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Montag, 22. August 2022

»Der Kirschgarten« von Anton Tschechow

Der Kirschgarten


Der Kirschgarten

»Der Kirschgarten« von Anton Tschechow nimmt die Russische Revolution vorweg und beschreibt den Niedergang des Adels auf dem Land. Es ist das letzte Stück des russischen Dramatikers, das die Geschichte der Gutsherrin Andrejewna Ranjewskaja erzählt, die unrealistische Illusionen für ihre Rettung aus dem Bankrott hegt. »Der Kirschgarten« ist ein Stück mit hoher Symbolik.

Im Zentrum des Geschehens steht der 22. August, der Tag, an dem der Kirschgarten versteigert werden soll. Wie ein Damoklesschwert hängen die Frist bis dahin und die Schulden über dem Figuren. Immerhin hängt ihr weiteres Leben vom Kirschgarten und dem Gut ab.

Andrejewna Ranjewskaja, die Gutsbesitzerin, ist erst vor kurzem aus Paris zurückgekehrt. Sie hat ihren Sohn verloren, ihr Geliebter in Paris hat sie ausgenommen, und mit ihrem Bruder hat sie alles Geld verprasst. Ihre Tochter Anja, genauso wie ihre Pflegetochter Warja und Charlotta, die Erzieherin, sind alle vom Gut abhängig. Der alte Diener Firs sowieso.


Für die Dame des Hauses ist der Kirschgarten ein Symbol für eine unschuldige, reine Jugend. Er ist der Inbegriff des Paradieses und des Glaubens daran, dass alles gut wird. Doch sie lebt in einer wirklichkeitsfremden Welt, schwelgt in Kindheitserinnerungen und gibt Feste; für die Rettung des Gartens und des Guts tut sie nichts.

Für den neureichen Kaufmann Lopachin ist dieser Garten jedoch nur ein reines Spekulationsobjekt. Am Ende wird er ihn ersteigern, die Bäume des schönen Kirschgartend unbedacht fällen und Ferienparzellen darauf errichten lassen.

Der bizarre Streit unter den Familienmitgliedern um den Erhalt des Kirschgartens steht dabei für das Festhalten an der alten Ordnung.

Literatur:

Der Kirschgarten


Der Kirschgarten von Anton Tschechow

Samstag, 20. August 2022

»Der König von Korsika« von Michael Kleeberg

Der König von Korsika



Der westfälische Baron Theodor von Neuhoff hat den Korsen im Jahr 1736 in einem schwachen Moment ihrer Geschichte beigestanden und dabei selbst Geschichte geschrieben.

"Auch ein Dilettant kann zu wunderbaren Resultaten gelangen im Leben." So gesehen hat der westfälische Baron Theodor von Neuhoff dem "Rad der Weltgeschichte in die Speichen" gegriffen. Immerhin hat es der Geheimagent, der Luftikus, Liebhaber und hochstapelnde Alchimist, der Abenteurer und Glücksritter und kaiserliche Gesandte bis zum König von Korsika (1736) gebracht. Zwar dauerte seine Herrschaft nur einen Sommer lang, ein Histörchen - für einen Eintrag in die Geschichtsbücher reichte es aber allemal.

Geheimagent, Liebhaber, hochstapelnder Alchimist und kaiserlicher Gesandter - Theodor Neuhoff ließ sich von den Wellen des Geschicks durch ganz Europa tragen, weiß zu parlieren, zu brillieren und zu blenden. Und wird am Ende Opfer der eigenen Selbstüberschätzung. Als er sich - überzeugt, die Politik sei ein Spiel - im April 1736 von korsischen Aufständischen zum König ausrufen läßt, war sein Untergang besiegelt.



Im Jahr 1729 begannen auf der Insel mehrjährige Aufstände gegen die Herrschaft der Genuesen. Am 15. April 1736 machten korsische Rebellen den deutschen Abenteurer Baron Theodor von Neuhoff (1694–1756) im Kloster von Alesani (in der Castagniccia) zum König. Das Königreich Korsika bestand jedoch kaum ein Jahr.


