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Samstag, 28. Januar 2017

»Statt etwas oder Der letzte Rank« von Martin Walser

Deutschland Schriftsteller Martin Walser in Nußdorf

Im März feiert Martin Walser seinen 90. Geburtstag und zieht jetzt schon mal eine Lebensbilanz. »Statt etwas oder Der letzte Rank« heißt sein neuer Roman - eine altersmüde Selbstreflexion. "Es geht mir ein bischen zu gut", sagt Walser einleitend in einer Betrachtung gegenüber den bereits verstorbenen Schriftstellerkollegen wie Gütner Grass.

Kaum zu glauben! Während weitaus jüngere Autoren regelmäßig von Schreibblockaden heimgesucht werden und lange auf ihre literarischen Meisterwerke warten lassen, bringt Martin Walser fast im Jahresrhythmus ein neues Buch heraus. Auf den Wüterich vom Bodensee ist Verlass. Weiterleben heißt für ihn: Weiterschreiben. Im März wird er 90 Jahre alt und sein neuer Roman variiert noch einmal alle Themen aus dem Walser'schen Universum - Einsamkeit, Liebe, Glaube.

Hier schreibt ein Erschöpfter, müde vom Leben. Walser mäandert durch seine Unsicherheiten. Scheinbar sind in seinen Augen alle talentierter, erfolgreicher, glücklicher als er. Niemand leidet mehr unter ihm als er selbst. Das Buch ist wie eine Selbstbefreiung.

»Statt etwas oder Der letzte Rank« ist ein Roman, in dem es in jedem Satz ums Ganze geht - von größter Intensität und Kraft der Empfindung, unvorhersehbar und schön. Ein verwobenes Gebilde, auch wenn es seine Verwobenheit nicht zeigen will oder sogar versteckt. Ein Musikstück aus Worten, das dem Leser größtmögliche Freiheit bietet, weil es von Freiheit getragen ist: der Freiheit des Denkens, des Schreibens, des Lebens. So nah am Rand der Formlosigkeit, ja so entfesselt hat Martin Walser noch nie geschrieben. Das fulminante Porträt eines Menschen, ein Roman, wie es noch keinen gab.

Es geht um die Bilanz seines Lebens und und Walsers persönliche Wahrheiten.

"Wenn er sich vorbereitete, den Fehler, den er das letzte Mal gemacht hat, zu vermeiden, passierte ihm ein ganz neuer Fehler. […] Er schien einfach einen unerschöpflichen Vorrat von höchst persönlichen Fehlern zu haben."

Doch Walser ist ein Meister darin, sich entblößend zu verbergen. In Wahrheit schwingt in seinen Sätzen die pure Verachtung für all jene Erfolgreichen mit, die er zu bewundern scheint. Und hinter seinem detailgenau ausgebreiteten Hadern spürt man die Koketterie eines immer noch sehr eitlen Schriftstellers.

"Bitte, wie stark musste ich sein, um mich so schwach nennen zu können!"

Das Buch hat bei Walser wieder zwei große Themen zum Inhalt: der Triumph über seine Feinde und die Liebe im Alter. Der Groll gegen seine Kritiker darf nicht fehlen ebenso wie seine Betrachtungen über die Liebe. Er stellt sich dabei die Frage: "Muss man seine eigene Frau lieben oder darf man Liebe von anderen Frauen empfangen?"

Martin Walser ist als streitbarer Schriftsteller bekannt, der polarisiert. Doch irgendwie ist die Lebenslust und die Streitfreude verloren gegangen. Keine Spur mehr von dem virilen Provokateur von einst. In den 1950er Jahren wurde Walser zusammen mit Günter Grass und Siegfried Lenz zum Kraftzentrum der literarischen Aufarbeitung. Autoren der "Gruppe 47" schrieben an gegen das Vergessen im Nachkriegsdeutschland.

Sie zeigten den Dreck hinter dem Glanz des Wirtschaftswunders. Walser verachtete zutiefst jene Saubermänner der Zeit, die ohne große Blessuren von der Nazi-Diktatur ins demokratische Nachkriegsestablishment glitten. Er setzte mit seinen Büchern dem schwankenden Kleinbürger, der immer wieder an den eigenen Ansprüchen scheitert, ein literarisches Denkmal.

Weblink:

Martin Walser "Statt etwas oder Der letzte Rank" - www.dw.com

Literatur:

Statt etwas oder Der letzte Rank
Statt etwas oder Der letzte Rank
von Martin Walser

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