellenten Erzähler des 19. Jahrhunderts, wieder andere an den Verfasser langweiliger Schullektüre mit seinen schier endlosen, minutiösen Schilderungen von Landschaft und Natur. Die wenigsten verbinden mit dem Namen Stifter den großen Erzähler, der in seinem Werk die Leidenschaften und Abgründe menschlichen Lebens zu bannen sucht, und zwar auf eine Weise, die sich zwar nicht unmittelbar erschließt, dem Kenner seines Werkes aber über ein künstlerisches Erlebnis hinaus eine tiefe Erkenntnis über das Rätsel Mensch vermittelt.
Auf Schriftsteller hat Stifters Erzählkunst jedoch eine fazinierende Wirkung ausgelöst. Es waren immer wieder Schriftsteller, die insbesondere von seinem Spätwerk angezogen, ja fasziniert waren, von dem ruhigen, langsam fließenden, fast übergenauen Duktus seiner Sprache, von den handlungslosen, groß angelegten Tableaus von Häusern, Landschaften, Gärten, die geplant, errichtet, bewirtschaftet werden, als sei es ein Sinn an sich. Andere sind von Stifter sofort zu Tode gelangweilt und halten ihn keine drei Seiten lang aus, weil nichts passiert.
Friedrich Hebbel versprach demjenigen die Krone von Polen, der den freiwillig, ohne als Rezensent verpflichtet zu sein, zu Ende lese. Die letztgenannte Gruppe von Stifter-Lesern beziehungsweise Nichtlesern bemerkt zumeist eines nicht: dass nämlich unter der Ruhe und der viel (manchmal zu viel) gepriesenen Klarheit des späten Stifter etwas sehr Beunruhigendes steckt, das zu benennen schwer fällt. Vielleicht ist es die Beschwerde darüber, dass die Welt so nicht ist, wie sie da beschrieben (erfunden, ersehnt) wird.
Die Beschwerde darüber, dass sie so sein sollte, aber nicht ist. Diese quasi idyllischen Gemälde Stifters funktionieren wie eine Linse, durch die man hindurchschaut, um die Welt dann bedauerlicherweise klarer zu sehen, die ganz und gar nicht so ist wie bei Stifter.
Die Welten Stifters stehen nicht allein groß und mächtig, wie gemeißelt, auf dem Papier und genügen sich, nein, vielmehr liest man zwischen den Zeilen überall die Sehnsucht nach ebendem, was in den Zeilen steht. Stifters Sehnsucht ist die danach, dass das, was er schreibt, die Welt sei. Sie ist es aber nicht. Und sie war auch nicht Stifters Welt.
Das ist das Tragische an Stifter, daß er wußte, daß die Welt eine andere war und ist. Hebbel muß beim »Nachsommer« ein anderes Buch gelesen haben. Und hat in anderen Welt gelebt, sow wie Stifter in seiner.
Weblinks:
Eine ganze Welt zwischen den Zeilen - www.zeit.de
Adalbert Stifter-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de
Adalbert Stifter-Zitate - Zitate-Portal www.die-zitate.de
Weblinks:
Adalbert Stifter-Portal - www.adalbertstifter.at
Adalbert Stifter-Biografie - www.adalbertstifter.at
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