Begabt für das Leichte sein, an der Oberfläche der Dinge leben, dem Glück folgen: das war und tat Baron Theodor Neuhoff - bis er sich zum König von Korsika krönen ließ und daran scheiterte. Das Leichte ist so trügerisch wie vergänglich, Michael Kleebergs Roman ein sprachliches Meisterwerk.

Von der ersten bis zur letzten Seite inszeniert der Autor Michael Kleeberg, der zuletzt mit dem Roman Ein Garten im Norden auf sich aufmerksam machte, seine fiktive Biografie des historisch belegten Scharlatans, Spions und Frauenhelden als tragikomisches Welttheater. Und das wohl ganz zu Recht: Glücklich nämlich ist auch die wechselvolle Karriere des wirklichen Theodor von Neuhoff ganz und gar nicht verlaufen. 1694 in Köln geboren, machte der westfälische Baron schon früh durch Liebschaften und alchemistische Spiegelfechtereien bei Hofe auf sich aufmerksam. Nachdem er den Korsen Waffen und Aufbauhilfe versprochen hatte, ließ er sich 1736 als Theodor I. zum König der Insel krönen. Neuhoff aber thronte nur einen Sommer: Ein Jahr später musste er Korsika Richtung England - und damit Richtung Gefängnis -- verlassen.

Bei Kleeberg wird die Geschichte des »Königs von der traurigen Gestalt« zu jenem grotesk-barocken Puppenspiel, das als Motiv immer wieder durch die faszinierende Handlung geistert. Vielleicht ist das nicht immer alles so ganz wahr, was sich unter der Regie des Autors da im Buch an vermeintlich Faktischem abspielt.

Literatur:

Der König von Korsika Der König von Korsika von Michael Kleeberg

Donnerstag, 18. August 2022

Geschichten schreiben ist wie träumen


Hector und die Entdeckung der Zeit


Die besten Geschichten enden aus einer Verbindung von Traum und Realität. Geschichten schreiben ist wie träumen.

»Geschichten schreiben ist wie träumen.«

»Geschichten schreiben ist wie Träumen. 
Träumen ist ein Glückszustand. 
Ich möchte die Leser in meinen Traum mitnehmen.«

Francois Lelord


Was stellen Leute so in ihrer zur Verfügung stehenden Zeit alles an? Warum haben manche Leute zu viel Zeit, andere dagegen sind traurig weil sie zu wenig davon haben? Warum kann das überhaupt sein, wo doch jeder 24 Stunden am Tag für sich hat, nicht mehr und nicht weniger?

Hector fragt sich: Existiert die Zeit überhaupt, wenn das Vergangene vergangen ist, die Gegenwart augenblicklich Vergangenheit wird und das Zukünftige sich noch nicht ereignet hat?

Sehr amüsante Betrachtungen über die Zeit, die uns immer im Weg steht. Einmal vergeht sie uns nicht schnell genug, im anderen Fall zu schnell. Hector ist auf der Suche nach dem Rätsel der vergehenden Zeit und verfasst Etüden darüber, wie die Zeit zu sehen, zu erleben oder zu ertragen ist. Er trifft unterschiedlichste Menschen, die ihm jeweils ihre Auffasung der Zeit ("Ein Hundeleben") mitteilen.

Voltaire

Wie sagte doch bereits Voltaire:

»Es gibt vier verschieden Arten, seine Zeit zu vertun:
Nichts zu tun, etwas falsch zu tun, es ungenau zu tun oder im falschen Moment zu tun.«


Literatur:


Hector und die Entdeckung der Zeit
von François Lelord



Zitate von Francois Lelord:

»Wir halten das Leben für ein Buffet voller Desserts und sagen uns: vielleicht kommt noch etwas Besseres.«

»Geschichten schreiben ist wie Träumen. Träumen ist ein Glückszustand. Ich möchte die Leser in meinen Traum mitnehmen.«

»Ich schreibe, weil ich Lust habe, zu schreiben. Über ein Thema, das mich beschäftigt. Das ich gefühlt habe.«

