"Stiller" von Max Frisch. "Ich bin nicht Stiller" - mit diesem Satz beginnt der 1954 erschienene Roman
"Stiller". Es ist Max Frischs erster bedeutender Roman. Dieser Roman, in dem Max Frisch mit verschiedenen Identitäts- und Lebensentwürfen experimentierte, bedeutete für Frisch den Durchbruch als Schriftsteller.
Ein Amerikaner namens Jim Larkin White wird an der Schweizer Grenze aus dem Zug geholt. Man hält ihn für den seit sechs Jahren verschollenen Bildhauer Anatol Ludwig Stiller. Außerdem wird er beschuldigt, in eine Agentenaffäre verwickelt zu sein.
Der Festgenommene bestreitet das vehement, doch alle Indizien sprechen gegen ihn. Selbst frühere Freunde und auch seine Ehefrau bestätigen den polizeilichen Verdacht. White beharrt jedoch weiterhin auf seiner Aussagen: "Ich bin nicht Stiller". Nun soll White alias Stiller im Gefängnis schriftliche Aufzeichnungen machen über seine letzten sechs Lebensjahre.
In den tagebuchartigen Notizen von White (Stiller) erfährt der Hörer allmählich die Wahrheit. Stiller war ein Versager, als Ehemann und als Künstler. In der Hoffnung, ein neues Leben beginnen zu können, hatte er vor sechs Jahren alle Brücken hinter sich abgebrochen und war nach Amerika geflohen.
Als White ergreift er die Möglichkeit, ein anderer zu sein. Doch nun bei seiner Rückkehr erdrücken ihn nicht nur die Beweise, auch seine Hoffnungen erweisen sich als reine Illusionen. Obwohl er innerlich ein Gewandelter ist, muss er seine frühere Identität akzeptieren. Aber erst nach einem weiteren gescheiterten Versuch mit seiner Frau, ist Stiller bereit, sich selbst anzunehmen. Fortan lebt er ein einsames Leben.
Stiller "Andorra" von Max Frisch. Die Lebenslüge des Lehrers Can, mit der er sich und seine Familie zerstört, steht im Mittelpunkt von Frischs Drama
"Andorra". Um seine Beziehung zu einer Ausländerin und das aus dieser Beziehung entstandene Kind namens Andri geheim zu halten, gibt er Andri als ein Waisenkind aus, das er vor den „Schwarzen" zur Zeit der Judenmorde gerettet hat, und somit in Andorra zu einem Held wurde. Doch als Andri sich in seine Halbschwester Barblin verliebt und auf Grund von Vorurteilen von den Andorranern benachteiligt wird, gerät Cans heile Welt ins Wanken. Er erkennt, dass er verpflichtet ist die Wahrheit zu sagen, was ihm unheimlich schwer fällt. Somit nimmt Andri allmählich die Vorurteile an, die ihm tagtäglich von den Andorranern entgegengehalten werden.
Andorra ist ein vielschichtiger Gesellschaftsroman, der viele Thematiken beinhaltet und zum Gegenstand hat: sei es die Verfolgung von Juden, das bornierte Denken einer Gesellschaft in Vorurteilen und Klischees, die Lebenslügen von Menschen oder einfach das Leben und Leiden von Andri. Egal wie oft man Andorra liest, man kann immer neue Aspekte und Symboliken entdecken.
Andorra "Homo faber" von Max Frisch. In seinem Roman
"Homo faber" bearbeitet Frisch ein aktuelles Phänomen der 1950er Jahre: die fortschreitende Technisierung der westlichen Welt und den damit einhergehenden Glauben an die völlige Erklärbarkeit und Durchschaubarkeit des Lebens. Der lateinische Terminus »Homo faber« bezeichnet den »Mensch als Verfertiger«, der sich mit Hilfe von Werkzeugen die Welt zu Nutze macht.
