Des Teufels Wörterbuch
Wer »Des Teufels Wörterbuch« zur Hand nimmt, darf kein gewöhnliches Wörterbuch erwarten. Vielmehr definiert der geistreiche Zyniker und glänzende Stilist Ambrose Bierce (1842-1914) zahlreiche Begriffe und Redewendungen auf ganz eigene Weise - pointiert und mit beißendem Spott. »Des Teufels Wörterbuch« von Ambrose Bierce ist ein Sarkasmus-Konzentrat, eine Sammlung gepfefferter Sottisen, gewissermaßen der Parademarsch nackter Kaiser; angewandter Pessimismus ohne Larmoyanz.
Es ist eine Lust zu lästern. Bierce verbindet Menschen- und Selbstkritik mit der schieren Lust am Sprachspiel. Aus dieser Verbindung hervorgegangen ist das Flaggschiff des Genres, obwohl es weitere lesenswerte Definitionssammlungen dieser Art gibt, etwa »Raoul Tranchirers vielseitiger großer Ratschläger«, oder auch verschiedene gewitzte Internet-Webseiten (z.B. »The Philosophical Lexicon«).
Dabei schont Bierce auch sich selber bzw. sein eigenes Werk nicht, wenn er die Hölle definiert als die "Residenz toter Lexikographen", wenn er unter fröhlichem Gekecker das Adjektiv "schimpflich" mit "Charakter und Gewohnheiten eines Rivalen" illustriert, und wenn er mithilfe von "Philosophie, dem Beobachter aufgezwungen durch die entmutige Übermacht des Optimisten mit seiner gräßlichen Hoffnung und seinem abstoßenden Lächeln" Pessimismus erläutert.
Neben solch allemal zitierfähigen Bonmots enthält der Band auch längere Satiren auf zeitlose Unsitten, getarnt als Wortdefinition: Unter Stichworten wie z.B. "Regalien", "Ungläubige(r)" oder "Saufen" zetert Bierce los, dass es eine Lust ist zu lesen.
Ursprünglich aus einer Zeitungsrubrik entstanden, ist »Des Teufels Wörterbuch« ein Lesevergnügen der etwas anderen Art, das den kleinen Hunger nach Esprit bei allen Gelegenheiten stillt. Freilich ist diese Ausgabe von Gisbart Haefs' feiner Übersetzung nur eine Auswahl aus dem englischen Original; Haefs stellte nach den Kriterien "Übersetzbarkeit und Verständlichkeit" zusammen, was zusammengehört: Auf der englischen Sprache beruhende Wortspiele (z.B. "die" als Singular von "dice", mit anschließendem Parforceritt durch hehre Bildungsgüter) müssen verständlicherweise draußen bleiben.
Wer Bierce vorwirft, seine lexikalischen Glossen und Satiren seien intolerant und entbehrten jeglichen Bemühens um Objektivität, dem möchte man eine Definition entgegensetzen, die Bierce vergessen haben muss: "Toleranz: Mangel an einer Tugend, den man anderen vorwirft, wenn sie anderer Meinung sind".
Hier ein paar Beispiele aus seinem zynischen Fundus:
Amnestie - Großmut des Staats jenen Übeltätern gegenüber, deren Bestrafung zu kostspielig wäre.
Armee - Unproduktive Klasse, die eine Nation verteidigt, indem sie alles verschlingt, was einen Feind zur Invasion reizen könnte.
Diagnose - Ärztliche Kunst; besteht darin, den Gesundheitszustand der Börse eines Patienten festzustellen, um zu wissen, wie krank man ihn machen darf.
Freiheit - Eines der kostbarsten Güter der Einbildung.
Hass - Gefühl; angebracht, wenn ein anderer sich als überlegen erweist.
Hölle - Residenz toter Lexikographen.
Irrsinn - Jene Gottesgabe, deren schöpferische und beherrschende Kraft den Geist des Menschen inspiriert, seine Handlungen lenkt und sein Leben schmückt.
Katastrophe - Überdeutliche und unmissverständliche Erinnerung daran, dass die Gegebenheiten dieses Lebens sich unserem Eingreifen entziehen. Es gibt zwei Formen von Katastrophen: uns zustoßendes Unheil sowie anderen zustoßendes Glück.
Toleranz - Mangel an einer Tugend, den man anderen vorwirft, wenn sie anderer Meinung sind
Übernatürlich, adj. - Das Wiederauftauchen eines verliehenen Regenschirms.
Uhr - Maschine von hohem moralischen Wert für den Menschen, da sie seine Sorge um die Zukunft beschwichtigt, indem sie ihn daran erinnert, welche Menge Zeit ihm noch bleibt.
Widerlich, adj. - Eigenart fremder Meinungen.
Ambroce Bierces humorvolle Sammlung von unverschämt wahren Worten gehört zur letztgenannten Art, erweist sich als intellektuelle Notwehr gegen die Selbstverdummung - mittels der Lachmuskeln. Jede seiner Definitionen, von denen in diesem Bändchen bloß eine kleine Auswahl vorliegt, ist ein Kunstwerk in sich - ein Aphorismus, ein Apercu, mit der Gemeinplätze, heilige Kühe und gesellschaftliche Manierismen abgeschossen werden wie mit einem Sniper-Gewehr.
Hämischer, sarkastischer und politisch unkorrekter als Ambrose Bierce hat wohl kaum jemand die Welt beschrieben. In gewitzten Stichworten von A wie «Abendland» bis Z wie »Zyniker« erklärt er den Lauf der Dinge, gesehen durch die Brille eines abgebrühten Pessimisten. In dieser Schmuckausgabe mit schwarzem Samtbezug und roter Folienprägung lauern viele Stunden teuflisch guter Unterhaltung.
Jedenfalls findet man hier viele Anregungen für den Fall, dass einem ein intellektueller Smalltalk auf den Nerven herumtrampelt, dass man gern mal wieder mit vorgeblichem eigenen Esprit brillierte, oder dass man nach einer attraktiven Alternative zum Scharade-Spielen sucht.
Literatur:
Des Teufels Wörterbuch von Ambrose Bierce
Aus dem Wörterbuch des Teufels von Ambrose Bierce
Aus dem Wörterbuch des Teufels von Ambrose Bierce
Des Teufels Wörterbuch (Tb.) von Ambrose Bierce
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