»Ich möchte, dass meine Leser glücklich sind.«

»Die Deutschen sind genauso sentimental wie ich. Auch deshalb habe ich hier Erfolg.«






Samstag, 13. August 2022

»Sommergäste in Trouville« von Undine Gruenter

Sommergäste in Trouville


Sommergäste in Trouville

Trouville ist ein beliebtes Seebad an der französischen Atlantikküste. »Sommergäste in Trouville« ist ein stimmungsvoller Erzählband mit 15 Kurzgeschichten der im Jahr 2002 verstorbenen Schriftstellerin Undine Gruenter. Der Erzählband »Sommergäste in Trouville« ist postum erschienen, ist also sozusagen ein poetisches Vermächtnis der Undine Gruenter.

»Sommergäste in Trouville« erzählt von sommerlichen Stimmungen in einem Seebad an der Atlantikküste. Eine handvoll Sommerstimmungen kreiert Undine Gruenter mit ihren Kurzgeschichten »Sommergäste in Trouville«. Es sind wie Erzählungen wie aus vergangenen Zeiten. Fin de Siècle des ausgehenden 20. Jahrhunderts, die Morbidität Frankreichs, der Scheinreichen und der wirklich Reichen, Dekadenz, die Melancholie des verblassenden Blaus in den adligen Adern, Sehnsüchte, Traurigkeit.

Gruenter betont die für einige Augenblicke im Sommerdomizil wiedergefundene Langsamkeit und Ursprünglichkeit, vermittelt gleichzeitig jedoch die Unmöglichkeit, in den heutigen Zeiten ein solches Leben außerhalb der Ferien fortzusetzen zu können.

Leicht lassen sich diese 15 Kurzgeschichten lesen, denen nur der Ort und die Grundstimmung gemeinsam ist. Nachdenken muss man manchmal über die mögliche Zweideutigkeit der Situationen. Eine Vielzahl wunderschöner Wörter und Umschreibungen werden verwendet. Edle Speisen, Bekleidung und Wohnausstattung wie auch Baustile werden mit französischem Fachvokabular erklärt, dessen Kenntnis die Geschichten sicher noch interessanter machen würde. Ein Wörterbuch auf den Knien verscheucht andererseits jedoch die gewobenen Stimmungen!

Seltsame und faszinierende Menschen am Strand, in den Hotels und auf den Promenaden: die Achtzigjährige, die seit Jahr und Tag ans Meer fährt und bereits vom ewig gleichen Taxifahrer erwartet wird, Künstler, Geschäftsleute und Müßiggänger. Mit großer atmosphärischer Dichte und sprachlicher Finesse lässt Undine Gruenter eine Welt entstehen, die von großer Wirklichkeit ist und zugleich immer wirkt wie ein Traum aus einer anderen Zeit.

Die turbulente Hochsaison im Seebad ist vorbei. Jetzt kommen die Dauergäste wie die Achtzigjährige, die seit Jahr und Tag vom gleichen Taxifahrer erwartet wird. Jetzt kommt das junge Mädchen, das in der schattigen Ferienvilla die eigene Sexualität erkundet. Oder der Schriftsteller, der auf der Suche nach einem Feriendomizil die Gassen des Badeorts durchstreift und dabei plötzlich ein Kind in einem Zimmer entdeckt, das mit einem weißen, apathischen Gesicht auf eine erleuchtete Weltkugel starrt.

Vergangenes scheint im Gegenwärtigen auf in den wunderbaren, zarten und leichten Arrangements, die Undine Gruenter für ihre Erzählungen entwirft. Mehr als Personen werden in ihnen Stimmungen lebendig. Und über allem liegt ein Hauch Melancholie.

Dieser Art sind die Erzählungen der Undine Gruenter in dem Erzählband. Und sie sind unvergleichlich schön, von großer poetischer Kraft und Dichte, voller sprachlicher Finesse. In ihnen steht die Zeit still. Es sind elegische Idyllen, Skizzen und Traumbilder über Leben und Liebe, Mann und Frau. Es sind gleichermaßen "offene Kunstwerke", Geschichten ohne Ende.