Mit seinem Protagonisten Walter Faber zeigt Frisch einen solchen handlungsorientierten Menschen, in dessen durchweg rationalem und technokratischem Weltbild Schicksalsgläubigkeit keinen Platz hat. Tragischerweise wird das Leben des Selbstsicheren durch eine Reihe von schicksalhaften Zufällen zerstört.
Der Erzähler Walter Faber, ein UNESCO-Ingenieur, hat sich das rein rationale Weltbild eines puren Technikers zugelegt. Mit Kunst, die ja der Ratio zuwider läuft, kann er nichts anfangen und Gefühle sind für ihn die großen Schwächen des Menschen; folgerichtig sieht er in emotionslosen, aber perfekt funktionierenden Maschinen sein Daseinsideal verkörpert.
Doch im Laufe seines Berichts zeigt sich, dass Faber mit diesem Ungenügen sich selbst verleugnet, denn zu zwischenmenschlichen Beziehungen ist er nicht in der Lage.
Erst die Beziehung zur jungen Sabeth reißt ihn wieder hinein ins Leben; er beginnt, Dinge wieder zu erleben, Spontaneität auszuleben und ist auch zur Liebe fähig. Doch diese Liaison birgt ein verhängnisvolles und folgenschweres Geheimnis in sich, das Fabers Versagen zum Ausdruck bringt.
Die Technikfreundlichkeit der 50er Jhre führt den Ingenieur an seine Grenzen. Der "Homo faber" wird Opfer seines rationalem und technokratischem Weltbildes, führt sein Bericht doch die Zweifelhaftigkeit dieses eingeschränkten Weltbildes offen vor Augen. Max Frischs Roman ist keine Geschichte über das Schicksal. Sie zeigt vielmehr in ihrer Verkettung unwahrscheinlichster Ereignisse die Realitätsferne des rein technischen Weltbildes.
Max Frischs Roman
"Homo faber", der Bericht eines Ingenieurs, zählt mit Recht zu den besten deutschsprachigen Romanen des 20. Jahrhunderts.
Homo faber "Biedermann und die Brandstifter" von Max Frisch. In dem Roman, der sich als "Lehrstück ohne Lehre" versteht, steht dem Ehepaar Biedermann das Brandstifter-Pärchen Schmitz und Eisenring gegenüber. Die beiden ungleichen Gesellen ergänzen sich ideal. Sepp Schmitz, ein arbeitsloser Ringer aus ärmlichen Verhältnissen, wirkt grobschlächtig und unbeholfen. Seine athletische Figur schüchtert ein: "Alle Leute haben Angst vor mir...". Seine Herkunft wird als sentimentale Tarnung eingesetzt: "Von der Köhlerhütte zum Waisenhaus".
Willi Eisenring war "ein kleiner Oberkellner, und plötzlich verwechseln sie mich mit einem großen Brandstifter". Er hält sich für gebildet: "Ich hätte studieren können", behauptet er. Seinen Kumpanen Schmitz weist er wie ein kleines Kind zurecht: "Schmitz, schmatze nicht".
Beide spielen ihre Rollen perfekt. Diese Mischung aus Komik und Ernst, Tarnung und Wahrheit verwirrt und verblüfft. Frisch zeigt, dass immer dann, wenn Worte und Gedachtes ebenso wie Worte und Handlungen nicht übereinstimmen, die gutbürgerliche, philantrope Fassade einzustürzen droht. Interessanterweise müssen die beiden Brandstifter gar nicht lügen, um zum Ziel zu gelangen. Vielmehr genügt es zunächst unliebsamen, peinlichen Fragen auszuweichen und am Ende sogar dreist die Wahrheit als Tarnung einzusetzen: "Wir sind Brandstifter".
Die Brandstifter meinen, wenn er nicht glaube das sie Brandstifter seien, könnte er ihnen Streichhölzer aus Vertrauensbeweis geben.
Biedermann und die Brandstifter "Mein Name sei Gantenbein" von Max Frisch. In seinem Roman
"Mein Name sei Gantenbein" wendet sich Max Frisch seinem Thema der Identitätsfindung zu. In "Mein Name sei Gantenbein" spielt er virtuos mit Rollen und Personen auf der Meta-Ebene.