Vor allem gelingt es Undine Gruenter - hier erweist sich die Dichterin als gelehrige Schülerin von Proust und Flaubert - , Atmosphäre zu vermitteln: von der Tristesse des verlassenen Ortes, von Interieurs, Villen und Hotels und von Seelenlandschaften. So sind »Sommergäste in Trouville« Erzählungen wie aus vergangenen Zeiten und gleichzeitig moderne Geschichten von den existenziellen Befindlichkeiten des Menschen.

Literatur:

Sommergäste in Trouville


Sommergäste in Trouville von Undine Gruenter

Mittwoch, 10. August 2022

»Mittwochs am Meer« von Alexander Oetker

Mittwochs am Meer



Alexander Oetker ist bisher nur von seinen schönen, Frankreich-Sehnsucht weckenden Krimis bekannt. Aber auch als Thriller-Autor hat er seine Fangemeinde. »Mittwochs am Meer« ist nun als Novelle ein ganz anderes Genre. Bestsellerautor Alexander Oetker erzählt von der großen Liebe in einer kleinen Pension am Meer.
Maurice van den Berge ist Insolvenzverwalter und jeden Mittwoch fährt er in die Bretagne um einen maroden Betrieb zu retten oder abzuwickeln. Je nachdem die Entwicklung verläuft. Eines Tages lernt er an der Hotelrezeption Dominique Vial kennen und es ist für beide Liebe auf den ersten Blick. Aber Dominique ist verheiratet, auch wenn ihr Mann nur sporadisch in Bretagne kommt. Und sie hat noch ein besonderes Geheimnis, das eng mit Maurice erster großer Liebe verknüpft ist.

Korrekt und zuverlässig, so ist Maurice. Jeden Mittwoch nimmt er denselben Zug nach Cancale, wird dort abgeholt, checkt im Hotel ein, geht zur Fabrik, arbeitet in seinem Büro und fährt am nächsten Tag wieder zurück nach Paris. Doch dieses Mal ist alles anders. Kein freies Zimmer mehr, eine andere Rezeptionistin und ein Liebesbrief verändern sein Leben. Der verlässliche Maurice wird vergesslich, er folgt nicht mehr strikt seiner Agenda und vergisst sogar seine Arbeit. An allem ist Dominique schuld, seine Affäre. Doch alles ist noch viel komplizierter als es auf den ersten Blick erscheint.

Die sommerlich leichte Liebesgeschichte, mit einer kleiner Brise Melancholie hat mir gefallen. Sie ist gekonnt und mit leichter Hand geschrieben. Charmant wird die Wandlung eines Menschen erzählt, der sich keine Gefühle mehr gestattet. Der sich in seine Arbeit vergräbt und dem es lange genügte, die Erwartungen seiner Eltern, seines Milieus zu erfüllen. Aber von einem Augenblick zu nächsten ist alles anders, sein Leben wird auf den Kopf gestellt. Es ist ein vom Umfang her kleiner Roman, an einem Sommernachmittag ausgelesen, aber eine Geschichte, die den Leser beschwingt zurücklässt.

Alexander Oetker baut den Spannungsbogen gekonnt auf. Seine Erzählung ist eine Offenbarung auf 176 Seiten. Am Anfang weiss man als Leser noch nicht, auf welche Geschichte man sich da einlässt, es hört sich zu Beginn mit der Zeichnung des peniblen Maurice so gar nicht als »Mittwochs am Meer« an. Als es soweit ist, eben »Mittwochs am Meer«, spürt man die Liebe der Protagonisten sowie die Zweifel und fragt sich, ob einer der beiden einen Fehler machen oder sich zurück ziehen wird und wie das Ganze wohl ausgehen wird - alles wäre möglich.

Am Ende wird der Leser, auch aufgrund persönlicher Rückblicke der Charaktere, überrascht von der Komplexität der Geschichte, die der Autor auf diesen wenigen Seiten zum Besten gibt.

Eine sehr schöne Novelle, in die die Leser mit allen Sinnen mit hineingezogen werden und die in einem überraschenden Finale gipfelt. Eine spannende Liebesgeschichte nicht nur für Lieberhaber der Bretagne. Und gegen Ende, bevor das Ganze im rosaroten Meer versinkt, gibt es eine überraschende Wendung.

Literatur:

Mittwochs am Meer Mittwochs am Meer von Alexander Oetker

Dienstag, 9. August 2022

Hermann Hesse 60. Todestag

Hermann Hesse


Hermann Hesse starb vor 60 Jahren am 9. August 1962 in seiner Wahlheimat in Montagnola im Schweizer Kanton Tessin. Hesse ist einer der bekanntesten deutschen Autoren und zählt zu den bedeutendsten Romanautoren des 20. Jahrhunderts.

Hermann Hesse war Zeit seines Lebens ein Suchender und ein grosser Sinnsucher. Nicht nur sein großes dichterisches Werk, das ihm 1946 den Nobelpreis einbrachte, auch sein Lebenslauf legt Zeugnis davon ab. Sein großes dichterisches Werk brachte ihm 1946 den Literatur-Nobelpreis ein.

Nicht immer hat er gefunden, was er suchte, aber er verwandelte seine Suche in Literatur. Er schrieb grosse Literatur in Zeiten des Umbruches, auch seines eigenen. Seine Literaur zeugt von den vielen Brüchen in seinem Leben.

Hermann Hesse

Sein Werk wird bestimmt von dem Gegensatz Natur, Geist und Leben und unterliegt in seinen späteren Werken starken Einflüssen durch die indische Philosophie. Seine stark autobiografisch geprägeten Romanwerke beschreiben den Menschen im existenziellen Konflikt mit seiner Umwelt und einer Kultur im Umbruch. Hesse war ein Mensch der existenziellen Krise, der seine Lebenskrisen literarisch verarbeitete.

Alle Werke Hesses schildern die Stationen, Episoden und Brüche seines wechselvollen Lebens. Besonders offensichtlich ist sie im »Steppenwolf«, der geradezu exemplarisch für den "Roman der Lebenskrise" stehen kann.

Hermann Hesse Suhrkamp Romane

Zu seinen bekanntesten Werken gehören »Peter Camenzind« (1903), »Unterm Rad« (1906), »Siddhartha« (1922), »Der Steppenwolf« (1927), »Das Glasperlenspiel« (1943).

Hermann Hesse

Weltoffenheit, Toleranz und Humanität prägten das Werk und den Charakter Hermann Hesses. Nicht zuletzt für sein großartiges Spätwerk wurde ihm 1946 der Nobelpreis für Literatur verliehen. Als Pazifist versuchte er die europäische Bildungselite von der unnötigen Barbarei der Kriege zu überzeugen.

Hermann Hesse

Seine Literatur und die Verarbeitung von Lebenskrisen darin verlieh den Menschen Halt und Orientierung in unsicheren Zeiten nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Immer wieder wandeten sich Leser mit Briefen an Hesse, die er schriftlich beantwortete bis es ihm zuviel wurde und er sich von der Welt zurückzog.

Über vierzig Jahre seines Lebens verbrachte Hesse in seiner Wahlheimat Schweiz. Bereits im Jahr 1919 lies er sich Montagnola nieder, einem Dorf in der Nähe von Lugano am Luganer See. Seine letzte Ruhestätte fand der Dichter auf dem Friedhof von San't Abbondio in Gentilino.

Hermann Hesse-Blog:

Hermann Hesse-Blog

Hermann Hesse 90. Geburtstag


Blog-Artikel:

Hermann Hesse 90. Geburtstag

Hermann Hesse vor 50 Jahren gestorben

Hermann Hesse in Montagnola

»Der Stepenwolf« von Hermann Hesse

Samstag, 6. August 2022

"Violeta" von Isabel Allende

Violeta

Zu ihrem 80. Geburtstag ist mit "Violeta" ein neuer Roman von Isabel Allende erschienen. Isabel Allendes neuer Roman "Violeta" wirkt ein bisschen wie die Bilanz ihres eigenen künstlerischen Lebens – bis hin zu einzelnen Anspielungen auf ihren Bestseller "Das Geisterhaus".