Frisch lässt die Hauptfigur sich in immer wieder verschiedene Situationen hineindenken, ohne daß der Roman eine wirkliche Handlung hätte.
Bitter die Ironie, daß Gantenbein erst zum glücklichen Menschen wird, nachdem er der Welt vorspielt, blind zu sein und so zu tun, als sähe er deren Fehler nicht.
Ist ein imaginiertes Leben denkbar - ist der Mensch gar Meister seiner selbst, frei entscheidender Erzähler seines Lebens? Gewisse Lifestyle-Bücher mögen es in teils amerikanischer Manier einfach behaupten; Max Frisch macht die Probe aufs Exempel. Gantenbein ist nur eine der Identitäten des Autors. Blind ist er scheinbar, um die anderen besser zu beobachten. Die Handlung verdient den Namen kaum; komplex geht es zu, doch zieht Frisch den Leser immer mehr in den Bann.
Frisch setzt sich in diesem Roman vermutlich stärker und deutlicher als zuvor mit dem Problem der Identitätsfindung auseinander: indem das erzählende Ich verschiedene Situationen als einer der drei Protagonisten ,,durchspielt", sucht es nach seiner eigenen Identität. Dabei findet es besonders Gefallen an Gantenbein, deshalb der Titel. Gantenbein ist in der Lage seine Rolle zu wechseln, sein Spiel mit der Gesellschaft hat Erfolg.
Max Frisch führt in "Mein Name sei Gantenbein" die Brüchigkeit menschlicher Identität vor. Das geht so weit, dass er seine Personen im Roman immer wieder neu erfindet. Der Erzähler selbst tritt in das Geschehen ein, überlegt sich, welche Rolle er annehmen will, und spielt mit der Identität der anderen Personen. Erzählung und Erzähler, Geschichte und Wirklichkeit, wahres und falsches Ich fließen auf verwirrende Art ineinander.
Mein Name sei Gantenbein "Tagebuch 1946-1949" von Max Frisch. Max Frischs Tagebuch ist eine Bestandsaufnahme. Seine Berichte aus dem Europa der Jahre 1946 bis 1949, die Protokolle seiner Begegnungen in der Nachkriegszeit haben ebenso historische wie aktuelle Bedeutung. Darüber hinaus nimmt das Tagebuch eine zentrale Stelle in der Genese des dichterischen Werkes von Max Frisch ein. Es enthält bereits erzählerische Anläufe, Skizzen, Strukturmodelle, aus denen sich später die großen Dramen und Romane entwickelt haben.
Das "Tagebuch 1946-1949" ist eine Bestandsaufnahme vom Europa der unmittelbaren Nachkriegszeit - Frisch, der den Zweiten Weltkrieg von der neutralen Schweiz aus beobachtet hatte, bereist nun die Ruinenlandschaften Mitteleuropas, beobachtet KZ-Überlebende, Trümmerfrauen, Bettler, "Frauleins", das feiernde Paris am Nationalfeiertag: Sieger und Besiegte, Verbrecher und Opfer.
Es ist noch viel mehr als ein biographisches Dokument, viel mehr als eine historische Quelle: Das "Tagebuch 1946-1949" enthält nämlich mehr oder weniger ausgearbeitete Entwürfe von einigen Dramen und Erzählungen, deren Entstehungsgeschichte man hier ein wenig nachverfolgen kann; nicht nur der "Graf Öderland" ist hier bereits vertreten.
"Tagebuch 1946-1949" ist sicher kein Tagebuch im landläufigen Sinne, aber dafür ein anregender Einstieg in Frischs Denken, ein unmittelbar wirkendes Stimmungsbild aus dem Nachkriegs-Europa, auch eine Fundgrube und Sammlung geistreicher Essays und ein Skizzen-Buch für seine späteren Romane.
Tagebuch 1946-1949