"Violeta" ist ein biographischer Roman der Autorin Isabel Allende. Die ursprünglichen Briefe ihrer Hauptfigur Violeta del Valle sind zu einer Zusammenfassung verschmolzen, die den Großteil des neuen Romans bildet. Die Zeit rund um Violetas Geburt steht ganz im Zeichen der Spanischen Grippe.

Violeta Del Valle, die Protagonistin des Romans, wird 1920 geboren, während der Zeit der Spanischen Grippe. Als sie sich hundert Jahre später daran begibt, ihrem Enkel Camilo in Briefform ihr Leben zu erzählen, steht mit Corona wieder eine Epidemie vor der Tür – und dazwischen ein bewegtes Leben.

An einem stürmischen Tag des Jahres 1920 kommt sie zur Welt, jüngste Schwester von fünf übermütigen Brüdern, Violeta del Valle. Die Auswirkungen des Krieges sind noch immer spürbar, da verwüstet die Spanische Grippe bereits ihre südamerikanische Heimat. Zum Glück hat der Vater vorgesorgt, die Familie kommt durch, doch schon droht das nächste Unheil, die Weltwirtschaftskrise wird das vornehme Stadtleben, in dem Violeta aufwächst, für immer beenden, die del Valles ziehen sich ins wild-schöne Hinterland zurück. Dort wird Violeta volljährig, und schon steht der erste Verehrer vor der Tür.

Das ganze Buch ist wie ein Brief verfasst und enthält vier Lebensabschnitte. Im zweiten Lebensabschnitt ist Violeta zwischen zwanzig und vierzig Jahre alt. Sie heiratet, noch bevor sie ihrer großen Liebe begegnet. Sehr intensiv lässt sie uns LeserInnen an ihrer erwachten Leidenschaft teilhaben, an der Unmöglichkeit einer Scheidung und dem Leben mit einem unberechenbaren Liebhaber, mit dem sie zwei Kinder hat. Im dritten Abschnitt wird sie von großen Problemen eingeholt: Tochter Nieves hängt an Drogen und scheint unrettbar verloren. Zudem steht Sohn Juan Martín auf der schwarzen Liste der Militärs. Nach seiner Flucht weiß Violeta lange nicht, ob er mit dem Leben davongekommen ist oder nicht. Schließlich werden im vierten Teil die Toten der Diktatur thematisiert. Während Violetas Bericht die meiste Zeit von ihrem ganz persönliche Leben handelt, geht sie zum Ende hin näher auf den Enkel ein, auf seine Kindheit, die Jugendsünden und sein jetziges Leben als Jesuit.

Wieder einmal ist es Isabel Allende gelungen, den Leser mit ihren Worten tief ins Buch zu ziehen. Er darf nicht nur eine eigenwillige Frau kennenlernen, die es mehrmals schaffte, das Lebenschaos wieder zu ordnen. Gleichzeitig erfährt der Leser etwas vom Lebensgefühl in Chile während der vergangenen hundert Jahre.

Buchempfehlung:

Violeta


Violeta von Isabel Allende


Mittwoch, 3. August 2022

»Tell« von Joachim B. Schmidt

Tell


Der schweizer Autor Joachim B. Schmidt, geboren 1981, aufgewachsen im Schweizer Kanton Graubünden und 2007 nach Island ausgewandert, hat aus der Ferne im Frühjahr 2022 seine ganz eigene Adaption der »Tell«-Saga veröffentlicht.

Schmidt wagt es mit seinem literarischen Apfelschuss, den Schweizer Nationalhelden Wilhelm Tell von seinem Sockel zu holen und ihn in einer spannenden Handlung statt eines heldenhaften Widerstandskämpfers gegen den Habsburger Landvogt als einen einfachen, recht eigenbrötlerischen, schon in Kinderjahren vom Schicksal geprägten Bergbauern, Wilderer und Querulanten im Kanton Uri zu schildern. Schmidts »Tell« ist wahrlich kein legendärer Held, sondern ganz im Gegenteil ein Antiheld, der eigentlich nur seine Ruhe und für sich und die Familie ausreichend zu essen haben will.

Dieser Wilhelm Tell ist nur eine fiktive Figur, dessen im Jahr 1307 zur Zeit der Schweizer Habsburger-Kriege verortete Geschichte vom Apfelschuss erstmals 1472 niedergeschrieben wurde. Das Motiv des Apfelschusses wurde sogar schon hundert Jahre vor Tell zu Beginn des 13. Jahrhunderts in der „Geschichte der Dänen“ von Saxo Grammaticus erwähnt. Dort ist es der prahlerische Schütze Toko, der einen Apfel vom Kopf seines Sohnes schießen muss. Doch Schmidt lässt diese Fakten in seinem in 100 kurzen Kapiteln von 20 Personen temporeich erzählten Roman schnell vergessen und schafft es spielend, uns an eine tatsächliche Existenz Tells glauben zu lassen.

Analog zum dänischen Apfelschützen Toko, dessen Name sprachwissenschaftlich als „alberner Mann“ gedeutet wird, folgt Autor Schmidt in der Charakterisierung seines Protagonisten Tell auch dessen sprachwissenschaftlicher Bedeutung als „einfältigen Mann“ und charakterisiert Wilhelm Tell als wortkargen bis mürrischen, sturen und nur unwillig als Bergbauer weit abseits von Altdorf Vierwaldstättersee) am Fuß der Voralpen lebenden Kleinbauern. Dort lebt er in seiner Hütte in eheähnlichem Verhältnis mit der Witwe seines verunglückten jüngeren Bruders Peter, den drei Kindern Walter, Willi und Kleinkind Lotta sowie Mutter und Schwiegermutter. Tell hat sich schon in der Jugend von seinen Mitmenschen abgewandt, lässt jedes Mitgefühl anderen gegenüber, auch seiner eigenen Familie gegenüber, vermissen.

Die Geschichte spielt im Jahr 1307 auf den Tell-Hof im Isental in der heutigen Zentral-Schweiz, wo die vielköpfige Familie Tell unter der harten Regentschaft der Habsburger Landvögte um das wirtschaftliche Überleben zu kämpfen hat. Als Tell aus Gründen der Not eine Kuh auf dem Markt in Altdorf verkaufen will, versäumt er es, den auf dem Marktplatz auf einer Stange aufgestellten Hut des habsburgischen Landvogts Gessler untertänig zu grüßen – nicht etwa aus politischem Widerstand, sondern weil er einfach nicht auf den Hut geachtet und nichts von der Grußpflicht gewusst hatte. Der zufällig mit seinem brutalen Truppführer Harras anwesende Landvogt befiehlt ihm zur Strafe, mit der Armbrust aus weiter Entfernung einen Apfel vom Kopf seines Sohnes Walter zu schießen. Dies gelingt Tell zwar, dennoch wird er gefangen genommen, kann sich aber später selbst befreien und sich rächen.

Es ist nicht nur die episodenhafte, bis in kleinste Einzelheit authentisch wirkende Handlung, die uns von Tells Angehörigen, Nachbarn sowie von seinem Jugendfreund und Pfarrer Tauffer erzählt wird, oder die beeindruckende Charakterisierung jeder einzelnen Figur, die uns an ihrer Welt und ihrem erbärmlichen Leben teilhaben lassen, was uns an eine tatsächliche Existenz des erst durch Schillers Drama (1804) zum Nationalhelden gewordenen Wilhelm Tell glauben lässt. Sondern Schmidt verbindet seine Geschichte im Epilog auch geschickt mit Fakten: So wird Tells Tochter Lotta, inzwischen selbst schon Großmutter, vom Obwaldner Landschreiber Hans Schriber aufgesucht, um mehr über Tell zu erfahren. Tatsächlich ist diesem Landschreiber und Dichter – wenn auch erst 100 Jahre später – die erste, 1472 veröffentlichte Niederschrift der Tell'schen Geschichte zu verdanken.

Lotta täuscht zudem in diesem Gespräch mit Schriber vor, nicht auf dem Tell-Hof, sondern auf dem Tschudi-Hof zu leben, da sie die Witwe des Theodor Tschudi sei. Auch dieser Name ist bezeichnend, war es doch der spätere Chronist Aegidius Tschudi, der in seinem um 1550 verfassten Werk »Chronicon Helveticum« die bis heute gültige Version der Tell-Sage erzählt.

So verleitet Schmidts Roman »Tell« unwillkürlich zur weiteren Beschäftigung mit dem Schweizer Nationalhelden. Man sollte »Tell« sogar zur Schullektüre machen: Wer sich bei Schillers Drama langweilt, findet sicher in dieser Erzählung um den Antihelden Wilhelm Tell den nötigen Anreiz, sich literarisch mit dieser Sagengestalt und historisch mit der Geschichte der Schweiz auseinanderzusetzen. Denn auch für junge Leser, die noch nie von Wilhelm Tell gehört haben, liest sich Schmidts Roman überaus spannend.

Literatur:

Tell Tell von Joachim B. Schmidt
Wilhelm Tell
Wilhelm Tell
von Friedrich Schiller

Dienstag, 2. August 2022

Isabel Allende 80. Geburtstag

Isabel Allende

Isabel Allende wurde vor 80 Jahren am 2. August 1942 in Lima, Peru, geboren. Der Vater von Isabel Allende, Tomás Allende, war chilenischer Diplomat in Lima. Isabel Allende ist eine chilenische Schriftstellerin und Journalistin.

Salvador Allende

Die Nichte des chilenischen Präsidenten Salvador Allende arbeitete als Journalistin für Zeitschriften und das Fernsehen. 1967 war die engagierte Frauenrechtlerin Mitbegründerin der Frauenzeitschrift "Paula".

Nachdem der mit ihr verwandte chilenische Präsident Salvador Allende bei einem Militärputsch 1973 ums Leben gekommen war, ging sie 1975 ins Exil nach Venezuela. Allendes Leben veränderte sich stark durch den Militärputsch von Augusto Pinochet, bei dem Chiles Präsident Salvador Allende umkam, der ein Cousin von Isabel Allendes Vater war. Im gleichen Jahr wurde ebenso ihr Stück "El embajador" in Santiago uraufgeführt.

1975, zwei Jahre nach dem Putsch, ging sie mit ihrem Mann und den zwei Kindern ins Exil nach Venezuela. Dort lebte sie in den nächsten 13 Jahren und arbeitete für die Zeitung "El Nacional" in Caracas und als Lehrerin an einer Schule.



International bekannt wurde die Autorin mit ihrem Erstlingsroman "Das Geisterhaus" (1982). Sie verbindet in ihren Romanen autobiografische Elemente und emanzipatorische Thematiken miteinander. Zu ihren Werken zählen "Von Liebe und Schatten" (1984), "Eva Luna (1987) und "Fortunas Töchter" (1998).

Allendes Roman "Paula" aus dem Jahr 1994 ist ein Gedenken an ihre Kindheit in Santiago und ihre Jahre im Exil. Sie schrieb ihn in Form eines Briefs an ihre Tochter, die wegen falscher Medikation in einem Madrider Krankenhaus im Koma lag und 1992 starb.

Ihre Werke wurden bislang in 27 verschiedene Sprachen übersetzt und sie konnte über 51 Millionen Exemplare verkaufen. Der vielleicht wichtigste von zahlreichen Preisen in Isabel Allendes Karriere ist der ihr 2010 verliehene "Nationale Literaturpreis" Chiles, den vor ihr erst drei Frauen erhalten haben.

Isabel Allende lebt heute in San Rafael in Kalifornien. 2003 erhielt sie die amerikanische Staatsbürgerschaft.

Buchempfehlung:

Das Geisterhaus
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von Isabel Allende